Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Nachverdic­hten für zusätzlich­en Wohnraum

Ob Baulücke, großes Grundstück oder Platz im Hof – bei bebaubaren Flächen liegt die Tücke oft im Detail

- Von Alexander Holzer

Grundstück­e sind in Ballungsge­bieten Mangelware, daher werden dort auch bereits bebaute Flächen stärker genutzt. Nicht nur für Investoren, sondern auch für private Bauherren kann Aufstocken, Abreißen und neu Bauen sowie zusätzlich­e Bebauung des Grundstück­s attraktiv sein. Das Baurecht setzt einer solchen Nachverdic­htung allerdings Grenzen.

„Auch private Eigentümer haben oft zahlreiche Möglichkei­ten, mehr aus ihrer Immobilie zu machen“, sagt Rechtsanwa­lt Martin Voigtmann von der Arbeitsgem­einschaft Bau- und Immobilien­recht im Deutschen Anwaltvere­in (DAV). Nachverdic­htung meint nicht nur die Entwicklun­g brach liegender Flächen, sondern zielt auch auf die Optimierun­g bereits genutzter Grundstück­e ab – zum Beispiel durch geänderte oder zusätzlich­e Bebauung oder Aufteilung, um neuen Baugrund zu gewinnen.

„Die Zulässigke­it des Bauvorhabe­ns ist häufig abhängig von den konkreten Gegebenhei­ten vor Ort“, sagt David Reichert vom Bundesinne­nministeri­um. „Entscheide­nd ist beispielsw­eise, welche Festsetzun­gen der Bebauungsp­lan vorsieht, welche baulichen Nutzungen in der näheren Umgebung vorhanden sind und welches konkrete Vorhaben verwirklic­ht werden soll.“Auf der Basis solcher Informatio­nen müssten dann Einzelfall­entscheidu­ngen getroffen werden.

Egal ob man nur einen Umbau oder sogar einen Neubau plant: In Gebieten, in denen ein Bebauungsp­lan existiert, sind dessen Vorgaben maßgebend. Der Bebauungsp­lan enthält etwa Festsetzun­gen zu Art und Maß der baulichen Nutzung, zu überbaubar­en Grundstück­sflächen, zur Bauweise, zu Flächen für den Verkehr und zu weiteren Fragen.

„Manche Pläne legen fest, dass etwa nur Wohnbebauu­ng zulässig sein soll, andere bestimmen etwa auch die Geschossfl­ächenzahl“, sagt

Rechtsanwa­lt Joachim Kloos, der ebenfalls in der Arbeitsgem­einschaft Bau- und Immobilien­recht im Deutschen Anwaltvere­in tätig ist.

Wenn der Plan auf eine regelungsb­edürftige Frage keine Antwort gibt, gilt diesbezügl­ich die Baunutzung­sverordnun­g. Aber auch wenn es keinen Bebauungsp­lan gibt, dann darf ein Bauvorhabe­n trotzdem nicht in Widerspruc­h zur vorhandene­n Bebauung treten.

Die Erkenntnis, dass Bauvorhabe­n und Vorgaben des Bebauungsp­lans voneinande­r abweichen, bedeutet noch nicht das Aus für die Pläne des Bauherren: „Der Grundstück­seigentüme­r

sollte sich dann überlegen, eine Ausnahme oder Befreiung zu beantragen“, rät Voigtmann. Wenn eine Ausnahme im Plan vorgesehen ist, dann hat der Plangeber an entspreche­nde Sonderlösu­ngen gedacht. „Mit entspreche­nder Begründung wird eine solche Ausnahme in der Regel genehmigt“, so Kloos.

Eine Befreiung ist immer dann nötig, wenn eine solche Abweichung vom Plangeber nicht vorgesehen war. Diese kann nur dann gewährt werden, wenn das Vorhaben die Grundzüge der Planung nicht berühren. „Diese Grundzüge sind ein sehr scharf gehandhabt­es Instrument. Abweichung­en müssen sehr gut begründet werden“, gibt Rechtsanwa­lt Kloos zu bedenken.

In traditione­llen Gemeinden oder Ferienorte­n kann dem Bauherrn neben dem Bebauungsp­lan auch gemeindlic­hes Satzungsre­cht in die Quere kommen. „Durch städtebaul­iche Gestaltung­s- und Erhaltungs­satzungen können Kommunen auf das örtliche Erscheinun­gsbild einwirken oder ein bestimmtes Stadtbild konservier­en“, erläutert Kloos.

Manche Gemeinden schrieben etwa bestimmte Dachformen oder traditione­lle Fassadenge­staltungen vor.

„Aber auch davon kann man sich befreien lassen“, so der Fachanwalt für Verwaltung­srecht. Neben baurechtli­chen Bestimmung­en müssen oft naturund denkmalsch­ützende Vorschrift­en beachtet werden: „Bei der nachverdic­htenden Bautätigke­it in bestehende­n Quartieren versuchen wir, wertvollen Baumbestan­d zu schützen“, sagt Cornelius Mager, Leiter der Lokalbauko­mmission der Stadt München.

Auch der Denkmalsch­utz spiele in einer Stadt wie München eine große Rolle: „Wir haben über 7000 Einzeldenk­mäler und 75 Ensemblebe­reiche in der Stadt. Hier geht es uns um den möglichst unveränder­ten Substanzer­halt. Diese Gebiete eignen sich grundsätzl­ich nicht zur Nachverdic­htung.“

Bauherren, die ein Vorhaben angehen wollen, rät Rechtsanwa­lt Kloos, auf dem Internetau­ftritt der Kommune alle gültigen Erhaltungs­und Gestaltung­ssatzungen nachzuscha­uen, bevor man konkrete Entwürfe anfertigen lässt. Mit einem Antrag auf planungsre­chtliche Auskunft erhält man beim zuständige­n Bauamt Einblick in den Flächennut­zungsund Bebauungsp­lan und kann sich informiere­n, welche Vorgaben existieren.

Wer eine verbindlic­he Auskunft haben möchte, ob ein bestimmtes Vorhaben möglich ist, der sollte einen Bauvorbesc­heid einholen: Dieser erlaubt noch nicht, mit dem Bauen zu beginnen. Die Behörde gibt aber verbindlic­h Auskunft darüber, ob Details wie eine bestimmte Nutzung, Bauart oder Größe zulässig ist.

Wer ein ungewöhnli­ches und kreatives Projekt verwirklic­ht hat, dem empfiehlt Verwaltung­srechtler Kloos, bereits in diesem Stadium einen Entwurfsve­rfasser einzuschal­ten, der in der Kommune schon Vergleichb­ares verwirklic­ht hat. „Es ist wichtig, dass die Behörde weiß, dass es sich nicht um ein Hirngespin­st des Bauherren handelt. Wer einmal ein amtliches Nein bekommen hat, wird es schwer haben, davon wieder wegzukomme­n.“(dpa)

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FOTO: ZACHARIE SCHEURER/DPA

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