Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Vorwurf der Vergewaltigung
Geschädigte als Hauptzeugin erscheint nicht vor Gericht
SCHELKLINGEN/ULM – Vor dem Amtsgericht Ulm wurde am Mittwoch ein Fall von mutmaßlicher Vergewaltigung verhandelt, der vor genau zwei Jahren im Raum Schelklingen in einer privaten Wohnung passiert sein soll. In der öffentlichen Jugendschöffensitzung konnte am Ende der Hauptverhandlung kein Urteil gefällt werden, weil die Geschädigte als Hauptzeugin kurzfristig nicht erschienen ist. Die Fortsetzung ist für Januar vorgesehen.
Wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung angeklagt ist ein junger Mann, der seit rund fünf Jahren in Deutschland lebt und den Status als anerkannter Flüchtling hat. Sein mutmaßliches Geburtsdatum ist der 1. Januar 1998. Zur Tatzeit, in der Nacht vom 31. Oktober 2018 auf den 1. November wäre er somit 20 Jahre alt gewesen. Damit gilt er als Heranwachsender, der sich aufgrund der Schwere der ihm vorgeworfenen Taten nun vor dem Jugendschöffengericht verantworten muss.
Abgespielt haben sich die Vorfälle, die der Anklage zugrunde liegen, in der Halloween-Nacht vor zwei Jahren, also schon vor geraumer Zeit. Dass es erst jetzt zu einer Hauptverhandlung gekommen ist, ist der Verkettung einiger unglücklicher Umstände geschuldet. Insbesondere wurde eine DNA-Untersuchung angeordnet und ausgeführt, nach der lange Zeit nichts passiert ist. Die Staatsanwaltschaft hielt den Angeklagten für flüchtig, da er sich bei einem Umzug nach Ulm nicht umgemeldet hat. Als er im Juli zufällig entdeckt wurde, wurde er unverzüglich in Untersuchungshaft genommen, aus der er in Handschellen zum Termin gebracht wurde. „Der Familiennachzug seiner Eltern wurde dem damals unbegleiteten Jugendlichen verwehrt, weshalb er in Deutschland nicht die besten Voraussetzungen erhielt“, sagt sein Verteidiger, der Ulmer Rechtsanwalt Christoph Käss.
Über den Verlauf des gerichtlichen Termins war Christoph Käss nicht glücklich, hat sich doch die Geschädigte und Hauptzeugin durch einen Anruf ihrer Mutter bei Gericht entschuldigen lassen, während der Angeklagte bereits mitten in seiner Aussage war. Die zuständige Richterin reagierte daraufhin nach einer Teilvernehmung des Angeklagten mit einer Unterbrechung der Sitzung. Nach einer Pause setzte das Gericht fort, mit dem Hinweis, die Geschädigte sei hochschwanger, und vorübergehend in einer Klinik behandelt worden. Die Richterin hätte sich gewünscht, vor dem Termin ein Attest der Zeugin erhalten zu haben, konnte jedoch nachvollziehen, dass diese beim errechneten Entbindungstermin im November dieses Jahr nicht mehr zu einem Gerichtstermin geladen werden kann.
Dem Eingang eines Attests sieht das Gericht entgegen, und hat die Sache auf den 13. Januar neu terminiert. Für den Angeklagten bedeutet das, das Gericht als zuständige Haftrichterin hat den Haftbefehl gegen ihn nicht außer Vollzug gesetzt, mit der Folge, dass dieser in der Untersuchungshaft weiterhin keinen Besuch seiner jetzigen Freundin empfangen und mit ihr keinen telefonischen Kontakt haben darf, da diese noch als mögliche Zeugin in Frage kommt. Begründet wurde dies mit Fluchtgefahr, da der Angeklagte aktuell nicht über Arbeit und Wohnsitz verfügt. „Sie können sich Briefe schreiben, Briefe gehen immer“, so die Richterin zum Angeklagten, der sich fragte, warum ihm die Zeugin dies alles angetan habe.
Dabei konnte aufgrund der Aussage des Angeklagten ein Teil des Sachverhalts durchaus aufgeklärt werden, was seinen Verteidiger zum Hinweis veranlasste, dass im Sinne eines hier gebotenen Zeugenschutzes auf die Aussage der Zeugin verzichtet werden könnte. Dem pflichtete das Gericht nicht bei, es sieht der Aussage des Opfers entgegen und ordnete zudem die polizeiliche Vernehmung weiterer Zeugen an, all jener Personen, die in der Tatnacht in der Wohnung zugegen waren, in der vom Angeklagten die angeklagten Tatbestände mutmaßlich erfüllt wurden.
Oberstaatsanwalt Michael Bischofberger hat zu Beginn dem Angeklagten vorgeworfen, die damals Sechzehnjährige nach einer gemeinsam durchzechten Halloween-Party im Schlaf vergewaltigt zu haben. Der Angeklagte habe zunächst nicht von der Geschädigten abgelassen, obwohl sie sich nach ihrem Erwachen gewehrt habe. Später habe er ihr an die Brüste und ihren Genitalbereich gefasst, was er beendet habe, als die Geschädigte sich genervt gezeigt hätte. Im Fall der ersten Tat, die die Anklage als Vergewaltigung wertet, habe der Angeklagte die Wehrlosigkeit des Opfers ausgenutzt, ohne dass dieses in der Lage gewesen sei, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern.
Der Angeklagte gab an, das Opfer seit drei bis vier Monaten gekannt zu haben und mit der Jugendlichen bis ungefähr zehn bis 14 Tage vor der Tat liiert gewesen zu sein. Sie habe ihm aus nichtigem Grund den Laufpass gegeben. Am Abend des 31. Oktober vor zwei Jahren habe die Geschädigte ihn per WhatsApp kontaktiert. Nachdem er ihr mitgeteilt habe, er sei im Raum Schelklingen auf einer privaten Halloween-Party, sei von ihr die Bitte ausgegangen, er möge sie am Bahnhof Schelklingen abholen. Das habe er mit Hilfe eines Freundes getan. Man habe mit annähernd 20 Freunden eine private Party gefeiert, bei der alle viel Wodka getrunken hätten, einschließlich er selbst und das Opfer. Dabei habe das Opfer mit ihm getanzt und ihn geküsst. Im Schlafzimmer habe sie ihn mit Händen und Füßen umarmt. Sie habe zu ihm gesagt, „ich will nur Dich“, und sei dann eingeschlafen. Der Angeklagte räumte ein, dem Opfer sodann die Jeans geöffnet sowie es befummelt zu haben, und dabei mit dem Finger am Genitalbereich gewesen zu sein. Dies veranlasste die Richterin zu der Aussage, „im deutschen Gesetz braucht man ein Ja, um in einen Körper eindringen zu dürfen“. Sie brachte damit zum Ausdruck, dass sie den Tatbestand der Vergewaltigung als erfüllt ansieht. Der Angeklagte räumte ein, dass er sich insoweit falsch verhalten habe und sagte „ich war volltrunken und konnte zwischen richtig und falsch nicht mehr unterscheiden, ich habe es nicht böse gemeint“. Aus dem Umstand, dass sich die Angeklagte später übergeben musste, schloss die Richterin, dass diese sehr viel getrunken haben muss.
Über den weiteren Verlauf des Abends, die als sexuelle Nötigung angeklagte Befummelung des Opfers sowie die verzehrten Mengen an Alkohol will sich das Gericht durch die angestrebten Zeugenaussagen ein Bild machen.