Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
St. Martin kommt in der Arche Noach nicht zu kurz
Die Jungen und Mädchen des katholischen Kindergartens Westerheim feiern den Heiligen anders und erfahren das Teilen
WESTERHEIM - „Wir lassen St. Martin nicht fallen. Der Heilige ist uns wichtig. Er gehört in einen katholischen Kindergarten“, betont Sonja Lipke, die Kindergartenleiterin der Arche Noach. So sahen es auch ihre Kolleginnen und freuten sich, den großen Heiligen der katholischen Kirche vorstellen zu können, der das Teilen lehrt. Und um das Thema „Teilen“ging es auch in den vergangenen Tagen bei den derzeit rund 90 Jungen und Mädchen des katholischen Kindergartens von Westerheim. Diese machten begeistert mit.
Den Martinstag haben die Kinder der Arche Noach dieses Jahr ganz anderes erlebt als in den Jahren zuvor oder als die Kindergartenkinder in früheren Jahren. Da feierten die Kinder und auch viele Erwachsene den heiligen Martin mit einer Andacht und einem Anspiel in der Christkönigskirche, ehe die Mantelteilung vor der Kirche gespielt wurde und die Jungen und Mädchen voller Stolz ihre Laternen durch die Straßen Westerheims vorbei an St. Stephanus trugen. Doch Corona-bedingt musste das Martinsfest in der üblichen Form ausfallen und es gab keinen St. Martin hoch zu Ross und keinen frierenden Bettler am Wegesrand.
„Wir haben St. Martin dieses Jahr ganz anders gefeiert und den Martinstag ganz anders gestaltet“, berichtet Sonja Lipke. In der Tat gab es in der Arche Noach in den vergangenen Tagen viele Aktionen und Veranstaltungen rund um den Heiligen, die unter dem Motto „Teile wie St. Martin“standen. Die Kinder hörten in ihren Gruppen viele Daten und Fakten von dem Heiligen, der in den Jahren 316 oder 317 in Ungarn geboren wurde, römischer Soldat war, sich zum Christentum bekehrte und im 4. Jahrhundert Bischof in der französischen Stadt Tours wurde. Die Jungen und Mädchen hörten auch von den vielen Geschichten und Legenden, die um St. Martin ranken, wobei die bekannteste die von der Mantelteilung vor der Stadt Amiens ist, als der Soldat Martin seinen Mantel mit seinem Schwert in zwei Teile trennte. Die Kinder erfuhren aber auch, dass sich St. Martin in einem Gänsestall vor
Boten versteckte, wollte er in seiner Bescheidenheit doch nicht der Bischof von Tours werden, wobei die Tiere im Stall so laut schnatterten, dass er nicht unentdeckt blieb.
Die Erzieherinnen lasen Geschichte vor und zeigten den Kindern dazu die passenden Bilder. Sie durften die Mantelteilung nachspielen und einige Kinder in die Rolle von St. Martin oder des Bettlers schlüpfen. Das taten sie sehr gerne und zeigten dabei auch schon ihr schauspielerisches Talent. Dann durften die Kleinen Tüten von der Diözese Rottenburg-Stuttgart bemalen, die derzeit das Foyer der Christkönigskirche zieren und die sie später mit nach Hause nehmen dürfen, die dann als Laternen dienen. Liebevoll gestaltet haben sie ein Kindergartenfenster mit Laternen, an dem auf dem Simsen auch St. Martin und der Bettler zu sehen sind. Die Jungen und Mädchen griffen immer wieder zu Farbstiften und malten den Reiter mit seinem roten Mantel auf dem Pferd. Auch Laternen bastelten sie.
Die Kleinen hörten auch Gedichte und übten Martins- und Laternenlieder ein, die sie bald auswendig in Kleingruppen singen konnten: „Wie St. Martin will ich werden“. „St. Martin ritt durch Schnee und Wind“, „Wir leuchten hell wie Sterne“oder „Ich geh mit meiner Laterne.“Ein Höhepunkt bei den vielen Aktionen stand am Mittwoch an, als sie ihre Laterne tragend durch den verdunkelten und mit Kerzenlicht versehenen Saal der Marienburg marschieren durften und ein Gebet sprachen.
Dass Solidarität keine Grenzen kennt und Teilen so wichtig ist und auch Freude bereiten kann, das lernten die Kindergartenkinder aus den zahlreichen Geschichten, denen sie in den vergangenen Tagen lauschen durften. Das Teilen vollzogen sie auch ganz praktisch, denn die von Bäcker Franz Kneer gebackenen Martinsgänse teilten sie in ihren Gruppen auf und dabei kam kein Kind zu kurz. In einem Projekt erfuhren die Kleinen anschaulich, wie einfach das Teilen von Licht und Wärme sein kann und welchen Nutzen dies den Mitmenschen bringen kann.
Nicht verzichten brauchten die Kinder auf ihre Lebkuchen, die seit Jahren an die Westerheimer Kindergartenkinder verteilt werden. Die konnten sie im Eingangsbereich zur Christkönigskirche abholen, wo auch Bilder und Schriften zu St. Martin auslagen und die schön bemalten Tüten und Laternen zu bewundern waren. Und wer wollte durfte auch eine Geldspende in eine Opferbüchse werfen, die sogenannte Martinsspende. Damit will die Diözese gezielt armen und hungernden Kindern in der Welt helfen.
Und noch eine weitere Aktion hatten Sonja Lipke und ihre Kolleginnen zum Martinstag im Angebot: Die Westerheimer Bevölkerung war am Mittwoch und auch an den vorangehenden Tagen eingeladen, Lichter oder Laternen an die Fenster ihrer Wohnungen zu stellen, um Licht in die Dunkelheit zu bringen. Eingeladen waren zudem die Eltern und Kinder, abends mit ihren leuchtenden Laternen durch die Straßen zu ziehen und Ausschau nach den schön gestalteten und beleuchteten Fenstern zu halten.
Pfarrer Karl Enderle machte bei der Aktion selbstverständlich mit und hängte für die Kinder Gewand, Mitra und Kreuz eines Bischofs vor seine Haustür. „So teilten wir in diesem Jahr die Wärme und das Licht in der Kirchengemeinde auf eine andere, aber auch sehr schöne Weise“, legt die Kindergartenleiterin dar: Ein Licht der Hoffnung in dieser so schwierigen Zeit sollte mit anderen Menschen geteilt werden.
Das Kindergartenteam der Arche Noch ließ sich viel einfallen, damit St. Martin in dem Ausnahmejahr 2020 auch wirklich nicht zu kurz kam. Die Kinder erlebten am 11. 11, dem Gedenktag des heiligen Martin, einen besonderen Tag in ihrer Arche Noach. „Wir wollten gerade im Coronajahr St. Martin ehren und seine Barmherzigkeit den Kindern vermitteln“, betont Sonja Lipke: „Das Brauchtum soll weiter leben.“Gespannt darf man schon sein, wie die Kinder der Arche Noach in wenigen Wochen St. Nikolaus am 6. Dezember feiern werden.