Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Frauenquote in Vorständen kommt
BERLIN (dpa) - Die schwarz-rote Koalition hat sich grundsätzlich auf eine verbindliche Frauenquote in Vorständen geeinigt. In Vorständen börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen mit mehr als drei Mitgliedern muss demnach künftig ein Mitglied eine Frau sein, teilte Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) am Freitagabend nach einer Einigung der vom Koalitionsausschuss eingesetzten Arbeitsgruppe zu diesem Thema mit.
Der Kompromiss soll in der kommenden Woche den Koalitionsspitzen zur abschließenden Entscheidung vorgelegt werden. Anschließend werde die Ressortabstimmung und die Länder- und Verbändebeteiligung eingeleitet, so dass der Kabinettsbeschluss zeitnah erfolgen könne, teilte Lambrecht weiter mit. Die Quote ist ein wesentlicher Punkt im sogenannten Führungspositionengesetz – damit würde es erstmals verbindliche Vorgaben für mehr Frauen in Vorständen geben.
Die Arbeitsgruppe von Union und SPD hat sich zudem darauf geeinigt, dass es künftig für Unternehmen mit einer Mehrheitsbeteiligung des Bundes eine Aufsichtsratsquote von mindestens 30 Prozent und eine Mindestbeteiligung in Vorständen geben soll. Bei den Körperschaften des öffentlichen Rechts wie den Krankenkassen und bei den Rentenund Unfallversicherungsträgern sowie bei der Bundesagentur für Arbeit solle ebenfalls eine Mindestbeteiligung von Frauen eingeführt werden.
RAVENSBURG - Die Straßen sollen in Zukunft dem Elektroauto gehören. Das ist zumindest der Plan der Politik: Zuletzt hat die Bundesregierung beim Autogipfel die Kaufprämie für E-Autos noch einmal verlängert. Statt bis Ende 2021 können Käufer eines Modells mit Elektroantrieb noch bis Ende 2025 mit dem staatlichen Zuschuss von bis zu 6000 Euro rechnen. Doch es gibt Zweifel, ob die Politik damit aufs richtige Pferd setzt. Aktuell schaden E-Autos der Umwelt sehr – und der Verbrenner ist klimafreundlicher als sein Ruf. Das ist das Ergebnis einer Studie über die Ökobilanz von Autos mit verschiedenen Antriebssystemen, die der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) kürzlich veröffentlicht hat. Demnach stößt ein heute produziertes E-Auto erst ab einer Laufleistung von mehr als 300 000 Kilometern weniger Kohlendioxid aus als ein vergleichbarer Dieselverbrenner.
„Die Kernbotschaft der Studie lautet: Wir haben verschiedene Antriebsarten, von denen keine klar die Schlechteste und keine klar die Beste ist“, sagt Thomas Koch vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Der Wissenschaftler leitet am KIT das Institut für Kolbenmaschinen und hat gemeinsam mit zwei Kollegen die Studie im Auftrag des VDI erarbeitet. Ziel war es, die CO2Emissionen der Antriebssysteme über die gesamte Lebensphase zu betrachten – von der Erzeugung der Rohstoffe über die Produktion und Nutzungsphase bis zum Recycling. „Wir wollen mit der Studie ein Werkzeug aufbauen, das eine Hilfestellung für Ingenieure sein soll, um die verschiedenen Technologien miteinander zu vergleichen und zu optimieren“, erklärt Koch.
Die Daten, aus denen die KITWissenschaftler die Ökobilanzen errechnet haben, kommen aus verschiedenen Quellen: Werte, die Autohersteller für ihre Fahrzeuge angeben, wurden laut Thomas Koch genauso berücksichtigt wie Datenbanken, in denen die Umweltverträglichkeit einzelner Materialien hinterlegt ist. So hat die Studie letztlich für jede Antriebsart knapp 11 000 Materialien innerhalb der Produktion und Nutzung eines Autos bewertet. Nachholbedarf gibt es überall: „Alle Antriebsarten haben Baustellen, was die CO2-Bilanz angeht: der Verbrenner eher beim Verbrauch des fossilen Kraftstoffs, der durch regenerativen Kraftstoff ersetzt werden muss – und die Batterien eher bei der Produktion“, erklärt Koch.
Die Herstellung von E-Auto-Batterien ist sehr energieintensiv und findet, so die Studie, zum Großteil in China statt. Dort herrscht ein hoher Anteil an Kohlestrom, was die Fertigung umweltschädlich macht. Hinzu kommen weitere Emissionen durch den langen Transportweg nach Deutschland. „Bei der Zellchemie der Batterien gibt es eine wahnsinnige Bandbreite. Wir haben mehrere Varianten gegenübergestellt und für die Studie die berücksichtigt, die momentan am meisten auf der Straße sind.“Deshalb nehmen die Wissenschaftler den Zelltyp NMC111 als Standard an, der zu gleichen Teilen Nickel, Mangan und Kobalt enthält. Gerade letzteres Material ist umstritten, da beim Kobalt-Abbau laut Umweltbundesamt Ökosysteme zerstört, fruchtbares Land verseucht und Luft und Wasser verschmutzt werden.
Neuere Zelltypen mit einem geringeren Kobalt-Anteil gibt es zwar schon, werden von der Studie aber lediglich als Zukunftsperspektive genannt, da sie auf den deutschen Straßen noch nicht verbreitet seien.
Ebenfalls negativ wirkt sich der Strommix aus, den es aktuell in Deutschland noch gibt. Wer ein EAuto fährt, tankt nämlich nicht automatisch auch grünen Strom. Rund 20 Prozent der Energie wird etwa mit klimaschädlicher Kohle produziert. Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren schneidet die Ökobilanz des E-Autos in der Studie schlecht ab
– und liegt hinter der moderner Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren.
Für Thomas Koch haben die Studienergebnisse eine klare Konsequenz: Sich nur auf die E-Mobilität zu konzentrieren, sei nicht die Lösung. „Diese angepriesene Monokultur, dass alles nur noch elektrisch fährt, wird es nicht geben. Wir werden einen Mix haben, mit verschiedenen Antriebsarten je nach Anwendungsgebiet.“Für Kurzstrecken, etwa in der Stadt, sei das E-Auto ideal. Doch bei schwereren Fahrzeugen sei die Batterie nicht praktikabel. Ein Transporter zum Beispiel, der im Extremfall noch einen tonnenschweren Anhänger ziehe, schaffe es elektrisch betrieben auch mit einer großen Batterie nur knapp über eine Reichweite von 100 Kilometern, erklärt Koch.
Aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen im Verkehr sei es deshalb nötig, auf alle Antriebsarten gleichermaßen zu setzen. Diesen Schluss zieht auch der Auftraggeber der Studie, der VDI, aus den Ergebnissen der Studie: „Ein komplementäres Miteinander der Technologien ist unsere einzige Chance, die CO2Ziele für 2030 zu erreichen“, sagt VDI-Präsident Volker Kefer. Neben der Batterie ist damit zum einen die
Brennstoffzelle gemeint. Dieser Antrieb mit Wasserstoff könnte zum Beispiel schwere Fahrzeuge wie Lastkraftwagen klimafreundlich betreiben. Viel verspricht sich Koch außerdem von den sogenannten Refuels. Das sind synthetische Kraftstoffe, bei deren Verbrennung kaum Treibhausgase ausgestoßen werden. Erzeugt werden können sie aus Wasserstoff und CO2 mithilfe von Windund Sonnenstrom. Viele Verbrenner, die aktuell auf den Straßen unterwegs sind, könnten in Zukunft statt mit Benzin mit solchen umweltfreundlichen Kraftstoffen betrieben werden. „Synthetische Kraftstoffe sind ein entscheidender Hebel. Sie könnten bis 2030 über 20 Prozent und langfristig sogar 90 Prozent CO2 einsparen“, sagt der KIT-Wissenschaftler. Ein weiterer Vorteil: Verkauft werden könnten die Refuels über das bestehende Tankstellennetz. Allerdings sind synthetische Kraftstoffe aktuell noch sehr teuer und energieintensiv in der Herstellung und haben nur einen geringen Wirkungsgrad.
Ohne Kritik blieb die VDI-Studie indes nicht – etwa vom Bundesverband eMobilität (BEM). Der Verband spricht sich gegen die Technologieoffenheit
aus, weil sie weder energetisch noch wirtschaftlich leistbar sei. Nach den Worten von BEM-Präsident Kurt Sigl erfordere diese Strategie viel mehr Investitionen und Infrastruktur. Das führe zu einem Ressourcenkonflikt um grüne Energie. Denn für den umweltfreundlichen Betrieb bräuchten alle Technologien eine Menge grünen Strom – und dafür gebe es davon zu wenig. Politik und Autoindustrie müssten sich deshalb auf ein zentrales Antriebssystem, den Elektroantrieb, konzentrieren. Kritik gab es zudem an Annahmen, die in der VDI-Studie über EAutos gemacht werden. So würden etwa viele Batterien gar nicht in China produziert werden, sondern zum Beispiel im Falle von Tesla in den USA.
„Man kann mit leidenschaftlicher Energie einzelne Annahmen überdenken und zum Beispiel einen anderen Strommix bei der Herstellung von Batterien annehmen“, entgegnet Studienautor Thomas Koch. „Aber das ändert an der Kernaussage der Studie nichts, dass zukünftig alle Randbedingungen bei allen Technologien regenerativ sein müssen.“Sprich: Der „CO2-Rucksack“muss bei sämtlichen Antriebsarten so weit wie möglich reduziert werden. Für die E-Mobilität bedeutet das, dass die Batteriefertigung klimaneutral und idealerweise auf europäischem oder sogar deutschem Boden stattfinden muss.
Zugleich müssen Zelltypen mit weniger umweltschädlichen Materialien auskommen und auch das Recycling der Batterien verbessert werden. Ändern sich diese Rahmenbedingungen hin zu einer klimafreundlichen Produktion und Nutzung, dann wird sich auch die Ökobilanz des E-Autos rapide verbessern. Dass hierbei in Zukunft noch große Fortschritte gemacht werden, bezweifelt Thomas Koch nicht – und will das auch in seiner Forschung berücksichtigen: „Die Studie ist nur ein Auftakt und wird weiter verfeinert werden. Zukünftige Potenziale, die zum Beispiel die E-Mobilität haben wird, und Effekte der Hybridisierung werden im nächsten Schritt einfließen.“
Am Standpunkt der Politik wird die VDI-Studie aber voraussichtlich wenig ändern. Laut Bundesumweltministerium ist die Elektromobilität im Automobilbereich klar die effizienteste Alternative. Bis Ende 2022 soll sich auch die Infrastruktur entsprechend verbessern und an jeder vierten Tankstelle eine Schnellladestation stehen. Solche staatlichen Bemühungen kommen mittlerweile immer mehr in der Bevölkerung an: Während die Verkäufe bei Verbrennern in den vergangenen Monaten deutlich zurückgingen, ist die Zahl der Neuzulassungen von Elektroautos stark gewachsen. Rund 50 000 reine E-Autos und Plug-in-Hybride waren es im Oktober – ein Rekordwert.