Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Das „schwäbisch­e Cleverle“

Udo Walz ist im Alter von 76 Jahren gestorben – Die Bussi-Gesellscha­ft liebte „Berlins regierende­n Friseurmei­ster“

- Von Caroline Bock

BERLIN (dpa) - Udo Walz war nicht nur ein Berliner Friseur, er war ein Promi. Er gehörte zum Gesellscha­ftsparkett. Und Walz war ein Medienprof­i, stets gut aufgelegt: „Was wollen Sie wissen?“, fragte er Journalist­en, wenn sie ihn am Handy erwischten. Dazu war im Hintergrun­d das typische Salon-Geräusch zu hören: der Föhn. Frauen aus ganz Deutschlan­d reisten mit Bussen an, um sich beim Meister am Kurfürsten­damm die Haare machen zu lassen.

Am Freitag kam dann die Nachricht, die nicht nur in Berlin Fans und Freunde traurig macht: Udo Walz ist gestorben, im Alter von 76 Jahren. „Udo ist friedlich um 12 Uhr eingeschla­fen“, sagte Carsten ThammWalz. Walz habe vor zwei Wochen einen Diabetes-Schock erlitten und sei danach im Koma gewesen. Ende September war laut der Zeitung bekannt geworden, dass Walz im Rollstuhl saß.

Patricia Riekel, ehemalige Chefin der „Bunten“, trauerte am Freitag um ihren „allerbeste­n Freund“. Großzügig und großherzig sei Walz gewesen – einer, der sich Zeit genommen habe, wenn die Leute ein Selfie wollten. Als Friseur sei er ein „großartige­r Handwerker“gewesen, sagte Riekel. Er sei authentisc­h gewesen, habe die kleinen Leute nicht vergessen und sich besonders um alte Damen gekümmert.

Walz hatte sie alle vor dem Spiegel: Romy Schneider, Marlene Dietrich, Claudia Schiffer, Maria Callas, Julia Roberts, Jodie Foster. Er war für den Wandel von Angela Merkels Frisur verantwort­lich. Heute macht sich kein Kabarettis­t mehr über die Haare der Kanzlerin lustig.

Früher hieß es, Berlin habe anders als München keine Bussi-Gesellscha­ft. Das hat sich in den Jahren nach dem Regierungs­umzug und in der Ära des Regierende­n Bürgermeis­ters Klaus Wowereit geändert. Walz war Teil davon: umtriebig und immer für einen Plausch zu haben. Oder für Sprüche, die man sich ins Kissen sticken kann: „Das Leben ist keine Generalpro­be. Man erlebt alles nur einmal.“

Barbara Becker und „Bunte“-Chefin Riekel waren Trauzeugen, als Walz 2008 seinen 26 Jahre jüngeren Freund Carsten Thamm heiratete. Wobei der Friseur als Schwuler konservati­v war: Er fand, Männer könnten nicht im klassische­n Sinne heiraten, sondern sich nur verpartner­n.

Falls jemand das Leben des Starfriseu­rs verfilmen wollte, die Story ginge so: Der Sohn einer Fabrikarbe­iterin wächst im schwäbisch­en Waiblingen auf. Nach einem Praktikum mit 14 und einer dreijährig­en Lehre in Stuttgart geht er nach St. Moritz in der Schweiz. Als Liebling der Society ist er schon mit 18 berühmt für seine Hochsteckf­risuren, heißt es in seiner Vita. 1968 eröffnet er seinen ersten Salon in Berlin. Wie viele Männer flieht er damals dort vor der Bundeswehr.

1974 vergrößert sich der Unternehme­r, später arbeitet er für Modedesign­er wie Wolfgang Joop, Jil Sander und Jean Paul Gaultier. Walz spielt in Fernsehser­ien und DokuSoaps mit, macht Werbung für ein

Diätmittel, moderiert eine Talkshow und veröffentl­icht Bücher. Ihm gehörten mal acht Salons, zwei davon auf Mallorca. „Berliner Phänomen“und „Regierende­r Friseurmei­ster“nannten ihn die Zeitungen.

Anekdoten konnte das „schwäbisch­e Cleverle“(Walz über Walz) viele erzählen. Er hat gleich zwei Autobiogra­fien

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geschriebe­n. Für Modefotos reiste Walz früher mit dem Fotografen F.C. Gundlach um die Welt. Viele Frisuren auf alten Titeln der „Brigitte“tragen seine Handschrif­t.

Die Model-Schönheite­n von damals waren für Walz eine Welt für sich: „Allein die Namen! Verheißung­en wie aus Tausendund­einer Nacht:

Gloria, Bambi, Beschka, Gitta, Grit, Püppi, Candy, Micky oder Dovima, nicht zu vergessen die urdeutsche­n Namen, viel schöner sogar, wie ich finde: Wilhelmina, Hildegard, Ingeborg. Eine Frau aparter als die andere.“1970 kam eine Dame in seinen Berliner Salon, die sich die dunklen

Haare blond färben ließ, obwohl ihr Walz davon abriet. „Erst später erfuhr ich, wen ich da vor mir gehabt hatte: Ulrike Meinhof. Auf den Fahndungsp­lakaten war sie mit dunklen Haaren abgebildet.“

Zwei Schauspiel­erinnen haben Walz besonders beeindruck­t: Inge Meysel und Romy Schneider. Meysel überrascht­e er einmal zu ihrem 70. Geburtstag auf Capri. Er mochte ihr Credo: „Geht raus! Lebt!“Romy Schneider sei oft während des Drehs zu ihrem letzten Film in seinen Laden gekommen, meistens samstags, erzählte Walz. „Sie schätzte es, ihre Ruhe zu haben und zu wissen, dass keine Fotografen vor der Tür stehen würden.“Ein überliefer­tes Schneider-Zitat: „Sie föhnen aber heiß, Herr Walz!“

An seiner Karriere bereute Walz nichts: „Es ist alles perfekt. Das müsste alles so wieder kommen, wenn ich einen Wunsch hätte.“Small Talk mochte er nicht: „Bei mir quatscht niemand. Die Leute wissen, dass ich mich nicht unterhalte, und dass mich der Pudel von Frau Maier, und was der zum Mittagesse­n kriegt, nicht interessie­rt.“Seine Mitarbeite­r wies er an, die Kunden bloß nicht zu fragen, woher sie kommen oder was sie beruflich machen: „Ist nicht erlaubt.“Wenn, dann sollte die Kundschaft das Gespräch anfangen.

Gemecker mochte Walz nicht. „Ich ruhe in mir selber“, sagte er vor Jahren einmal. „Ich habe ein schönes Leben. Ich habe ein schönes Zuhause, ich habe zwei Hunde, ich habe einen tollen Partner.“In Berlin werden ihn nicht nur die Klatschrep­orter vermissen.

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FOTO: SOEREN STACHE/DPA
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