Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Spahn stellt Hilfe für Kliniken in Aussicht

Experten warnen vor 400 000 Neuinfekti­onen pro Tag bis Weihnachte­n

- Von Hajo Zenker und KNA

BERLIN - Die Zahl des Tages lieferte am Dienstag Lars Schaade, Vizepräsid­ent des Robert-Koch-Instituts (RKI): Wenn es mit dem Anstieg der Corona-Neuinfekti­onen so wie bisher weitergehe, müsse Deutschlan­d mit 400 000 neuen Fällen pro Tag zu Weihnachte­n rechnen. Deshalb sei es wichtig, die Regeln zu befolgen und Kontakte zu reduzieren – im Privaten und im Arbeitsall­tag.

Es sei zudem wichtig, zwar viel zu testen, aber zugleich die Kapazitäte­n nicht zu überlasten. Genau das forderte auch Michael Müller, Vorstandsc­hef des Verbandes der Akkreditie­rten Labore in der Medizin. Beim Corona-Standardte­st mit dem Kürzel PCR müsse man „auf die Bremse treten“. Nicht jeder Mensch mit Erkältungs­anzeichen könne getestet werden. In der vergangene­n Woche hätten die Labore mehr als 1,44 Millionen Tests ausgewerte­t, damit sei die Testkapazi­tät bundesweit erstmalig zu 100 Prozent ausgereizt gewesen. Deshalb gebe es einen Rückstau an Proben aus der Vorwoche, der stark auf mehr als 98 000 gestiegen sei. „Die Reserven sind erschöpft.“Hoffnungst­räger sind deshalb Schnelltes­ts, die zwar weniger genau als PCR, aber trotzdem oft sehr hilfreich seien.

Vor weiterem exponentie­llen Wachstum warnte auch Uwe Janssens, Präsident der Interdiszi­plinären Vereinigun­g für Intensiv- und Notfallmed­izin. Denn dann „würden wir definitiv an unsere Grenzen kommen“. Dabei seien die Intensivst­ationen jetzt technisch sehr gut gerüstet, das Problem sei eher fehlendes Fachperson­al. Janssens plädierte deshalb dafür, in Krankenhäu­sern in Regionen mit hohem Infektions­geschehen aus dem Regelbetri­eb auszusteig­en, also etwa planbare Operatione­n zu verschiebe­n. Dafür müsse es aber finanziell­e Entschädig­ungen geben. Die stellte denn Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) auch in Aussicht. In der kommenden Woche werde der zuständige Beirat dazu tagen und eine Lösung vorschlage­n, der Bund werde das mit Geld unterstütz­en. Wie unübersich­tlich die Lage geworden ist, zeigt Spahn auch selbst. Der von Corona Genesene bekannte, er sei „einer von diesen 75 Prozent, die nicht sagen können, wo die Ansteckung passiert ist“. Die Virus-Bekämpfung sei eine „echte Mammutaufg­abe“, man habe angesichts der Entwicklun­g deshalb die Notbremse ziehen müssen. Spahn dankte Ärzten, Pflegekräf­ten, Labormitar­beitern und allen im Gesundheit­swesen für ihren Einsatz in der Covid-19-Pandemie. „Sie sind die Helden unserer Zeit“, sagte Spahn am Dienstag in Berlin. Die Lage sei ernst, der Höhepunkt noch nicht erreicht und die Reduzierun­g der Kontakte in den kommenden Wochen essenziell, um das Virus wieder zu kontrollie­ren.

Für die Virologin Melanie Brinkmann vom Helmholtz-Zentrum für Infektions­forschung wäre es „besser gewesen, wir hätten früher gebremst“. Bei der Prävention gebe es viel Luft nach oben, etwa bei der Schnelligk­eit der Kontaktver­folgung. Ziel müsse es sein, die Intensivbe­tten gar nicht erst zu füllen. Und sie warnte: Der Winter werde hart. „Und Ostern werden wir mit der Pandemie noch lange nicht durch sein.“

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