Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
So kämpft Polizei gegen Hass im Internet
Die Polizei beschlagnahmt Handys eines Paares – Eine europaweite Aktion
SENDEN - Das Internet bietet schier unbegrenzte Möglichkeiten im guten, aber auch im schlechten Sinn. Ein Paar aus Senden erfährt derzeit, welche Folgen ein falscher Umgang mit der digitalen Welt haben kann. Bei einer 28-Jährigen und einem 48Jährigen hat die Polizei am Dienstag die Mobiltelefone sichergestellt. Die Handys werden jetzt von der Kriminalpolizei ausgewertet.
Dem Paar wird vorgeworfen, im Juni 2019 verfassungswidrige Bilder und Symbole aus der NS-Zeit in einer Chatgruppe verschickt zu haben. Dabei soll es sich um Abbildungen mit oder von Adolf Hitler sowie Hakenkreuzen handeln. Die Staatsanwaltschaft Memmingen hat daraufhin zwei Durchsuchungen veranlasst. Plötzlich stand dann die NeuUlmer Kriminalpolizei vor der Tür. Kommt es zu einer Verurteilung, droht dem Paar eine Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstraße von bis zu drei Jahren.
Der Fall in Senden ist Teil einer europaweiten Kampagne von Polizei und Justiz, um ein Zeichen gegen Hasskriminalität zu setzen. In ganz Bayern erfolgten am Dienstag zeitgleich Durchsuchungen gegen insgesamt 49 Beschuldigte, unter anderem gegen das Paar in Senden. Die Botschaft: Die vermeintliche Anonymität des Internets stelle keinen Schutz für Straftäter dar, so Harald Pickert, Präsident des Bayerischen Landeskriminalamtes (LKA).
Die Kriminalität im Netz ist jedoch vielfältig: Das kann eine simple Beleidigung sein, das Verbreiten verfassungswidriger Symbole oder gar von Kinderpornografie. Aber Absprachen zu einer Straftat erfolgen über digitale Kommunikationswege. Dass Hakenkreuze oder SS-Runen verbreitet wurden, lasse sich dabei leichter belegen als eine Beleidigung oder eine Volksverhetzung. Hier müsse immer der Einzelfall betrachtet werden, erklärt Thorsten Thamm, Sprecher der Staatsanwaltschaft Memmingen. Handelt es sich noch um eine Äußerung, die unter die Meinungsfreiheit fällt, oder geht es zu weit?
Auf derartige Fälle aufmerksam werden die Ermittler über unterschiedliche Wege. Das kann ein Hinweis von extern sein, beispielsweise eine Anzeige eines Bürgers. Häufig werden solche Fälle aber auch zufällig, im Zuge anderer Ermittlungen, aufgedeckt. Wenn zum Beispiel das Mobiltelefon eines Verdächtigen sichergestellt und Chatgruppen durchleuchtet werden.
Bei der Polizeiinspektion in NeuUlm ist unter anderem Kriminalhauptkommissar Jürgen Faust mit derartigen Ermittlungen vertraut. Seit fünf Jahren ist er Teil der Abteilung Staatsschutz. „Der Datenwulst“, sagt er, habe über die Jahre zugenommen. Aktuell liege aus einem anderen Fall ein Smartphone auf seinem Schreibtisch mit circa 200 000 Fotos darauf.
Während es bei der Kinderpornografie technische Unterstützung bei der Untersuchung des Materials gebe, ist das bei verfassungswidrigen Symbolen noch nicht möglich. Die Fallzahlen, auch im Kreis Neu-Ulm, würden zwar zunehmen, seien aber schwierig zu beziffern. Zwei Mal im Monat werde ein Handy ausgewertet, so der Kriminalhauptkommissar. Faust gibt mit Blick auf Meldungen, wonach Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund zunehmen würden, zu bedenken, dass auch das Verschicken von Bildern und Symbolen in Chatgruppen darunterfallen würden. In den wenigsten Fällen, sagt er, steckt dahinter aber ein „rechter Nazi“. Vielmehr seien es Jugendliche, die „gedankenlos“Sachen verschicken, dann aber „große Augen machen“, wenn eines Tages die Polizei vor der Tür steht.