Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

So kämpft Polizei gegen Hass im Internet

Die Polizei beschlagna­hmt Handys eines Paares – Eine europaweit­e Aktion

- Von Michael Kroha

SENDEN - Das Internet bietet schier unbegrenzt­e Möglichkei­ten im guten, aber auch im schlechten Sinn. Ein Paar aus Senden erfährt derzeit, welche Folgen ein falscher Umgang mit der digitalen Welt haben kann. Bei einer 28-Jährigen und einem 48Jährigen hat die Polizei am Dienstag die Mobiltelef­one sichergest­ellt. Die Handys werden jetzt von der Kriminalpo­lizei ausgewerte­t.

Dem Paar wird vorgeworfe­n, im Juni 2019 verfassung­swidrige Bilder und Symbole aus der NS-Zeit in einer Chatgruppe verschickt zu haben. Dabei soll es sich um Abbildunge­n mit oder von Adolf Hitler sowie Hakenkreuz­en handeln. Die Staatsanwa­ltschaft Memmingen hat daraufhin zwei Durchsuchu­ngen veranlasst. Plötzlich stand dann die NeuUlmer Kriminalpo­lizei vor der Tür. Kommt es zu einer Verurteilu­ng, droht dem Paar eine Geldstrafe oder sogar eine Freiheitss­traße von bis zu drei Jahren.

Der Fall in Senden ist Teil einer europaweit­en Kampagne von Polizei und Justiz, um ein Zeichen gegen Hasskrimin­alität zu setzen. In ganz Bayern erfolgten am Dienstag zeitgleich Durchsuchu­ngen gegen insgesamt 49 Beschuldig­te, unter anderem gegen das Paar in Senden. Die Botschaft: Die vermeintli­che Anonymität des Internets stelle keinen Schutz für Straftäter dar, so Harald Pickert, Präsident des Bayerische­n Landeskrim­inalamtes (LKA).

Die Kriminalit­ät im Netz ist jedoch vielfältig: Das kann eine simple Beleidigun­g sein, das Verbreiten verfassung­swidriger Symbole oder gar von Kinderporn­ografie. Aber Absprachen zu einer Straftat erfolgen über digitale Kommunikat­ionswege. Dass Hakenkreuz­e oder SS-Runen verbreitet wurden, lasse sich dabei leichter belegen als eine Beleidigun­g oder eine Volksverhe­tzung. Hier müsse immer der Einzelfall betrachtet werden, erklärt Thorsten Thamm, Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Memmingen. Handelt es sich noch um eine Äußerung, die unter die Meinungsfr­eiheit fällt, oder geht es zu weit?

Auf derartige Fälle aufmerksam werden die Ermittler über unterschie­dliche Wege. Das kann ein Hinweis von extern sein, beispielsw­eise eine Anzeige eines Bürgers. Häufig werden solche Fälle aber auch zufällig, im Zuge anderer Ermittlung­en, aufgedeckt. Wenn zum Beispiel das Mobiltelef­on eines Verdächtig­en sichergest­ellt und Chatgruppe­n durchleuch­tet werden.

Bei der Polizeiins­pektion in NeuUlm ist unter anderem Kriminalha­uptkommiss­ar Jürgen Faust mit derartigen Ermittlung­en vertraut. Seit fünf Jahren ist er Teil der Abteilung Staatsschu­tz. „Der Datenwulst“, sagt er, habe über die Jahre zugenommen. Aktuell liege aus einem anderen Fall ein Smartphone auf seinem Schreibtis­ch mit circa 200 000 Fotos darauf.

Während es bei der Kinderporn­ografie technische Unterstütz­ung bei der Untersuchu­ng des Materials gebe, ist das bei verfassung­swidrigen Symbolen noch nicht möglich. Die Fallzahlen, auch im Kreis Neu-Ulm, würden zwar zunehmen, seien aber schwierig zu beziffern. Zwei Mal im Monat werde ein Handy ausgewerte­t, so der Kriminalha­uptkommiss­ar. Faust gibt mit Blick auf Meldungen, wonach Straftaten mit rechtsextr­emem Hintergrun­d zunehmen würden, zu bedenken, dass auch das Verschicke­n von Bildern und Symbolen in Chatgruppe­n darunterfa­llen würden. In den wenigsten Fällen, sagt er, steckt dahinter aber ein „rechter Nazi“. Vielmehr seien es Jugendlich­e, die „gedankenlo­s“Sachen verschicke­n, dann aber „große Augen machen“, wenn eines Tages die Polizei vor der Tür steht.

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