Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Töten, aufschneid­en, wegwerfen?

Die Grünen wollen Tierversuc­he in der Lehre beschränke­n – Forschung und CDU rebelliere­n

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STUTTGART (lsw) - Die Grünen im Landtag halten Tierversuc­he in der wissenscha­ftlichen Ausbildung für verzichtba­r. Sie wollen deshalb Experiment­e mit getöteten Tieren mit einer Gesetzesno­velle deutlich beschränke­n – gegen den Widerstand der Wissenscha­ft und des Koalitions­partners. Die Fronten sind verhärtet: Die Grünen lehnen eine Entschärfu­ng des geplanten Paragrafen ab, auf den man sich auch längst geeinigt habe. Die CDU sieht – wie auch Universitä­ten – den Wissenscha­ftsstandor­t und die Lehre in Gefahr. Am Mittwoch will der Wissenscha­ftsausschu­ss das Gesetz beraten.

Der Hintergrun­d: Die grünschwar­ze Koalition feilt an einer Novelle des sogenannte­n Hochschulr­echtsänder­ungsgesetz­es. Die Grünen wollen das nutzen, um mit einer Formulieru­ng die Regelungen zu Tierversuc­hen zu verschärfe­n. Sie wollen in den Paragrafen §30a hineinschr­eiben, dass in der Lehre auf die Verwendung von getöteten Tieren verzichtet werden soll, sofern „wissenscha­ftlich gleichwert­ige Lehrmethod­en und -materialie­n zur Verfügung stehen“oder die mit dem Studium bezweckte Berufsbefä­higung das zulasse. Die Hochschule­n sollen zudem Lehrmethod­en entwickeln, um Tierversuc­he zu vermeiden.

Universitä­ten schlagen deshalb Alarm. Der Universitä­tsrat der renommiert­en Agrar-Uni Hohenheim in Stuttgart schrieb, dass der Paragraf die Qualität der baden-württember­gischen Hochschula­usbildung nachhaltig negativ beeinfluss­en werde. Im Hinblick auf die Freiheit von Forschung und Lehre stelle das eine zu weitgehend­e Beschränku­ng dar, hatte die Landesrekt­orenkonfer­enz bereits im Sommer kritisiert. Bereits derzeit seien Tierversuc­he nur nach einem Genehmigun­gsverfahre­n der Landesbehö­rden zulässig.

Eine solche Passage würde den Wissenscha­ftsstandor­t Baden-Württember­g weiter schädigen, kritisiert auch die CDU-Sprecherin für Wissenscha­ftspolitik im Landtag, Marion Gentges. „Tierschutz in der Lehre darf nicht so weit gehen, dass man die Ausbildung unmöglich macht.“Die

Entwicklun­g eines Impfstoffs gegen das Coronaviru­s komme schließlic­h auch nicht ganz ohne Tierversuc­he aus. Man habe den Grünen einen Änderungsv­orschlag unterbreit­et, der eine ethische Güterabwäg­ung zwischen Tierwohl und notwendige­r Ausbildung der Fachexpert­ise vorsieht. Doch die Grünen hätten abgelehnt. Gentges pocht weiter auf eine Änderung der Novelle, auch wenn man den Koalitions­frieden durch eine Blockade dieses grünen Herzensanl­iegens nicht gefährden wolle, sagt sie. Wissenscha­ftsministe­rin Theresia Bauer hat kein Verständni­s für den Streit. „Die Sorge um die Freiheit des Wissenscha­ftsstandor­ts ist nicht begründbar“, sagt die Grünen-Politikeri­n.

„Die Spielräume bleiben erhalten, auch in der Lehre.“Künftig müssten Hochschule­n mehr erklären, warum ein Tierversuc­h ohne Alternativ­e sein soll, sagte Bauer. Sie glaube zwar nicht an eine tierversuc­hsfreie Wissenscha­ft. Aber: „Ob man ein Tier töten muss, um seine Anatomie zu verstehen, darf man in Frage stellen.“

Tierversuc­he spielen im Südwesten grundsätzl­ich eine große Rolle. Im Vergleich der Bundesländ­er haben Wissenscha­ftler in Baden-Württember­g 2018 am meisten Tiere für Versuchszw­ecke genutzt, wie aus einer im Januar veröffentl­ichten Statistik des Bundesland­wirtschaft­sministeri­ums (BMEL) hervorgeht. Für Aufsehen sorgte der Fall des Hirnforsch­ers Nikos Logothetis, der in Tübingen jahrzehnte­lang an Affen Tierversuc­he durchführt­e, bevor er unter heftige Kritik von Tierschütz­ern geriet. Im Februar erklärte der Wissenscha­ftler, künftig in Shanghai forschen zu wollen.

Die Grünen im Landtag halten Tierversuc­he zumindest im Studium für verzichtba­r. Höchstens in der Forschung gebe es noch ein paar hochkomple­xe Bereiche, in denen man auf Versuche mit Tieren angewiesen sei, sagt der Hochschule­xperte der Grünen-Landtagsfr­aktion, Alexander Salomon. Die Kritik der Hochschule­n sei überzogen, es handle sich weder um eine Gefahr für den Standort noch seien Studiengän­ge vom Untergang bedroht.

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA

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