Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
War Schwulenhass der Grund der Ermordung von Rafael Blumenstock?
Bei einer Gedenkversammlung wird der Ruf nach einem neuen Mahnmal laut
ULM - Das Verbrechen an dem damals 28-jährigen Rafael Blumenstock sorgte vor 30 Jahren für blankes Entsetzen – und ist bis heute nicht vergessen. Der oder die unbekannten Täter hatten den jungen Mann mit 21 Messerstichen, zahlreichen Faustschlägen und Fußtritten getötet.
Der fürchterlich zugerichtete Körper wurde am 4. November 1990 von einem Mitarbeiter der Ulmer Stadtreinigung auf dem Münsterplatz zwischen Blumenkübeln und geparkten Autos gefunden. Eine Inschrift auf einem Gedenkstein soll die Erinnerung an die furchtbare Tat aufrecht erhalten. Doch bei dieser schlichten Steinplatte soll es nicht bleiben.
Mitglieder der autonomen Gruppe Kollektiv 26 forderten am Mittwoch zum Jahrestag des Verbrechens bei einer Versammlung auf dem Münsterplatz ein neues Mahnmal für das Mordopfer. Auch Mitglieder des Vereins Young and Queer, der Jusos, der Grünen Jugend und der Linken haben sich an der Veranstaltung beteiligt.
Zu unscheinbar und schlecht erkennbar sei die Steinplatte, erklärte Emilie Roth vom Kollektiv 26 bei der Trauerveranstaltung, zu der sich 50 Teilnehmer versammelt hatten. Ob der Riss, der sich durch den Gedenkstein zieht, vom Künstler beabsichtigt war, oder nachträglich durch Beschädigung oder Witterung entstand, wollten die Veranstalter jedoch nicht beurteilen.
Ein auf einer Ecke stehender Kubus – wie er als Entwurf bereits existiert – solle Erinnerung und Mahnung in der kollektiven Wahrnehmung der Stadt sein, sagte Roth. Bislang sind jedoch bei der Stadt keine Anfragen diesbezüglich eingegangen. Neben einem neuen Mahnmal forderten die Veranstalter, dass der Mord an Blumenstock als Verdachtsfall rechter Gewalt eingestuft werden solle. „Rafael wurde ermordet, weil er anders war – das wollen wir nie wieder zulassen“, sagte Roth.
Der getötete Musikstudent machte aus seiner Homosexualität kein Geheimnis. Gleichzeitig kam es Anfang der 1990er Jahre zu zahlreichen Übergriffen von Rechtsradikalen in Ulm, Neu-Ulm und Senden. Wie sich ein Zeitzeuge und ehemaliger Bekannter
des Getöteten erinnerte, sei der Schock über das Geschehene groß gewesen. Ohnehin seien damals Homosexuelle oft in die Schmuddelecke gestellt worden.
Rafael sei dagegen ein fröhlicher und friedlicher Mensch gewesen, sagte der Zeitzeuge weiter und erklärte, dass die Aufklärung des Verbrechens schon deshalb wichtig sei, damit die Hinterbliebenen des Opfers mit der grausamen Tat endlich abschließen könnten.
Etwa 200 Personen wurden damals im Rahmen der Ermittlungen überprüft. Auch wenn die Arbeit der Polizei bis heute nicht zum Täter führte, hoffen alle Beteiligten darauf, dass der Fall doch noch gelöst werden kann. Auch heute melden sich noch immer regelmäßig Menschen bei den Ermittlern, die zur Aufklärung beitragen wollen.