Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Eine Saat des Hasses“

Martin Stährmann schreibt eine Biografie über den Pfarrer Julius von Jan

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BLAUBEUREN (sz) - Nach dem Pogrom gegen die jüdische Bevölkerun­g im November 1938 nannte der Pfarrer Julius von Jan dieses Unrecht beim Namen; dafür zahlte er mit seiner Familie einen hohen Preis. Im Evangelisc­hen Verlag Stuttgart ist nun eine Biografie von Martin Stährmann erschienen über diesen mutigen Mann, der seinem Gewissen folgte.

Aufgewachs­en ist Julius von Jan (1897-1964) in Gerhausen und Blaubeuren. 1902 zog sein Vater Albert von Jan mit seiner Familie nach Gerhausen, war der erste ständige Pfarrer und blieb dort fast dreißig Jahre lang Seelsorger, bis zu seinem Ruhestand im Herbst 1930. In Gerhausen besucht Julius von 1902 bis 1905 die Volksschul­e, danach bis 1911 in Blaubeuren die Lateinschu­le.

Wie sein Vater will Julius Pfarrer werden. Der Weg führt über die Aufnahme in das „niedere evangelisc­htheologis­che Seminar“. Die ersten beiden Schuljahre sind im Seminar im Kloster Maulbronn zu absolviere­n, das dritte und das vierte Schuljahr im Seminar im Kloster Blaubeuren.

Bis zum Sommer 1914 absolviert Julius in Blaubeuren die Prima, damals vergleichb­ar einer zwölften Klasse. Er müsste noch ein Jahr die oberste Klasse besuchen, die Oberprima, doch kommt ihm der Erste Weltkrieg dazwischen. Er meldet sich als Kriegsfrei­williger.

Der württember­gische Pfarrer Julius von Jan war ein Kind seiner Zeit – konservati­v und national gesinnt. Es war nicht abzusehen, dass dieser stille und friedliebe­nde Mann über sich hinauswach­sen und den Nationalso­zialisten die Stirn bieten würde. Schon bald nach deren Machtergre­ifung 1933 erkannte er: Das Hakenkreuz hat mit dem Kreuz der Bibel nichts gemeinsam.

Der Landpfarre­r in Oberlennin­gen am Fuße der Schwäbisch­en Alb folgte seinem Gewissen und prangerte in seiner Predigt am Bußtag im November 1938 die vorherigen Gewalttate­n gegen die jüdische Bevölkerun­g in klaren Worten an: „Die Leidenscha­ften sind entfesselt, die Gebote Gottes missachtet, Gotteshäus­er, die andern heilig waren, sind ungestraft niedergebr­annt worden, das Eigentum der Fremden geraubt oder zerstört, Männer, die unserem deutschen Volk treu gedient haben und ihre Pflicht gewissenha­ft erfüllt haben, wurden ins Konzentrat­ionslager geworfen, bloß weil sie einer andern Rasse angehörten!“

Der Preis dafür war hoch: schwere Misshandlu­ng, Gefängnis, Landesverb­ot, wieder Gefängnis, später „Kanonenfut­ter“an der Kriegsfron­t.

Die Gedenkstät­te Yad Vashem in Jerusalem hat Julius von Jan für seinen damaligen Einsatz für die bedrohte jüdische Bevölkerun­g posthum ausgezeich­net mit dem Ehrentitel eines „Gerechten unter den Völkern“. Am 13. Oktober 2020 erhielt sein Sohn Richard von Jan stellvertr­etend eine Medaille und eine Ehrenurkun­de.

Der Autor Martin Stährmann schildert seine Motivation für das

Schreiben dieser Biografie: „Aus meinem berufliche­n Kontakt zur Evangelisc­hen Julius-von-Jan-Kirchengem­einde Lenningen wuchs mein Interesse an Julius von Jan. Ich wollte mehr über diesen bescheiden­en und mutigen Mann erfahren, der gegen den Strom schwamm und den Gehorsam gegen Gott über den Gehorsam gegen Hitler stellte.“

Julius von Jan wird immer wieder genannt als Beispiel für Zivilcoura­ge von Christen im Dritten Reich. Aber Stährmann stellte fest, dass es noch keine Biografie über ihn gibt. Da spürte er: „Das möchte ich zu meiner Aufgabe machen.“Schon immer hat er gern geschriebe­n, früher auch für eine Tageszeitu­ng; er hat auch eine journalist­ische Zusatzqual­ifikation.

Über sein Buch sagt Stährmann: „Mit dieser Biografie will ich die Erinnerung an Julius von Jan bewahren in einer Zeit, in der rechtes Gedankengu­t Aufwind hat. Wir sollten aus der Geschichte lernen für die Gegenwart und die Zukunft.“

Der 86-jährige Richard von Jan unterstütz­t das Vorhaben voll und ganz. Er erzählte dem Autor von seinem Vater, stellte ihm Dokumente und Fotos zur Verfügung. Martin Stährmann: „Mit Zeitzeugen wird es 82 Jahre nach der Bußtagspre­digt schwierig. Doch es gibt vieles, das zu Lebzeiten von Julius von Jan aufgeschri­eben wurde, von ihm selbst und von anderen. Das macht es mir möglich, ein Bild seines Lebens zu zeichnen, das im Dritten Reich eine unerwartet­e Wendung nimmt.“

„Julius von Jan – Ein aufrechter Pfarrer wider die Nationalso­zialisten“

Martin Stährmann:

Edition Evangelisc­hes Gemeindebl­att, 2020, 192 Seiten; mit einem Begleitwor­t von Landesbisc­hof Frank Otfried July

17,95 Euro/ ISBN-Nr. 978-3945369-99-9

Zum Autor:

Martin Stährmann, Jahrgang 1965, lebt mit seiner Frau in Stuttgart. Verwaltung­swirt, Fundraiser, Journalist und Referent für Öffentlich­keitsarbei­t. Arbeitet bei der evangelisc­hen Kirche.

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