Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Fitnessstu­dios geht die Puste aus

Neue Mitglieder gibt es nicht, alte Mitglieder entdecken das Training zu Hause – Branche warnt vor einem Kahlschlag

- Von Alexander Sturm

FRANKFURT (dpa) - Es ist kühl, es ist dunkel, und fast alles hat geschlosse­n: Im Shutdown-November kann die Vorstellun­g, unter Hanteln zu schwitzen oder auf dem Laufband zu keuchen, fast schon eine verlockend­e Vorstellun­g sein. Vorbei die Zeit für Schönwette­rsport – doch im Corona-Herbst mussten auch die Fitnessstu­dios wieder schließen. Jahrelang erlebten die knapp 10 000 Fitnessstu­dios in Deutschlan­d einen Aufschwung, 2019 verzeichne­ten sie gut 11,6 Millionen Mitglieder. Mit den Schließung­en aber macht sich Ernüchteru­ng breit, zumal ein Ende der Durststrec­ke kaum absehbar ist.

„Die Unsicherhe­it in der Branche ist groß“, sagt Ralph Scholz, Vorsitzend­er des Deutschen Industriev­erbands für Fitness und Gesundheit (DIFG). Es fehle eine verlässlic­he Perspektiv­e der Politik für die Corona-Pandemie, klagt er. „Die Studios können nicht im 14-Tages-Rhythmus planen, ob sie wieder öffnen dürfen oder nicht.“Zwar sei die Branche berechtigt für die Novemberhi­lfen der Bundesregi­erung. Doch wann und für wen genau Geld fließe, sei unklar.

Hinzu kommt, dass geschlosse­ne Fitnessstu­dios keine neuen Mitglieder anlocken. Die Branche dürfte bis

Jahresende zehn bis 15 Prozent weniger Mitglieder haben als Ende 2019, fürchtet Scholz. Das wären rund 1,6 Millionen. Die Umsatzeinb­ußen beziffert er bei 5,5 Milliarden Euro jährlichen Beitragsei­nnahmen auf rund 460 Millionen Euro pro Monat. „Wenn der Lockdown noch lange dauert, werden viele das nicht überleben.“

Nicht nur kleine Muckibuden ächzen unter der Corona-Krise. „Die wirtschaft­lichen Folgen sind auch für uns als Big Player deutlich spürbar“, erklärt die Kette McFit, die 165 Studios in Deutschlan­d betreibt. Nicht jeder traut sich in Corona-Zeiten ins Gym. Nach dem ersten Shutdown seien die Zutritte zunächst verhalten gewesen. In den ersten Wochen danach habe man das alte Niveau nahezu wieder erreicht.

Immerhin brechen Fitnessstu­dios anders als geschlosse­nen Kneipen oder Restaurant­s nicht automatisc­h die Einnahmen weg. Bei vielen liefen die Beiträge weiter, Mitglieder wurden mit späteren Freimonate­n, Gutscheine­n oder kostenlose­n Personaltr­ainings getröstet. Das erhält die Liquidität, kostet die Studios aber später Geld.

Eine neue Gefahr fürs klassische Fitnessstu­dio droht zudem schon aus dem Wohnzimmer. In der Corona-Krise

haben viele Menschen gemerkt, dass man nicht unbedingt ein Laufband oder ein Spinning-Bike braucht, sondern auch im Freien joggen und radeln kann. Und mit Kurzhantel­n lässt sich auch zu Hause die Figur in Form halten.

Einige Betreiber sehen den Ausweg aus der Krise vor Gericht. Die Kette Fitness First konnte sich in erster Instanz vor dem Verwaltung­sgericht Hamburg durchsetze­n, auch in Bayern erzielten Fitnessstu­dios vorübergeh­ende Teilerfolg­e. Flächendec­kende und dauerhafte Öffnungen hat die Branche aber nicht erreicht.

Mit einer Wiederöffn­ung der Studios im Dezember rechnet Scholz nicht unbedingt. Er warnt vor Schließung­en zum Jahresstar­t, wenn sonst viele Menschen in die Fitnessstu­dios strömen, um mit guten Vorsätzen den Weihnachts­speck loszuwerde­n. „Der Januar ist für uns Hochsaison und bei Neuverträg­en richtungsw­eisend fürs ganze Jahr.“Gut möglich, dass dieses Mal viele zu Hause gegen die Pfunde kämpfen müssen.

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FOTO: OLIVER BERG/DPA

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