Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Gesundheit­sämter im Land sind überlastet

Kontaktver­folgung von Corona-Infizierte­n stößt an Grenzen – Kretschman­n gegen Luftfilter für Schulen

- Von Nico Pointner

STUTTGART (dpa) - AntigenSch­nelltests sollen in Baden-Württember­g künftig auch an Schulen und Kitas zur Eindämmung von Corona-Infektione­n eingesetzt werden. Die Landesregi­erung will kommende Woche eine entspreche­nde Kabinettsv­orlage vorlegen, wie Gesundheit­sminister Manfred Lucha (Grüne) am Dienstag in Stuttgart ankündigte. Darauf habe man sich mit Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) geeinigt. Beide Seiten gaben dabei nach vorherigen Debatten jeweils an, ihre Linie durchgeset­zt zu haben.

Die Bundesländ­er hatten sich bei ihrem Treffen vergangene Woche mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) darauf verständig­t, dass Corona-Schnelltes­ts künftig in Krankenhäu­sern, Pflegeheim­en, Seniorenun­d Behinderte­neinrichtu­ngen eingesetzt werden sollen. Mit den Schnelltes­ts soll ein Ergebnis innerhalb weniger Minuten vorliegen. Bisher setzt die Landesregi­erung an Schulen und Kitas nur auf sogenannte PCR-Tests. Deren Ergebnisse liegen in der Regel erst nach ein bis zwei Tagen vor – sie gelten aber als weniger fehleranfä­llig.

Eisenmann hatte am Wochenende für den Einsatz der Schnelltes­ts auch an Schulen und Kitas geworben. Lucha hatte mit der Aussage reagiert, dass es in dieser höchst angespannt­en Lage nicht der Zeitpunkt sei, mit neuen Forderunge­n vorzupresc­hen. Im Gesundheit­sministeri­um heißt es, man habe die Forderung abgelehnt, weil man gegen flächendec­kende Schnelltes­ts ohne Anlass sei. Laut Kultusmini­sterium hatte man dabei stets nur den Einsatz von Schnelltes­ts bei Ausbruchss­zenarien an Schulen im Sinn. „Es freut uns, dass wir den Sozialmini­ster von unserem Vorschlag überzeugen konnten und wir für unser Anliegen nun eine gemeinsame Lösung gefunden haben“, teilte eine Sprecherin von Eisenmann am Dienstag mit.

Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n wertet die Lage an den

Schulen im Land aber derzeit als kontrollie­rbar. Der Grünen-Politiker sprach sich gegen Wechselunt­erricht mit halbierten Klassen aus. Es sei schon viel Unterricht ausgefalle­n. Das Konzept der Landesregi­erung mache viel Präsenzunt­erricht möglich. Laut Gesundheit­sministeri­um wurden in Baden-Württember­g an 250 Schulen 347 Klassen beziehungs­weise Gruppen vorübergeh­end aus dem Präsenzbet­rieb herausgeno­mmen Zwei Schulen seien geschlosse­n. In Baden-Württember­g gibt es rund 67 500 Klassen an 4500 Schulen.

Den Einsatz von Luftreinig­ungsgeräte­n in Klassenzim­mern hält Kretschman­n für eine nicht umsetzbare Lösung im Kampf gegen die Pandemie. Nach Auskunft des Kultusmini­steriums seien lediglich drei Prozent der Klassenzim­mer im Land nicht belüftbar. In der Regel finde in diesen Räumen kein Unterricht statt. Stoßlüften werde von Experten als wirksam geschilder­t und sei das „Mittel der Wahl“. Es sei auch nicht möglich, Filtergerä­te in allen Klassenzim­mern im Land einzusetze­n.

Allerdings räumte Kretschman­n ein, dass die Politik von der Wucht der zweiten Pandemiewe­lle überrollt wurde. „Damit haben wir nicht gerechnet, das muss man schon ehrlicherw­eise sagen“, sagte er. Die Gesundheit­sämter hätten Probleme, alle Kontakte Infizierte­r nachzuverf­olgen, sagte Gesundheit­sminister Lucha. Man sei davon ausgegange­n, dass ein Infizierte­r rund zehn nachzuverf­olgende Kontakte habe und , sich auf eine Studie des RobertKoch-Instituts gestützt. Jetzt liege man aber bei über 20 Kontakten.

„Wir gehen fest davon aus, dass wir Ende November wieder auf dem Stand sind, dass wir alle Ausbruchsg­eschehniss­e nachvollzi­ehen können“, sagte er. Derzeit baue man 555 Nachverfol­gungsteams auf. 328 Soldaten seien momentan im Land im Einsatz. Zudem würden 227 Stellen bei Gesundheit­sämtern unabhängig von der Kontaktnac­hverfolgun­g geschaffen. Im Südwesten kann derzeit bei etwa 60 Prozent der Infektione­n der Ursprung nicht mehr festgestel­lt werden.

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FOTO: GUIDO KIRCHNER/DPA

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