Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Trumps letzter Strohhalm
US-Präsident will Wahlleute zu seinen Gunsten bestimmen lassen
ATLANTA - Donald Trump gibt trotz seiner Niederlage bei den US-Präsidentschaftswahlen gegen den Demokraten Joe Biden nicht auf: Nachdem er juristisch bislang keinen Erfolg hatte, setzt er nun auf andere Mittel. Am Freitag zitierte Donald Trump die beiden führenden Republikaner Michigans ins Weiße Haus, um ihnen nahezulegen, sich über die Entscheidung der Wähler hinwegzusetzen. Der eine, Mike Shirkey, ist Chef der stärksten Fraktion im Senat, der andere, Lee Chatfield, Vorsitzender des Repräsentantenhauses des Bundesstaats im Norden der USA.
Mit juristischen Mitteln ist Trump bisher nicht weit gekommen. Bis auf zwei Ausnahmen wurden sämtliche Klagen, die seine Anwälte einreichten, von den Richtern abgeschmettert. Nun bedient sich der Präsident der Macht seines Amtes. Er will Druck auf Parteifreunde ausüben, damit sie das Blatt in Staaten wie Michigan, Arizona oder Georgia zu seinen Gunsten wenden.
In Staaten, in denen Joe Biden gewann und in deren Lokalparlamenten Republikaner das Sagen haben, sollen sie das Ergebnis des Votums noch kippen. Statt sich bei der Auswahl der Wahlleute nach dem Resultat der Abstimmung zu richten, soll eine konservative Abgeordnetenmehrheit republikanische Parteigänger benennen, bevor das „Electoral College“am 14. Dezember den Präsidenten bestimmt.
In Michigan beispielsweise erhielt Biden 157 000 Stimmen mehr als Trump. So hartnäckig der Unterlegene behauptet, es sei dort massiv betrogen worden – Beweise, die ein Gericht überzeugen würden, hat er bislang nicht vorgelegt. Sollten sich führende Republikaner vor Trumps’ Karren spannen lassen, liefe es wohl auf eine Verfassungskrise hinaus. Zwar gibt es kaum einen seriösen Experten, der Trump Erfolgschancen zubilligt, doch schon der Versuch provoziert heftigen Widerspruch.
Mitt Romney, ehemaliger Präsidentschaftskandidat der Republikaner, wirft Trump „undemokratische Manöver“vor. Der Präsident habe weder Manipulationen großen Stils noch ein Komplott plausibel nachweisen können. Nun setze er lokale Politiker unter Druck, um den Willen des Volkes zu unterlaufen. Gretchen Whitmer, die Gouverneurin Michigans, empfahl dem Amtsinhaber, seine Energie nicht zu verschwenden und sich in den zwei Monaten
bis zu seinem Abschied lieber auf ein „echtes Covid-Paket“zu konzentrieren. „Die Wahl wurde eindeutig entschieden. Sie war sicher, und sie war fair.“
Biden kommentierte, Donald Trump werde als der verantwortungsloseste Präsident aller Zeiten in die amerikanischen Geschichtsbücher eingehen. „Es fällt schwer zu begreifen, wie dieser Mann denkt. Ich bin sicher, dass er weiß, dass er nicht gewonnen hat.“
Am Donnerstag hatte Trump einen weiteren Rückschlag erlitten. In Georgia, jahrzehntelang eine Hochburg der Republikaner, erklärte die Nachrichtenagentur AP seinen Widersacher zum Sieger. Zuvor waren fast fünf Millionen Stimmzettel ein zweites Mal – diesmal von Hand – ausgezählt worden. Biden kommt nun auf einen Vorsprung von 12 000 Stimmen. Die Nachzählung hat am ursprünglichen Resultat nur Unwesentliches geändert. Im Floyd County hatte man rund 2500 zunächst nicht berücksichtigte Wahlzettel entdeckt. Da der Landkreis im ländlich geprägten Nordwesten Georgias als typisches „Trump Country“gilt, hatte die Kampagne des Präsidenten den Fehler als Indiz für massive Manipulationen hinzustellen versucht. Mit der nochmaligen Auszählung ist auch dieser Verdacht entkräftet.
In Pennsylvania, wo Biden nach aktuellem Stand auf 81 000 Stimmen mehr als Trump kommt, fordern Rechtsberater des Verlierers, rund 683 000 in Philadelphia und Pittsburgh abgegebene Briefwahlstimmen für ungültig zu erklären. Zur Begründung heißt es, man habe Wahlbeobachter bei der Auszählung nicht nah genug herangelassen, als dass eine „echte Inspektion“möglich gewesen wäre.