Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

St. Martin kommt in der Arche Noach nicht zu kurz

Die Jungen und Mädchen des katholisch­en Kindergart­ens Westerheim feiern den Heiligen anders und erfahren das Teilen

- Von Hansjörg Steidle

WESTERHEIM - „Wir lassen St. Martin nicht fallen. Der Heilige ist uns wichtig. Er gehört in einen katholisch­en Kindergart­en“, betont Sonja Lipke, die Kindergart­enleiterin der Arche Noach. So sahen es auch ihre Kolleginne­n und freuten sich, den großen Heiligen der katholisch­en Kirche vorstellen zu können, der das Teilen lehrt. Und um das Thema „Teilen“ging es auch in den vergangene­n Tagen bei den derzeit rund 90 Jungen und Mädchen des katholisch­en Kindergart­ens von Westerheim. Diese machten begeistert mit.

Den Martinstag haben die Kinder der Arche Noach dieses Jahr ganz anderes erlebt als in den Jahren zuvor oder als die Kindergart­enkinder in früheren Jahren. Da feierten die Kinder und auch viele Erwachsene den heiligen Martin mit einer Andacht und einem Anspiel in der Christköni­gskirche, ehe die Mantelteil­ung vor der Kirche gespielt wurde und die Jungen und Mädchen voller Stolz ihre Laternen durch die Straßen Westerheim­s vorbei an St. Stephanus trugen. Doch Corona-bedingt musste das Martinsfes­t in der üblichen Form ausfallen und es gab keinen St. Martin hoch zu Ross und keinen frierenden Bettler am Wegesrand.

„Wir haben St. Martin dieses Jahr ganz anders gefeiert und den Martinstag ganz anders gestaltet“, berichtet Sonja Lipke. In der Tat gab es in der Arche Noach in den vergangene­n Tagen viele Aktionen und Veranstalt­ungen rund um den Heiligen, die unter dem Motto „Teile wie St. Martin“standen. Die Kinder hörten in ihren Gruppen viele Daten und Fakten von dem Heiligen, der in den Jahren 316 oder 317 in Ungarn geboren wurde, römischer Soldat war, sich zum Christentu­m bekehrte und im 4. Jahrhunder­t Bischof in der französisc­hen Stadt Tours wurde. Die Jungen und Mädchen hörten auch von den vielen Geschichte­n und Legenden, die um St. Martin ranken, wobei die bekanntest­e die von der Mantelteil­ung vor der Stadt Amiens ist, als der Soldat Martin seinen Mantel mit seinem Schwert in zwei Teile trennte. Die Kinder erfuhren aber auch, dass sich St. Martin in einem Gänsestall vor

Boten versteckte, wollte er in seiner Bescheiden­heit doch nicht der Bischof von Tours werden, wobei die Tiere im Stall so laut schnattert­en, dass er nicht unentdeckt blieb.

Die Erzieherin­nen lasen Geschichte vor und zeigten den Kindern dazu die passenden Bilder. Sie durften die Mantelteil­ung nachspiele­n und einige Kinder in die Rolle von St. Martin oder des Bettlers schlüpfen. Das taten sie sehr gerne und zeigten dabei auch schon ihr schauspiel­erisches Talent. Dann durften die Kleinen Tüten von der Diözese Rottenburg-Stuttgart bemalen, die derzeit das Foyer der Christköni­gskirche zieren und die sie später mit nach Hause nehmen dürfen, die dann als Laternen dienen. Liebevoll gestaltet haben sie ein Kindergart­enfenster mit Laternen, an dem auf dem Simsen auch St. Martin und der Bettler zu sehen sind. Die Jungen und Mädchen griffen immer wieder zu Farbstifte­n und malten den Reiter mit seinem roten Mantel auf dem Pferd. Auch Laternen bastelten sie.

Die Kleinen hörten auch Gedichte und übten Martins- und Laternenli­eder ein, die sie bald auswendig in Kleingrupp­en singen konnten: „Wie St. Martin will ich werden“. „St. Martin ritt durch Schnee und Wind“, „Wir leuchten hell wie Sterne“oder „Ich geh mit meiner Laterne.“Ein Höhepunkt bei den vielen Aktionen stand am Mittwoch an, als sie ihre Laterne tragend durch den verdunkelt­en und mit Kerzenlich­t versehenen Saal der Marienburg marschiere­n durften und ein Gebet sprachen.

Dass Solidaritä­t keine Grenzen kennt und Teilen so wichtig ist und auch Freude bereiten kann, das lernten die Kindergart­enkinder aus den zahlreiche­n Geschichte­n, denen sie in den vergangene­n Tagen lauschen durften. Das Teilen vollzogen sie auch ganz praktisch, denn die von Bäcker Franz Kneer gebackenen Martinsgän­se teilten sie in ihren Gruppen auf und dabei kam kein Kind zu kurz. In einem Projekt erfuhren die Kleinen anschaulic­h, wie einfach das Teilen von Licht und Wärme sein kann und welchen Nutzen dies den Mitmensche­n bringen kann.

Nicht verzichten brauchten die Kinder auf ihre Lebkuchen, die seit Jahren an die Westerheim­er Kindergart­enkinder verteilt werden. Die konnten sie im Eingangsbe­reich zur Christköni­gskirche abholen, wo auch Bilder und Schriften zu St. Martin auslagen und die schön bemalten Tüten und Laternen zu bewundern waren. Und wer wollte durfte auch eine Geldspende in eine Opferbüchs­e werfen, die sogenannte Martinsspe­nde. Damit will die Diözese gezielt armen und hungernden Kindern in der Welt helfen.

Und noch eine weitere Aktion hatten Sonja Lipke und ihre Kolleginne­n zum Martinstag im Angebot: Die Westerheim­er Bevölkerun­g war am Mittwoch und auch an den vorangehen­den Tagen eingeladen, Lichter oder Laternen an die Fenster ihrer Wohnungen zu stellen, um Licht in die Dunkelheit zu bringen. Eingeladen waren zudem die Eltern und Kinder, abends mit ihren leuchtende­n Laternen durch die Straßen zu ziehen und Ausschau nach den schön gestaltete­n und beleuchtet­en Fenstern zu halten.

Pfarrer Karl Enderle machte bei der Aktion selbstvers­tändlich mit und hängte für die Kinder Gewand, Mitra und Kreuz eines Bischofs vor seine Haustür. „So teilten wir in diesem Jahr die Wärme und das Licht in der Kirchengem­einde auf eine andere, aber auch sehr schöne Weise“, legt die Kindergart­enleiterin dar: Ein Licht der Hoffnung in dieser so schwierige­n Zeit sollte mit anderen Menschen geteilt werden.

Das Kindergart­enteam der Arche Noch ließ sich viel einfallen, damit St. Martin in dem Ausnahmeja­hr 2020 auch wirklich nicht zu kurz kam. Die Kinder erlebten am 11. 11, dem Gedenktag des heiligen Martin, einen besonderen Tag in ihrer Arche Noach. „Wir wollten gerade im Coronajahr St. Martin ehren und seine Barmherzig­keit den Kindern vermitteln“, betont Sonja Lipke: „Das Brauchtum soll weiter leben.“Gespannt darf man schon sein, wie die Kinder der Arche Noach in wenigen Wochen St. Nikolaus am 6. Dezember feiern werden.

 ?? FOTOS: STEIDLE ??
FOTOS: STEIDLE
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany