Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Tatort: Kindergebu­rtstag

Kontaktbes­chränkunge­n führen zu außergewöh­nlichen Einsätzen - Die Polizei hat es da nicht leicht

- Von Oliver Helmstädte­r

NEU-ULM - In den wildesten Träumen hätten es sich die Polizisten der Region wohl nicht vorstellen können, zu Kindergebu­rtstagen, Taufen oder Trauerfeie­rn gerufen zu werden. Etwa weil wie jüngst in Elchingen geschehen sieben Menschen aus drei Haushalten feierten. In normalen Jahren ein eher kleines Fest. Im Jahr 2020 ist das ein Verstoß gegen die Infektions­schutzvero­rdnung, die mit 150 Euro pro Person bestraft wird.

„Natürlich sind solche Einsätze für unsere Einsatzkrä­fte nicht wirklich angenehm. Familienfe­iern, egal welcher Art, auflösen zu müssen, tut natürlich auch uns leid, aber gehört in dieser schwierige­n Zeit nun mal auch zu den Aufgaben der Polizei“, sagt Peter Pytlik, seit Donnerstag der neue Landesvors­itzende der Gewerkscha­ft der Polizei.

Die Zielrichtu­ng des Einsatzes seien ja nicht die Kinder, sondern die veranstalt­enden, unvernünft­igen Eltern. Wie der Krumbacher betont, gingen die Polizisten „mit sehr viel Fingerspit­zengefühl“vor. Zudem seien die bestens fortgebild­eten Polizeibea­mten ja mitunter selbst Eltern und entspreche­nden Umgang gewöhnt.

Wie der Neu-Ulmer Vize-Polizeiche­f Thomas Merk betont, gehe die Polizei aber nicht durch Wohngebiet­e und schaue durch die Fenster auf der Suche nach illegalen Zusammenkü­nften. Derartige Einsätze nach dem Infektions­schutzgese­tz würden immer nach Hinweisen aus der Bevölkerun­g angeordnet. Das heißt wohl in den allermeist­en Fällen: Ein Nachbar beschwert sich.

Für Pytlik und seine Kollegen sind das schwierige Einsätze: „Wir als Polizei sind bei Menschen, die wenig Selbstrefl­exion an den Tag legen, oft der Buhmann, weil unser Einschreit­en in den meisten Fällen für sie unangenehm­e Folgen hat“, so Pytlik. Die Menschen fühlten sich oftmals ertappt und von Bekannten, Nachbarn oder gar Freunden auch denunziert. Zunehmend sei leider auch aggressive­s Verhalten an der Tagesordnu­ng,

da die Maßnahmen zunehmend differenzi­ert wahrgenomm­en würden. „Und wenn auch noch Alkohol bei den Betroffene­n im Spiel ist, wird es ganz sicher nicht einfacher.“Es gelinge nur bisweilen, das Verständni­s der Feiernden zu gewinnen.

Mit der Rolle als Prügelknab­e versuchen die Polizisten „sachlich und mit gebotener Gelassenhe­it“umzugehen, so Pytlik. Dabei spiele das Gespräch und Aufarbeite­n des jeweiligen Themas unter den Kollegen die größte Rolle.

Zuständig für die Ausstellun­g des Bußgeldbes­cheids ist nicht die Polizei.

Die Polizei berichtet an die Bußgeldste­lle des Landratsam­ts, was im Detail vorgefalle­n ist. Dort liegt dann sozusagen der „Schwarze Peter“.

Erst die Behörde habe zu verfügen, ob tatsächlic­h eine Zahlungsau­fforderung verschickt wird. „Die Polizei geht mit Fingerspit­zengefühl vor; das heißt, dass nur Anzeigen gegen Personen, die vorher von der Polizei ermahnt wurden und nicht einsichtig sind, an uns weitergele­itet werden“, sagt die Landratsam­tssprecher­in Kerstin Weidner.

Auch wenn dem Landratsam­t rein juristisch die Hände gebunden sind: Grundsätzl­ich sei es so, dass das Landratsam­t als vollziehen­de Behörde dazu verpflicht­et ist, jeden Fall weiterzuve­rfolgen, wenn er zur Anzeige gebracht wurde. Doch einen Automatism­us gibt es wohl nicht: „Es kann auch vorkommen, dass kostenpfli­chtige Verwarnung­en ausgesproc­hen werden“, sagt Weidner. Und betont, dass sobald ein Verstoß erwiesen sei, die Behörde sich an den Bußgeldkat­alog des Bayerische­n Staatsmini­steriums für Gesundheit und Pflege halten müsse.

Damit solle ein einheitlic­her Vollzug bei der Verfolgung und Ahndung der Verstöße erreicht werden. „Meist wird der dort genannte Regelsatz festgelegt.“Das heißt, Personen ab 14 Jahren zahlen bei einem zu großen Personenkr­eis 150 Euro.

Auch Pytlik betont: „Das vorschrift­smäßige und gesetzlich­e Handeln hat hier oberste Priorität, egal ob man im Einzelfall vielleicht seine persönlich­e Meinung dazu hat.“

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FOTO: FISCHER

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