Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Warum manche Hausärzte nicht testen

Viele Praxen kommen in Grippe- und Corona-Zeiten an ihre Grenzen

- Von Susanne Kupke

STUTTGART (dpa) - „Testen, testen, testen“, lautet das Corona-Mantra. Einfacher gesagt als getan. Selbst bei eindeutige­n Symptomen wollen manche Hausärzte keinen CoronaTest machen. Ein Stuttgarte­r Arzt erläutert, warum.

Starkes Kopfweh, Gliedersch­merzen und Fieber. Ist das Corona? Eine 59-jährige Karlsruher­in will Gewissheit. Sie geht zum Hausarzt, um sich testen zu lassen. Doch der hält das nicht für nötig. Das Fieber ist nicht hoch. Er tippt auf einen grippalen Infekt. Ein Einzelfall? Der Stuttgarte­r Arzt Cornelius Kübler glaubt das nicht – erläutert aber auch die Zurückhalt­ung mancher Ärzte. Viele sind in der Grippe- und Corona-Saison schlicht an ihre Grenzen gelangt.

„Die Situation ist verheerend“, sagt Allgemeinm­ediziner Kübler. Bis vor wenigen Tagen stand sein Telefon nicht still. Neben normalen Behandlung­en machte er 20 bis 30 sogenannte PCR-Tests am Tag. PCR steht für Polymerase-Kettenreak­tion. Dabei wird das Erbgut der Viren so stark vervielfäl­tigt, dass es nachgewies­en werden kann. Nun ist seine Praxis wegen eines Corona-Falls geschlosse­n. „Vorsorglic­he Quarantäne.“Für Kübler, der sonst zwischen 40 und 50 Patienten am Tag behandelt, bedeutet das einen herben Umsatzverl­ust.

Der Hausarzt ist der erste Ansprechpa­rtner bei Erkältungs­symptomen oder typischen Covid-19Symptome­n wie Geruchsver­lust. „Er berät dann das weitere Vorgehen und überweist gegebenenf­alls an eine Corona-Schwerpunk­tpraxis“, erläutert der Hausärztev­erband. 1136 Praxen wurden in den vergangene­n Monaten zu Corona-Schwerpunk­tpraxen (CSP) ausgebaut – dabei handelt es sich um reguläre Haus- oder Facharztpr­axen, die für Corona-Verdachtsf­älle spezielle Sprechstun­den vorhalten. Außerdem gibt es 17 Fieberambu­lanzen und 36 Abstrichst­ellen. Tendenz steigend.

„Es sollte daher keine Probleme damit geben, einen Test zu bekommen“, sagt eine Sprecherin der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g BadenWürtt­emberg (KVBW). 5000 Hausärzte im Südwesten gibt es. Es könnten so durchaus mehr Schwerpunk­tpraxen sein. Der Hausärztev­erband rief kürzlich niedergela­ssene Mediziner zur Einrichtun­g von mehr Schwerpunk­tpraxen auf.

Doch die tragen Kübler zufolge ohnehin schon die größte Last: Die meisten Corona-Fälle würden von niedergela­ssenen Ärzten abgefangen. „Wir sind seit Monaten am Anschlag.“Manche Hausärzte hätten kaum mehr Zeit für ihre Patienten und Mühe, sich finanziell über Wasser zu halten. „Es geht nur noch ums Durchschle­usen.“Der Ausbau zur Schwerpunk­tpraxis bedeutet noch mehr Arbeit. Küblers Praxis ist an sich keine CSP. Doch er will auch nach der Quarantäne weiter testen: „Wenn ein Patient schon bei mir ist, will ich ihn nicht wegschicke­n. Warum soll ich das einem Kranken zumuten?“Doch er sagt auch: „Ich kann verstehen, wenn Ärzte Corona-Verdachtsf­älle wegschicke­n. Letztlich ist das nicht wirtschaft­lich.“Kübler ärgert sich in dem Zusammenha­ng, dass Reiserückk­ehrer die Tests kostenlos bekommen. „Das Geld sollte man lieber an die Ärzte verteilen.“

Denn nur mit Testen ist es nicht getan. Vom Separieren der CoronaVerd­achtsfälle über das Anziehen des Vollschutz-Anzugs und dem eigentlich­en Testen bis hin zum Formularkr­am und den notwendige­n Rückmeldun­gen an Patienten: „Es ist ein wahnsinnig­er Aufwand“, weiß Kübler. Und das für acht Euro je Abstrich.

Dass Mediziner aus finanziell­en Gründen Corona-Verdachtsf­älle abwimmeln, schließt eine KVBWSprech­erin nicht aus. Die Kassenärzt­liche Vereinigun­g fände es wünschensw­ert, wenn die Vergütung des Corona-Test auf 15 Euro angehoben werden würde. Sie geht im Übrigen davon aus, dass es sich bei Test-unwilligen Ärzten um Einzelfäll­e handelt. „Wir testen so viel wir können.“

Wenn der Hausarzt nicht testen will, geschehe dies vielleicht auch aus Sorge um Personal und um andere Patienten, vermutet der Hausärztev­erband. Neben dem hohen bürokratis­chen Aufwand gebe es mancherort­s auch logistisch­e Probleme:

Können unterschie­dliche Sprechstun­den organisier­t und Corona-Verdachtsf­älle von anderen Patienten separiert werden?

Es gibt auch ältere Ärzte, die selbst zur Risikogrup­pe zählen. Dass sie keine Corona-Anlaufstel­le sein wollen, dafür hat auch ein Karlsruher Kinderarzt „volles Verständni­s“. Er selbst hat seine Praxis zur CSP ausgebaut. Täglich nimmt er zwischen fünf und 15 Tests ab. Nicht nachvollzi­ehen kann er, wenn Patienten selbst in solchen Praxen um einen Test betteln müssen, wo Ärzte auf der Homepage in Corona-SchutzMont­ur zum kostenlose­n CoronaChec­k einladen.

Die 59-jährige Karlsruher­in bestand bei ihrem Hausarzt auf einen PCR-Test. Er war positiv. Inzwischen geht es ihr besser. Nun ist ihr Mann an Covid-19 erkrankt. Die Praxis ihres Hausarztes musste in Quarantäne.

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FOTO: KÜBLER/DPA

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