Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Mehrheit der Unternehmen bricht Nachfrage weg
BERLIN (dpa) - Wegen der Corona-Pandemie bricht einer Umfrage zufolge mehr als jedem zweiten deutschen Unternehmen die Nachfrage weg. Insgesamt rechnen mehr als zwei Drittel der Firmen für 2020 mit einem Umsatzrückgang, wie eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) unter mehr als 13 000 Unternehmen aller Branchen und Regionen ergab. Gekürzte Investitionsbudgets drückten in vielen Weltregionen die Nachfrage auch nach deutschen Produkten, erklärte der Verband. Doch auch im Inland komme es zu Ausfällen.
- Vier große Schlepper blockieren die Haupteinfahrt direkt neben der Verwaltungszentrale der Ravensburger Traditionsmolkerei Omira im Süden der oberschwäbischen Stadt. Davor ein Grüppchen Milchbauern aus dem Kreis Ravensburg, der andauernde Regen durchweicht die Wollmützen einiger Landwirte. Wassertropfen laufen ihnen übers Gesicht. Hätten sich die Männer ein Wetter aussuchen dürfen, das zu ihrem Protest passt, es wäre wohl genau das gewesen. „Uns steht das Wasser bis zum Hals“, sagt ein Bauer aus Leutkirch resigniert.
Die Aktion vor dem Unternehmen, das seit drei Jahren zu dem französischen Molkereikonzern Lactalis gehört, ist Teil der bundesweiten Demonstrationskampagne „Schluss mit lustig“, zu der sich erstmals sechs bäuerliche Interessenverbände zusammengeschlossen haben: der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM), die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, die Milchgruppe von „Land schafft Verbindung“, die Freien Bauern, das European Milk Board und das MEG Milch Board. Im Kern geht es den Bauern und ihren Verbänden darum, dass „die Situation der tierhaltenden Betriebe angesichts niedrigster Erlöse und davongaloppierender Kosten längst wieder existenzbedrohende Ausmaße erreicht hat“, wie es in einer Zusammenstellung der Forderungen heißt. Dieses Papier haben Landwirte Anfang November bundesweit an 153 Standorten abgegeben, bei Molkereien und Schlachtereien, Käseherstellern und Gemüseverarbeitern. Und die Bauern haben angekündigt wiederzukommen, um sich – wie am vergangenen Donnerstagvormittag in Ravensburg bei der Omira – eine Antwort abzuholen.
Empfangen haben die Unternehmen die Landwirte in der Regel, nur sehr wenige Tore und Türen seien für die Erzeuger von Milch, Fleisch, Gemüse und Zucker geschlossen gewesen, aber, so erläutert BDM-Sprecher Hans Foldenauer im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“, Mut habe ein Großteil der Äußerungen nicht gemacht. „Meine Aufgabe war es, die Antworten zu sichten. In der Schule würde man sagen, die haben alle abgeschrieben“, sagt Foldenauer über die Reaktionen, die die Bauern unter anderem bei der Hohenloher Molkerei in Schwäbisch Hall, bei Schwarzwaldmilch in Freiburg, bei Bergpracht in Tettnang, bei den Milchwerken Schwaben in Ulm, bei Hochland in Schongau, bei Ehrmann in Oberschönegg, bei Edelweiß in Kempten, Allgäu-Milch in Kimratshofen oder bei Zott in Günzburg bekommen haben. In der Summe hieß es: „Wir strengen uns an, wir versuchen mit innovativen Produkten für Absatz zu sorgen und neue Märkte zu erschließen – aber im Grund haben alle gesagt: Wir machen so weiter.“
Wie fatal die Lage für viele Landwirte gerade ist, erläutert der Funktionär am Beispiel der Milchbauern. In dem Bereich deckten die Erlöse seit mehr als zehn Jahren nicht mehr die Kosten. Im Krisenjahr 2016 hat jeder Bauer nach einer Zusammenstellung des MEG Milch Boards, das sich auf die Daten des Bundeslandwirtschaftsministeriums stützt, für jeden Euro, den er in die Produktion von Milch gesteckt hat, nur 66 Cent erlöst. In den Jahren danach schwankte der Wert zwischen 87 und 71 Cent – im vergangenen Juli stürzte er dann wieder auf 67 Cent ab. Die Folge: Betriebe leben von der Substanz, Familienmitglieder, die mitanpacken, bekommen keinen Lohn, Werkvertragskonstruktionen und der Einsatz von Fremdkapital nimmt zu, Geschäftsfelder wie die Vermietung von Ferienwohnungen oder die Produktion von erneuerbaren Energien sind kein Zusatzeinkommen mehr, sondern sie sicheren den Betrieben die Existenz.
Das Grundproblem, auf das Foldenauer immer wieder hinweist, sei, dass der Markt gesättigt sei, dass also immer genug Milch da ist. „So lange wir nicht über die Menge reden, so lange ändert sich nichts“, erklärt der BDM-Sprecher. Zwar sei es möglich, Erzeugergemeinschaften aufzubauen und so die Milchmenge zu kontrollieren, aber dazu müssten die Molkereien mit ins Boot geholt werden, die daran kein Interesse haben, da ihnen der niedrige Milchpreis nutze. Und freiwillige Beschränkungen der Menge, die sich Landwirte selbst auferlegen, die funktionieren nicht, da gibt sich Foldenauer keinen Illusionen hin. „Ohne eine politische Regelung läuft das nicht: Wenn ein paar Bauern weniger produzieren, gibt es immer welche die sagen, okay, dann mache ich mehr“, sagt Foldenauer.
Peter Haberkorn leitet bei der Ravensburger Molkerei Omira die Erfassung der Milch. Er war es, der sich den Bauern stellte und das zweiseitige Antwortschreiben, das der für die Milchversorgung zuständige Direktor Johannes Eder unterzeichnet hatte, übergab. Auch Haberkorn verwies auf das Mengenproblem: „Wenn der Milchpreis eine Vier vorne hatte, war das immer ein Anreiz für viele Bauern, die Menge auszudehnen“, sagte der Omira-Manager über die Zeiten, in denen seine Molkerei den Bauern mehr als 40 Cent für den Liter Milch zahlen musste. „Die Vier vorne ist ein Stück weit gefährlich.“Und Haberkorn verwies darauf, dass die Verarbeiter