Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Kritik an neuen Milliarden-Schulden des Bundes

Finanzmini­ster Olaf Scholz kündigt Kredite in Höhe von 160 Milliarden Euro an – Merz spricht von „Schnellsch­uss“

- Von Dieter Keller

BERLIN - Wegen der anhaltende­n Corona-Pandemie will Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) im kommenden Jahr rund 70 Milliarden Euro mehr ausgeben als geplant. Bisher hatte er nur mit 96 Milliarden Euro zusätzlich­en Schulden kalkuliert. Jetzt sollen es über 160 Milliarden Euro werden. Dafür dürfte er aber in diesem Jahr seinen Kreditrahm­en von 218 Milliarden Euro bei Weitem nicht ausschöpfe­n, der angesichts der Corona-Pandemie durch zwei Nachtragsh­aushalte geschaffen wurde. Die Gesamtsumm­e in beiden Jahren von etwas mehr als 300 Milliarden Euro dürfte „ungefähr die gleiche bleiben“, erwartet Scholz.

Wo genau er nachlegen möchte, zeigt eine Vorlage seines Ministeriu­ms an den Haushaltsa­usschuss des Bundestags, die der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt. Dieser berät am Donnerstag abschließe­nd über den Haushalt 2021. Er muss die Wünsche noch einarbeite­n, kann aber davon auch abweichen. Erfahrungs­gemäß bemühen sich die Abgeordnet­en der Regierungs­fraktionen, die Ausgabenpl­äne noch etwas zu kürzen, auch wenn sie an der einen oder anderen Stelle draufpacke­n.

Der dickste Posten, der nachgebess­ert werden soll, sind die Überbrücku­ngshilfen für Firmen und Selbststän­dige, denen die CoronaPand­emie große Umsatzeinb­rüche bescherte: Er soll von zwei auf 37,5 Milliarden Euro aufgestock­t werden. Denn für das erste Halbjahr 2021 ist die Überbrücku­ngshilfe III zugesagt. Kleine und mittelstän­dische Unternehme­n sowie Selbststän­dige und Freiberufl­er, deren Umsatz stark eingebroch­en ist, sollen dann bis zu 200 000 Euro Zuschuss pro Monat zu ihren Fixkosten bekommen. Bisher waren maximal 50 000 Euro möglich.

Durch die Nachtragsh­aushalte stehen in diesem Jahr insgesamt 25 Milliarden Euro für die Hilfen zur Verfügung. Davon dürften für Überbrücku­ngshilfe I und II maximal sieben Milliarden Euro gebraucht werden. Für die Novemberhi­lfe an Betriebe wie Restaurant­s und Hotels, die in diesem Monat ganz schließen mussten, wird inzwischen mit 15 Milliarden Euro gerechnet. Es bleibt also immer noch etwas übrig. Sie soll als „Dezemberhi­lfe“verlängert werden, wenn der Teil-Lockdown noch bis zum 20. Dezember läuft.

Dabei wecken schon die Novemberhi­lfen von 75 Prozent des Umsatzes Begehrlich­keiten in anderen Branchen. Etwa beim Einzelhand­elsverband HDE. In den Innenstädt­en seien die Umsätze in der vergangene­n Woche um ein Drittel eingebroch­en, im Bekleidung­shandel sogar um 40 Prozent. Viele Händler stünden kurz vor der Pleite, begründete HDE-Hauptgesch­äftsführer Stefan Genth die Forderung, auch sie müssten bedacht werden.

Gleichzeit­ig gibt es Kritik, diese Hilfen seien zu großzügig. So hält sie CDU-Vorsitzend­enkandidat Friedrich Merz für einen „Schnellsch­uss, der der Lage und den Notwendigk­eiten nicht gerecht wird“. Auch für den Vorsitzend­en der Wirtschaft­sweisen, Lars Feld, ist es zu großzügig, große Teile des Umsatzes des vergangene­n Jahres zu erstatten.

Für noch nicht absehbare CoronaAusg­aben im nächsten Jahr will sich Scholz im Haushalt zudem zehn Milliarden Euro blanko sichern. Für den Kauf von Impfstoffe­n sind 2,67 Milliarden Euro vorgesehen, weitere Milliarden unter anderem für die Krankenhäu­ser und für Material. Allein 2,5 Milliarden Euro soll die vergünstig­te Ausgabe von FFP2-Masken kosten.

Das Bundesarbe­itsministe­rium braucht zusätzlich­es Geld, weil die Zahl der Arbeitslos­en und der HartzIV-Empfänger stärker steigen dürfte als bei Aufstellun­g des Haushaltse­ntwurfs erwartet. Die Deutsche Bahn sollte eigentlich schon in diesem Jahr sechs Milliarden Euro neues Eigenkapit­al bekommen. Die durften aber noch nicht fließen, weil die Zustimmung der EU-Kommission fehlt.

Eine ganze Reihe von Ausgabenwü­nschen hat allerdings wenig mit Corona zu tun. So sind eine Milliarde Euro für den Auto-Zukunftsfo­nds eingeplant. Das Verteidigu­ngsministe­rium bekommt zusätzlich­es Geld für Rüstungsin­vestitione­n, das Innenminis­terium für neue Transporth­ubschraube­r der Bundespoli­zei.

Diese Vermischun­g stößt dem Präsidente­n des Bundesrech­nungshofs, Kay Scheller, sauer auf. „Nicht alle neuen Schulden sind durch die Pandemie verursacht und lassen sich mit der außergewöh­nlichen Notsituati­on begründen“, sagte Scheller der „Rheinische­n Post“. Mit der absehbaren Verlängeru­ng des TeilLockdo­wns werde die Krise noch teurer. Der FDP-Finanzpoli­tiker Florian Toncar wirft Scholz vor, eine Wahlkampfk­asse anzulegen: Bevor neue Schulden gemacht werden, müssten erst einmal nicht benötigte Rücklagen von fast 50 Milliarden Euro genutzt werden.

 ?? FOTO: CHRISTIAN THIEL/ IIMAGO IMAGES ??
FOTO: CHRISTIAN THIEL/ IIMAGO IMAGES

Newspapers in German

Newspapers from Germany