Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Der Tod ist auch nur ein Witz

Regisseur und Monty-Python-Mitglied Terry Gilliam hat mit 80 Jahren noch viel zu lachen

- Von Philip Dethlefs

LONDON (dpa) - Einer von Terry Gilliams populärste­n Filmen wirkt in diesen Zeiten auf unheimlich­e Weise aktuell: In dem dystopisch­en Thriller „12 Monkeys“aus dem Jahr 1995 bedroht ein gefährlich­es Virus in der Zukunft die Menschheit, die deshalb im Untergrund lebt – quasi in einer Art Lockdown. „Wollen Sie damit sagen, dass es meine Schuld ist?“, scherzt Gilliam im Zoom-Gespräch. „Es lag immer in der Luft, dass eine Pandemie kommen wird, und jetzt ist es schließlic­h passiert.“

Und so verbringt der Regisseur seinen 80. Geburtstag im Lockdown zu Hause in London. „Ich bin alt, aber sonst ist alles gut“, sagt er bestens aufgelegt. „Laut der Statistik müsste ich schon tot sein, jedenfalls was Covid angeht. Aber ich bin nicht tot.“Seine lebendige Art und sein ansteckend­es Lachen lassen den früheren Monty Python-Komiker deutlich jünger wirken als 80.

Am 22. November 1940 kam Terrence Vance Gilliam in Minneapoli­s zur Welt. Als Teenager zog er mit seiner Familie nach Los Angeles. Er studierte Politikwis­senschaft, verdiente sein Geld mit Werbung, als Comicund Trickfilmz­eichner.

Eine Reise durch Europa war der Beginn seiner Leidenscha­ft für den Kontinent. 1967 siedelte er nach London über. Sein späterer Monty Python-Kollege John Cleese, den Gilliam einige Jahre zuvor kennengele­rnt hatte, vermittelt­e ihm einen Job bei der BBC, wo er die zukünftige­n Pythons Eric Idle, Terry Jones und Michael Palin traf. Als die TV-Serie „Monty Python's Flying Circus“1969 anfing, kreierte Gilliam als Zeichner die Animatione­n, ehe er Mitglied der Truppe wurde.

„Es war eine großartige Zeit, weil wir die Kontrolle darüber hatten, was wir machen wollten“, schwärmt Gilliam. „Wir haben all das gemacht, was man heute nicht mehr machen soll. Und wir haben uns ständig gestritten. Aber wir waren alle schlau genug, um zu erkennen, dass es gerade wegen der Spannungen in der Gruppe so gut funktionie­rt hat, weil jeder das Talent der anderen respektier­t hat.“

Bei der Produktion von „Monty Python's Flying Circus“lernte Gilliam die Kostümdesi­gnerin Maggie Weston kennen, mit der er seit 1973 verheirate­t ist. Das Paar hat zwei Töchter und einen Sohn.

Monty Python drehten auch Kinofilme, darunter „Das Leben des Brian“. Die Satire erzürnte Ende der 70er-Jahre die Kirche. Könnte so ein

Film heute noch gemacht werden? „Ich finde sogar, die Leute müssten das heute machen“, fordert Gilliam, der für überhöhte Empfindlic­hkeit nichts übrig hat. „Die Leute sind schon immer verärgert gewesen. Es ist doch kein Problem, dass man gelegentli­ch verärgert oder beleidigt ist. Das ist völlig unbedeuten­d. Ich finde, dass Humor das Wichtigste ist.“

Die Monty Python-Komödie „Die Ritter der Kokosnuss“war 1975 der erste Kinofilm, bei dem Terry Gilliam Regie führte. Später schuf er als Regisseur und Drehbuchau­tor „Time Bandits“(1981), „Brazil“(1985) und „Angst und Schrecken in Las Vegas“(1998).

Aus Ablehnung der US-Regierung von George W. Bush und aus steuerlich­en Gründen legte Gilliam 2006 seine US-Staatsbürg­erschaft ab. „Nicht für eine Minute“habe er das jemals bereut, sagt er, obwohl es einen Haken gab. „Als die Probezeit 2016 zu Ende ging, wurde ich zu 100 Prozent Brite, für mich hieß das: zu 100 Prozent Europäer. Aber dann kam der Brexit. Der Witz nimmt kein Ende.“

Seinen bislang letzten Film „The Man Who Killed Don Quixote“stellte er 2018 fertig. Die Arbeit daran hatte schon 1989 begonnen, der erste Dreh mit Jean Rochefort und Johnny Depp wurde 1998 wegen zahlreiche­r Probleme aber abgebroche­n. 2002 erschien ein Dokumentar­film über das gescheiter­te Projekt, doch Gilliam blieb hartnäckig und drehte den Film schließlic­h mit Jonathan Pryce und Adam Driver.

In fast allem, was der Regisseur und Komiker sagt, schwingt eine große Portion Humor und Selbstiron­ie mit. „Wenn ich nicht mehr über die wirklich wichtigen Dinge lachen kann, dann könnte ich auch tot sein“, sagt er. „Für mich ist der Tod ein großer Witz. Solange ich lache, bleibt er mir fern, denn der Tod hat keinen Sinn für Humor.“

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FOTO: ETTORE FERRARI

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