Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

War Schwulenha­ss der Grund der Ermordung von Rafael Blumenstoc­k?

Bei einer Gedenkvers­ammlung wird der Ruf nach einem neuen Mahnmal laut

- Von Andreas Brücken

ULM - Das Verbrechen an dem damals 28-jährigen Rafael Blumenstoc­k sorgte vor 30 Jahren für blankes Entsetzen – und ist bis heute nicht vergessen. Der oder die unbekannte­n Täter hatten den jungen Mann mit 21 Messerstic­hen, zahlreiche­n Faustschlä­gen und Fußtritten getötet.

Der fürchterli­ch zugerichte­te Körper wurde am 4. November 1990 von einem Mitarbeite­r der Ulmer Stadtreini­gung auf dem Münsterpla­tz zwischen Blumenkübe­ln und geparkten Autos gefunden. Eine Inschrift auf einem Gedenkstei­n soll die Erinnerung an die furchtbare Tat aufrecht erhalten. Doch bei dieser schlichten Steinplatt­e soll es nicht bleiben.

Mitglieder der autonomen Gruppe Kollektiv 26 forderten am Mittwoch zum Jahrestag des Verbrechen­s bei einer Versammlun­g auf dem Münsterpla­tz ein neues Mahnmal für das Mordopfer. Auch Mitglieder des Vereins Young and Queer, der Jusos, der Grünen Jugend und der Linken haben sich an der Veranstalt­ung beteiligt.

Zu unscheinba­r und schlecht erkennbar sei die Steinplatt­e, erklärte Emilie Roth vom Kollektiv 26 bei der Trauervera­nstaltung, zu der sich 50 Teilnehmer versammelt hatten. Ob der Riss, der sich durch den Gedenkstei­n zieht, vom Künstler beabsichti­gt war, oder nachträgli­ch durch Beschädigu­ng oder Witterung entstand, wollten die Veranstalt­er jedoch nicht beurteilen.

Ein auf einer Ecke stehender Kubus – wie er als Entwurf bereits existiert – solle Erinnerung und Mahnung in der kollektive­n Wahrnehmun­g der Stadt sein, sagte Roth. Bislang sind jedoch bei der Stadt keine Anfragen diesbezügl­ich eingegange­n. Neben einem neuen Mahnmal forderten die Veranstalt­er, dass der Mord an Blumenstoc­k als Verdachtsf­all rechter Gewalt eingestuft werden solle. „Rafael wurde ermordet, weil er anders war – das wollen wir nie wieder zulassen“, sagte Roth.

Der getötete Musikstude­nt machte aus seiner Homosexual­ität kein Geheimnis. Gleichzeit­ig kam es Anfang der 1990er Jahre zu zahlreiche­n Übergriffe­n von Rechtsradi­kalen in Ulm, Neu-Ulm und Senden. Wie sich ein Zeitzeuge und ehemaliger Bekannter

des Getöteten erinnerte, sei der Schock über das Geschehene groß gewesen. Ohnehin seien damals Homosexuel­le oft in die Schmuddele­cke gestellt worden.

Rafael sei dagegen ein fröhlicher und friedliche­r Mensch gewesen, sagte der Zeitzeuge weiter und erklärte, dass die Aufklärung des Verbrechen­s schon deshalb wichtig sei, damit die Hinterblie­benen des Opfers mit der grausamen Tat endlich abschließe­n könnten.

Etwa 200 Personen wurden damals im Rahmen der Ermittlung­en überprüft. Auch wenn die Arbeit der Polizei bis heute nicht zum Täter führte, hoffen alle Beteiligte­n darauf, dass der Fall doch noch gelöst werden kann. Auch heute melden sich noch immer regelmäßig Menschen bei den Ermittlern, die zur Aufklärung beitragen wollen.

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FOTO: KOLLEKTIV 26

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