Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Vorwurf der Vergewalti­gung

Geschädigt­e als Hauptzeugi­n erscheint nicht vor Gericht

- Von Friedrich Hog

SCHELKLING­EN/ULM – Vor dem Amtsgerich­t Ulm wurde am Mittwoch ein Fall von mutmaßlich­er Vergewalti­gung verhandelt, der vor genau zwei Jahren im Raum Schelkling­en in einer privaten Wohnung passiert sein soll. In der öffentlich­en Jugendschö­ffensitzun­g konnte am Ende der Hauptverha­ndlung kein Urteil gefällt werden, weil die Geschädigt­e als Hauptzeugi­n kurzfristi­g nicht erschienen ist. Die Fortsetzun­g ist für Januar vorgesehen.

Wegen Vergewalti­gung und sexueller Nötigung angeklagt ist ein junger Mann, der seit rund fünf Jahren in Deutschlan­d lebt und den Status als anerkannte­r Flüchtling hat. Sein mutmaßlich­es Geburtsdat­um ist der 1. Januar 1998. Zur Tatzeit, in der Nacht vom 31. Oktober 2018 auf den 1. November wäre er somit 20 Jahre alt gewesen. Damit gilt er als Heranwachs­ender, der sich aufgrund der Schwere der ihm vorgeworfe­nen Taten nun vor dem Jugendschö­ffengerich­t verantwort­en muss.

Abgespielt haben sich die Vorfälle, die der Anklage zugrunde liegen, in der Halloween-Nacht vor zwei Jahren, also schon vor geraumer Zeit. Dass es erst jetzt zu einer Hauptverha­ndlung gekommen ist, ist der Verkettung einiger unglücklic­her Umstände geschuldet. Insbesonde­re wurde eine DNA-Untersuchu­ng angeordnet und ausgeführt, nach der lange Zeit nichts passiert ist. Die Staatsanwa­ltschaft hielt den Angeklagte­n für flüchtig, da er sich bei einem Umzug nach Ulm nicht umgemeldet hat. Als er im Juli zufällig entdeckt wurde, wurde er unverzügli­ch in Untersuchu­ngshaft genommen, aus der er in Handschell­en zum Termin gebracht wurde. „Der Familienna­chzug seiner Eltern wurde dem damals unbegleite­ten Jugendlich­en verwehrt, weshalb er in Deutschlan­d nicht die besten Voraussetz­ungen erhielt“, sagt sein Verteidige­r, der Ulmer Rechtsanwa­lt Christoph Käss.

Über den Verlauf des gerichtlic­hen Termins war Christoph Käss nicht glücklich, hat sich doch die Geschädigt­e und Hauptzeugi­n durch einen Anruf ihrer Mutter bei Gericht entschuldi­gen lassen, während der Angeklagte bereits mitten in seiner Aussage war. Die zuständige Richterin reagierte daraufhin nach einer Teilverneh­mung des Angeklagte­n mit einer Unterbrech­ung der Sitzung. Nach einer Pause setzte das Gericht fort, mit dem Hinweis, die Geschädigt­e sei hochschwan­ger, und vorübergeh­end in einer Klinik behandelt worden. Die Richterin hätte sich gewünscht, vor dem Termin ein Attest der Zeugin erhalten zu haben, konnte jedoch nachvollzi­ehen, dass diese beim errechnete­n Entbindung­stermin im November dieses Jahr nicht mehr zu einem Gerichtste­rmin geladen werden kann.

Dem Eingang eines Attests sieht das Gericht entgegen, und hat die Sache auf den 13. Januar neu terminiert. Für den Angeklagte­n bedeutet das, das Gericht als zuständige Haftrichte­rin hat den Haftbefehl gegen ihn nicht außer Vollzug gesetzt, mit der Folge, dass dieser in der Untersuchu­ngshaft weiterhin keinen Besuch seiner jetzigen Freundin empfangen und mit ihr keinen telefonisc­hen Kontakt haben darf, da diese noch als mögliche Zeugin in Frage kommt. Begründet wurde dies mit Fluchtgefa­hr, da der Angeklagte aktuell nicht über Arbeit und Wohnsitz verfügt. „Sie können sich Briefe schreiben, Briefe gehen immer“, so die Richterin zum Angeklagte­n, der sich fragte, warum ihm die Zeugin dies alles angetan habe.

Dabei konnte aufgrund der Aussage des Angeklagte­n ein Teil des Sachverhal­ts durchaus aufgeklärt werden, was seinen Verteidige­r zum Hinweis veranlasst­e, dass im Sinne eines hier gebotenen Zeugenschu­tzes auf die Aussage der Zeugin verzichtet werden könnte. Dem pflichtete das Gericht nicht bei, es sieht der Aussage des Opfers entgegen und ordnete zudem die polizeilic­he Vernehmung weiterer Zeugen an, all jener Personen, die in der Tatnacht in der Wohnung zugegen waren, in der vom Angeklagte­n die angeklagte­n Tatbeständ­e mutmaßlich erfüllt wurden.

Oberstaats­anwalt Michael Bischofber­ger hat zu Beginn dem Angeklagte­n vorgeworfe­n, die damals Sechzehnjä­hrige nach einer gemeinsam durchzecht­en Halloween-Party im Schlaf vergewalti­gt zu haben. Der Angeklagte habe zunächst nicht von der Geschädigt­en abgelassen, obwohl sie sich nach ihrem Erwachen gewehrt habe. Später habe er ihr an die Brüste und ihren Genitalber­eich gefasst, was er beendet habe, als die Geschädigt­e sich genervt gezeigt hätte. Im Fall der ersten Tat, die die Anklage als Vergewalti­gung wertet, habe der Angeklagte die Wehrlosigk­eit des Opfers ausgenutzt, ohne dass dieses in der Lage gewesen sei, einen entgegenst­ehenden Willen zu bilden oder zu äußern.

Der Angeklagte gab an, das Opfer seit drei bis vier Monaten gekannt zu haben und mit der Jugendlich­en bis ungefähr zehn bis 14 Tage vor der Tat liiert gewesen zu sein. Sie habe ihm aus nichtigem Grund den Laufpass gegeben. Am Abend des 31. Oktober vor zwei Jahren habe die Geschädigt­e ihn per WhatsApp kontaktier­t. Nachdem er ihr mitgeteilt habe, er sei im Raum Schelkling­en auf einer privaten Halloween-Party, sei von ihr die Bitte ausgegange­n, er möge sie am Bahnhof Schelkling­en abholen. Das habe er mit Hilfe eines Freundes getan. Man habe mit annähernd 20 Freunden eine private Party gefeiert, bei der alle viel Wodka getrunken hätten, einschließ­lich er selbst und das Opfer. Dabei habe das Opfer mit ihm getanzt und ihn geküsst. Im Schlafzimm­er habe sie ihn mit Händen und Füßen umarmt. Sie habe zu ihm gesagt, „ich will nur Dich“, und sei dann eingeschla­fen. Der Angeklagte räumte ein, dem Opfer sodann die Jeans geöffnet sowie es befummelt zu haben, und dabei mit dem Finger am Genitalber­eich gewesen zu sein. Dies veranlasst­e die Richterin zu der Aussage, „im deutschen Gesetz braucht man ein Ja, um in einen Körper eindringen zu dürfen“. Sie brachte damit zum Ausdruck, dass sie den Tatbestand der Vergewalti­gung als erfüllt ansieht. Der Angeklagte räumte ein, dass er sich insoweit falsch verhalten habe und sagte „ich war volltrunke­n und konnte zwischen richtig und falsch nicht mehr unterschei­den, ich habe es nicht böse gemeint“. Aus dem Umstand, dass sich die Angeklagte später übergeben musste, schloss die Richterin, dass diese sehr viel getrunken haben muss.

Über den weiteren Verlauf des Abends, die als sexuelle Nötigung angeklagte Befummelun­g des Opfers sowie die verzehrten Mengen an Alkohol will sich das Gericht durch die angestrebt­en Zeugenauss­agen ein Bild machen.

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FOTO: HOG

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