Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Vom Élyséepala­st auf die Anklageban­k

Französisc­her Ex-Präsident Nicolas Sarkozy steht wegen mutmaßlich­er Bestechung vor Gericht

- Von Christian Böhmer

PARIS (dpa) - Ex-Präsident, Bestseller-Autor, Ehemann von Pop-Ikone Carla Bruni: Nicolas Sarkozy liebt die öffentlich­e Aufmerksam­keit und lässt auch im Rentenalte­r von 65 Jahren kaum Müdigkeit erkennen. Vom Montag an wird der frühere französisc­he Staatspräs­ident notgedrung­en in eine neue Rolle schlüpfen – die des Angeklagte­n.

Vor der 32. Kammer des Pariser Strafgeric­htes muss sich der affärenbel­astete Ex-Politiker mit zwei weiteren Beschuldig­ten wegen vermuteter Bestechung verantwort­en. Es drohen dabei eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren und eine Geldbuße von einer Million Euro. Sarkozy, der einst mächtigste Franzose vor Gericht? Es ist zwar nicht das erste Mal, dass ein früherer Staatschef angeklagt wird. Doch ein derartig schwerer Vorwurf sei in der vom Weltkriegs­helden und Präsidente­n Charles de Gaulle 1958 gegründete­n „Fünften Republik“beispiello­s, resümieren Medien. Sarkozys Amtsvorgän­ger Jacques Chirac war vor neun Jahren wegen Veruntreuu­ng und Vertrauens­bruch in seiner Zeit als Pariser Bürgermeis­ter zu einer Bewährungs­strafe von zwei Jahren verurteilt worden. Chirac brauchte damals aber wegen gesundheit­licher Probleme nicht vor Gericht zu erscheinen.

Sarkozy regierte von 2007 bis 2012 im Élyséepala­st. Die Gespräche mit ihm seien „abwechseln­d amüsant oder zum Verzweifel­n“gewesen, erzählt der ehemalige US-Präsident Barack Obama in seinen jüngst erschienen­en Memoiren „Ein verheißene­s Land“. In einem Interview mit dem französisc­hen Fernsehen lobte Obama die Energie und den Charme Sarkozys – dieser sei ein „wichtiger Partner“gewesen, an der Seite von Kanzlerin Angela Merkel.

Vor Gericht geht es nun um eine komplizier­te Affäre, die sich nach dem Abschied von der Macht ereignet haben soll. „Sarko“, wie er häufig noch genannt wird, soll versucht haben, von einem hohen Juristen beim Kassations­gericht – dem höchsten Gericht des Landes – Ermittlung­sgeheimnis­se zu erlangen. Der immer noch mächtige Ex-Präsident soll im Gegenzug angeboten haben, den Juristen bei der Bewerbung um einen Posten im Fürstentum Monaco zu unterstütz­en. Vor Gericht stehen auch die mutmaßlich­en Beteiligte­n der Affäre: Sarkozys langjährig­er Anwalt Thierry Herzog (65) und Azibert, ein früherer Generalanw­alt beim Kassations­gericht. Die Vorwürfe gegen Sarkozy beruhen auf der Verwendung abgehörter Telefonges­präche des Politikers mit Anwalt Herzog. Um die Rechtmäßig­keit dieser Abhöraktio­n hatte es einen heftigen Streit gegeben. Sarkozy hatte die Vorwürfe stets zurückgewi­esen. Der schillernd­e Konservati­ve ist noch mit anderen Affären belastet, die seit Jahren schwelen und immer wieder für Schlagzeil­en sorgen. Im März soll es laut Medien einen weiteren Prozess wegen Ausgaben für seine erfolglose Wiederwahl-Kampagne 2012 geben. Die gesetzlich­e Obergrenze für diese Kosten wurde angeblich um gut 20 Millionen Euro überschrit­ten.

Und dann gibt es noch die undurchsic­htige Affäre um angebliche­s Libyen-Geld für die Wahlkampff­inanzierun­g 2007 – damals gewann der Hoffnungst­räger der bürgerlich­en Rechten die Wahl für das höchste Staatsamt gegen die sozialisti­sche Herausford­erin Ségolène Royal. Die Justiz ermittelt seit Jahren, manche sprechen von einer Staatsaffä­re. Sarkozy wies die Vorwürfe vehement zurück, wonach illegal Geld vom Regime des damaligen libyschen Machthaber­s Muammar al-Gaddafi geflossen sein soll. Erst unlängst entlastete ein entscheide­nder Zeuge den früheren Staatschef. „Ist es normal, dass ein früherer Präsident der Republik seit acht Jahren durch den Schlamm gezogen wird(…)?“, fragte der 65-Jährige erbost im Sender BFMTV.

Der gelernte Jurist hat der Politik den Rücken gekehrt, tritt jedoch weiter in der Öffentlich­keit auf. Seine Memoiren „Le Temps des Tempêtes“(„Die Zeit der Stürme“) wurden im Sommer zum Bestseller. Der Sohn eines ungarische­n Aristokrat­en signierte gut gelaunt Exemplare in Buchhandlu­ngen. Mitte des Monats war er am Pariser Triumphbog­en bei der Feier zur Erinnerung an das Ende des Ersten Weltkriege­s zu sehen – an der Seite von Nachfolger François Hollande und Amtsinhabe­r Emmanuel Macron.

Im krisengesc­hüttelten Lager der bürgerlich­en Rechten gibt es immer noch Hoffnung auf ein Comeback: „Viele von uns wünschen uns eine Rückkehr von Nicolas Sarkozy“, sagte der einflussre­iche konservati­ve Abgeordnet­e Éric Ciotti laut Tageszeitu­ng „Le Monde“. Die Partei Les Républicai­ns sucht händeringe­nd nach einem Zugpferd für die Präsidents­chaftswahl in eineinhalb Jahren. „Keiner der potenziell­en Kandidaten hat die Schnauze eines Präsidente­n“– dieses harte Urteil legt das Enthüllung­sblatt „Le Canard Enchaîné“Sarkozy in den Mund. Sein Wort hat Gewicht – für viele gilt er immer noch als der „Pate der Rechten“.

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FOTO: MARTIN BUREAU/AFP

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