Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
In der Manege herrscht blanke Existenzangst
Der kleine Familienzirkus Renz sitzt durch den Lockdown ohne Einnahmen in Biberach fest
BIBERACH/REGION - Zum Kulturbereich, der vom Lockdown massiv betroffen ist, gehören auch die Zirkusse. Vor allem die kleinen Betriebe leiden derzeit extrem, ohne dass die große Öffentlichkeit etwas davon mitbekommt. Karl Heinz Renz ist mit seinem zehnköpfigen Familienzirkus in Biberach „gestrandet“und weiß nicht, wie es weitergehen soll.
„Ich bin bei uns im Zirkus auch der Clown, aber wer kümmert sich um die Tränen des Clowns.“Es ist eine Mischung aus Verzweiflung, Wut und Traurigkeit, die Karl Heinz Renz in den kalten Herbstwind im Gewerbegebiet an der NordwestUmfahrung hinausschreit, wo der Zirkus seit Ende Oktober auf einer Wiese festsitzt und zum Nichtstun gezwungen ist. „Meine ganze Existenz hängt am Zirkus, und ich weiß nicht, wie es weitergehen soll.“In fünfter Generation leitet er den Familienbetrieb.
An drei Orten habe der Zirkus nach dem ersten Lockdown Gastspiele gegeben, sagt seine Frau Angela Renz. In Biberach in der ErnstOttenbacher-Straße wollte die Zirkustruppe bis nächsten Sonntag Vorstellungen geben, ehe der zweite Lockdown die Lichter in der Manege erlöschen ließ. Nach der letzten Vorstellung am vorigen Sonntag hätten die Leute im Stehen applaudiert. „Das hat mich zu Tränen gerührt“, schildert Angela Renz. Anders als ein Gastronom können sie aber nicht einfach den Schlüssel umdrehen. „Wir haben neben den Menschen rund 30 Tiere – Steppenkamele, Pferde und Hunde –, die wir versorgen müssen“, sagt Angela Renz.
Nachdem die bisherige Saison bereits äußerst durchwachsen war, hatte die Zirkustruppe beschlossen, nicht ins Winterquartier nach Mecklenburg-Vorpommern zu ziehen, sondern auch in der kalten Jahreszeit Vorstellungen zu geben. Nun könnte auch dieser Plan scheitern. „Wir haben keine Rücklagen mehr. Ohne Unterstützung der Bürger schaffen wir den zweiten Lockdown nicht“, meint Angela Renz.
Wichtig wäre den Zirkusleuten vor allem ein einigermaßen befestigtes Gelände, auf dem sie ihre acht Wagen und das Stallzelt aufstellen können, bis sie weiterziehen können. „Das eigentliche Zirkuszelt müssen wir nicht aufbauen, wir dürfen ja ohnehin keine Vorstellungen geben“, sagt Angela Renz. Man sei natürlich bereit, für Strom und Wasser zu bezahlen, „und wir machen ja auch nichts kaputt“.
Auf der Wiese direkt beim Liebherr-Werk an der Nordwest-Umfahrung, die ihnen ein Bauer überlassen hat, kann und will der kleine Zirkus nicht bleiben. „Wir können uns die Platzmiete auf Dauer nicht leisten, wir haben keinen Stromanschluss, und ein Dixieklo haben wir auf eigene Kosten dort aufgestellt“, sagt Karl Heinz Renz. Im Übrigen sei ein Industriegebiet kein Platz für einen Zirkus. „Wir Zirkusleute sind sicher härter im Nehmen als andere Leute, aber wir können hier doch nicht wochenlang stehen“, sagt seine Frau.
Anfragen bei der Biberacher Stadtverwaltung schienen zunächst ins Leere zu laufen. Auf den Gigelberg dürfe der Zirkus nicht umziehen, weil dort regelmäßig Demonstrationen stattfänden, habe man ihr gesagt, so Angela Renz. Dies bestätigt die städtische Pressesprecherin Andrea Appel auf Anfrage.
Am späten Dienstagnachmittag tut sich dann aber plötzlich doch noch ein kleiner Lichtblick für den Zirkus auf: Die Stadt bietet der Familie Renz ein Gelände in der Nähe des Kinderhauses in Rißegg an. Nachdem diese sich den Platz angesehen hat, ist am Dienstagabend klar: „Wir werden mit unseren Wagen dorthin umziehen. Der Platz ist gut“, so Angela Renz, die sich dankbar für die schnelle Hilfe zeigt.
Was bleibt, sind die finanziellen Sorgen. Es sei für den kleinen Zirkus bereits in den vergangenen Jahren schwer gewesen, aber seit der Corona-Pandemie sei es besonders schlimm. Staatliche Hilfsgelder habe sein Betrieb nicht bekommen, sagt Zirkusdirektor Renz. „Wir werden nicht als Kultur angesehen, dabei wollen wir den Menschen doch Freude bringen.“
Am liebsten würden sie sich die rund 150 Euro, die es täglich brauche, um Familie, Tiere und Betrieb über Wasser zu halten, durch Vorstellungen selbst erspielen, sagt Angela Renz. Neben Tierdressuren mit den Kamelen, Pferden und Hunden stehen Akrobatik-, Western- und Clownnummern auf dem 90-minütigen Programm. Für Kinder gibt es nach den Vorstellungen Ponyreiten. „Wir hoffen, dass wir im Dezember unsere geplanten Gastspiele in der Bodenseeregion wieder aufnehmen können“, sagt sie. Schnee und Eis könnten der Zirkus, seine Menschen und die Tiere verkraften, „aber diese Krise zwingt uns dazu, dass wir auf Unterstützung angewiesen sind.“
Wer dem Zirkus Renz mit Geldoder Futterspenden helfen möchte, darf sich unter der Telefonnummer 0159 / 01059025 melden.