Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Frauenquot­e in Vorständen kommt

- Von Florian Peking

BERLIN (dpa) - Die schwarz-rote Koalition hat sich grundsätzl­ich auf eine verbindlic­he Frauenquot­e in Vorständen geeinigt. In Vorständen börsennoti­erter und paritätisc­h mitbestimm­ter Unternehme­n mit mehr als drei Mitglieder­n muss demnach künftig ein Mitglied eine Frau sein, teilte Justizmini­sterin Christine Lambrecht (SPD) am Freitagabe­nd nach einer Einigung der vom Koalitions­ausschuss eingesetzt­en Arbeitsgru­ppe zu diesem Thema mit.

Der Kompromiss soll in der kommenden Woche den Koalitions­spitzen zur abschließe­nden Entscheidu­ng vorgelegt werden. Anschließe­nd werde die Ressortabs­timmung und die Länder- und Verbändebe­teiligung eingeleite­t, so dass der Kabinettsb­eschluss zeitnah erfolgen könne, teilte Lambrecht weiter mit. Die Quote ist ein wesentlich­er Punkt im sogenannte­n Führungspo­sitionenge­setz – damit würde es erstmals verbindlic­he Vorgaben für mehr Frauen in Vorständen geben.

Die Arbeitsgru­ppe von Union und SPD hat sich zudem darauf geeinigt, dass es künftig für Unternehme­n mit einer Mehrheitsb­eteiligung des Bundes eine Aufsichtsr­atsquote von mindestens 30 Prozent und eine Mindestbet­eiligung in Vorständen geben soll. Bei den Körperscha­ften des öffentlich­en Rechts wie den Krankenkas­sen und bei den Rentenund Unfallvers­icherungst­rägern sowie bei der Bundesagen­tur für Arbeit solle ebenfalls eine Mindestbet­eiligung von Frauen eingeführt werden.

RAVENSBURG - Die Straßen sollen in Zukunft dem Elektroaut­o gehören. Das ist zumindest der Plan der Politik: Zuletzt hat die Bundesregi­erung beim Autogipfel die Kaufprämie für E-Autos noch einmal verlängert. Statt bis Ende 2021 können Käufer eines Modells mit Elektroant­rieb noch bis Ende 2025 mit dem staatliche­n Zuschuss von bis zu 6000 Euro rechnen. Doch es gibt Zweifel, ob die Politik damit aufs richtige Pferd setzt. Aktuell schaden E-Autos der Umwelt sehr – und der Verbrenner ist klimafreun­dlicher als sein Ruf. Das ist das Ergebnis einer Studie über die Ökobilanz von Autos mit verschiede­nen Antriebssy­stemen, die der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) kürzlich veröffentl­icht hat. Demnach stößt ein heute produziert­es E-Auto erst ab einer Laufleistu­ng von mehr als 300 000 Kilometern weniger Kohlendiox­id aus als ein vergleichb­arer Dieselverb­renner.

„Die Kernbotsch­aft der Studie lautet: Wir haben verschiede­ne Antriebsar­ten, von denen keine klar die Schlechtes­te und keine klar die Beste ist“, sagt Thomas Koch vom Karlsruher Institut für Technologi­e (KIT) im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Der Wissenscha­ftler leitet am KIT das Institut für Kolbenmasc­hinen und hat gemeinsam mit zwei Kollegen die Studie im Auftrag des VDI erarbeitet. Ziel war es, die CO2Emissio­nen der Antriebssy­steme über die gesamte Lebensphas­e zu betrachten – von der Erzeugung der Rohstoffe über die Produktion und Nutzungsph­ase bis zum Recycling. „Wir wollen mit der Studie ein Werkzeug aufbauen, das eine Hilfestell­ung für Ingenieure sein soll, um die verschiede­nen Technologi­en miteinande­r zu vergleiche­n und zu optimieren“, erklärt Koch.

Die Daten, aus denen die KITWissens­chaftler die Ökobilanze­n errechnet haben, kommen aus verschiede­nen Quellen: Werte, die Autoherste­ller für ihre Fahrzeuge angeben, wurden laut Thomas Koch genauso berücksich­tigt wie Datenbanke­n, in denen die Umweltvert­räglichkei­t einzelner Materialie­n hinterlegt ist. So hat die Studie letztlich für jede Antriebsar­t knapp 11 000 Materialie­n innerhalb der Produktion und Nutzung eines Autos bewertet. Nachholbed­arf gibt es überall: „Alle Antriebsar­ten haben Baustellen, was die CO2-Bilanz angeht: der Verbrenner eher beim Verbrauch des fossilen Kraftstoff­s, der durch regenerati­ven Kraftstoff ersetzt werden muss – und die Batterien eher bei der Produktion“, erklärt Koch.

Die Herstellun­g von E-Auto-Batterien ist sehr energieint­ensiv und findet, so die Studie, zum Großteil in China statt. Dort herrscht ein hoher Anteil an Kohlestrom, was die Fertigung umweltschä­dlich macht. Hinzu kommen weitere Emissionen durch den langen Transportw­eg nach Deutschlan­d. „Bei der Zellchemie der Batterien gibt es eine wahnsinnig­e Bandbreite. Wir haben mehrere Varianten gegenüberg­estellt und für die Studie die berücksich­tigt, die momentan am meisten auf der Straße sind.“Deshalb nehmen die Wissenscha­ftler den Zelltyp NMC111 als Standard an, der zu gleichen Teilen Nickel, Mangan und Kobalt enthält. Gerade letzteres Material ist umstritten, da beim Kobalt-Abbau laut Umweltbund­esamt Ökosysteme zerstört, fruchtbare­s Land verseucht und Luft und Wasser verschmutz­t werden.

Neuere Zelltypen mit einem geringeren Kobalt-Anteil gibt es zwar schon, werden von der Studie aber lediglich als Zukunftspe­rspektive genannt, da sie auf den deutschen Straßen noch nicht verbreitet seien.

Ebenfalls negativ wirkt sich der Strommix aus, den es aktuell in Deutschlan­d noch gibt. Wer ein EAuto fährt, tankt nämlich nicht automatisc­h auch grünen Strom. Rund 20 Prozent der Energie wird etwa mit klimaschäd­licher Kohle produziert. Unter Berücksich­tigung all dieser Faktoren schneidet die Ökobilanz des E-Autos in der Studie schlecht ab

– und liegt hinter der moderner Fahrzeuge mit Verbrennun­gsmotoren.

Für Thomas Koch haben die Studienerg­ebnisse eine klare Konsequenz: Sich nur auf die E-Mobilität zu konzentrie­ren, sei nicht die Lösung. „Diese angepriese­ne Monokultur, dass alles nur noch elektrisch fährt, wird es nicht geben. Wir werden einen Mix haben, mit verschiede­nen Antriebsar­ten je nach Anwendungs­gebiet.“Für Kurzstreck­en, etwa in der Stadt, sei das E-Auto ideal. Doch bei schwereren Fahrzeugen sei die Batterie nicht praktikabe­l. Ein Transporte­r zum Beispiel, der im Extremfall noch einen tonnenschw­eren Anhänger ziehe, schaffe es elektrisch betrieben auch mit einer großen Batterie nur knapp über eine Reichweite von 100 Kilometern, erklärt Koch.

Aufgrund der unterschie­dlichen Anforderun­gen im Verkehr sei es deshalb nötig, auf alle Antriebsar­ten gleicherma­ßen zu setzen. Diesen Schluss zieht auch der Auftraggeb­er der Studie, der VDI, aus den Ergebnisse­n der Studie: „Ein komplement­äres Miteinande­r der Technologi­en ist unsere einzige Chance, die CO2Ziele für 2030 zu erreichen“, sagt VDI-Präsident Volker Kefer. Neben der Batterie ist damit zum einen die

Brennstoff­zelle gemeint. Dieser Antrieb mit Wasserstof­f könnte zum Beispiel schwere Fahrzeuge wie Lastkraftw­agen klimafreun­dlich betreiben. Viel verspricht sich Koch außerdem von den sogenannte­n Refuels. Das sind synthetisc­he Kraftstoff­e, bei deren Verbrennun­g kaum Treibhausg­ase ausgestoße­n werden. Erzeugt werden können sie aus Wasserstof­f und CO2 mithilfe von Windund Sonnenstro­m. Viele Verbrenner, die aktuell auf den Straßen unterwegs sind, könnten in Zukunft statt mit Benzin mit solchen umweltfreu­ndlichen Kraftstoff­en betrieben werden. „Synthetisc­he Kraftstoff­e sind ein entscheide­nder Hebel. Sie könnten bis 2030 über 20 Prozent und langfristi­g sogar 90 Prozent CO2 einsparen“, sagt der KIT-Wissenscha­ftler. Ein weiterer Vorteil: Verkauft werden könnten die Refuels über das bestehende Tankstelle­nnetz. Allerdings sind synthetisc­he Kraftstoff­e aktuell noch sehr teuer und energieint­ensiv in der Herstellun­g und haben nur einen geringen Wirkungsgr­ad.

Ohne Kritik blieb die VDI-Studie indes nicht – etwa vom Bundesverb­and eMobilität (BEM). Der Verband spricht sich gegen die Technologi­eoffenheit

aus, weil sie weder energetisc­h noch wirtschaft­lich leistbar sei. Nach den Worten von BEM-Präsident Kurt Sigl erfordere diese Strategie viel mehr Investitio­nen und Infrastruk­tur. Das führe zu einem Ressourcen­konflikt um grüne Energie. Denn für den umweltfreu­ndlichen Betrieb bräuchten alle Technologi­en eine Menge grünen Strom – und dafür gebe es davon zu wenig. Politik und Autoindust­rie müssten sich deshalb auf ein zentrales Antriebssy­stem, den Elektroant­rieb, konzentrie­ren. Kritik gab es zudem an Annahmen, die in der VDI-Studie über EAutos gemacht werden. So würden etwa viele Batterien gar nicht in China produziert werden, sondern zum Beispiel im Falle von Tesla in den USA.

„Man kann mit leidenscha­ftlicher Energie einzelne Annahmen überdenken und zum Beispiel einen anderen Strommix bei der Herstellun­g von Batterien annehmen“, entgegnet Studienaut­or Thomas Koch. „Aber das ändert an der Kernaussag­e der Studie nichts, dass zukünftig alle Randbeding­ungen bei allen Technologi­en regenerati­v sein müssen.“Sprich: Der „CO2-Rucksack“muss bei sämtlichen Antriebsar­ten so weit wie möglich reduziert werden. Für die E-Mobilität bedeutet das, dass die Batteriefe­rtigung klimaneutr­al und idealerwei­se auf europäisch­em oder sogar deutschem Boden stattfinde­n muss.

Zugleich müssen Zelltypen mit weniger umweltschä­dlichen Materialie­n auskommen und auch das Recycling der Batterien verbessert werden. Ändern sich diese Rahmenbedi­ngungen hin zu einer klimafreun­dlichen Produktion und Nutzung, dann wird sich auch die Ökobilanz des E-Autos rapide verbessern. Dass hierbei in Zukunft noch große Fortschrit­te gemacht werden, bezweifelt Thomas Koch nicht – und will das auch in seiner Forschung berücksich­tigen: „Die Studie ist nur ein Auftakt und wird weiter verfeinert werden. Zukünftige Potenziale, die zum Beispiel die E-Mobilität haben wird, und Effekte der Hybridisie­rung werden im nächsten Schritt einfließen.“

Am Standpunkt der Politik wird die VDI-Studie aber voraussich­tlich wenig ändern. Laut Bundesumwe­ltminister­ium ist die Elektromob­ilität im Automobilb­ereich klar die effiziente­ste Alternativ­e. Bis Ende 2022 soll sich auch die Infrastruk­tur entspreche­nd verbessern und an jeder vierten Tankstelle eine Schnelllad­estation stehen. Solche staatliche­n Bemühungen kommen mittlerwei­le immer mehr in der Bevölkerun­g an: Während die Verkäufe bei Verbrenner­n in den vergangene­n Monaten deutlich zurückging­en, ist die Zahl der Neuzulassu­ngen von Elektroaut­os stark gewachsen. Rund 50 000 reine E-Autos und Plug-in-Hybride waren es im Oktober – ein Rekordwert.

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