Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Luftqualität in Europa bessert sich
Zahl der Toten durch Schadstoffe sinkt auf 400 000
KOPENHAGEN/HAMBURG (dpa) Die Menschen in Europa atmen zunehmend sauberere Luft. Die Luftqualität auf dem Kontinent verbesserte sich im Laufe der vergangenen Jahre spürbar, wie die Europäische Umweltagentur EEA in einem Bericht schreibt. Die positive Entwicklung hat Schätzungen zufolge dazu geführt, dass im Vergleich von 2009 zu 2018 unter anderem knapp 60 000 weniger Menschen im Jahr vorzeitig durch die Belastung mit Feinstaub sterben, teilte die Behörde in Kopenhagen mit.
Dennoch leiden nach wie vor nahezu alle Europäer unter Luftverschmutzung etwa durch Feinstaub, Stickstoffdioxid und bodennahes Ozon – und mehr als 400 000 Menschen sterben Schätzungen zufolge weiter pro Jahr an den Folgen der Belastung durch diese Schadstoffe, darunter Zehntausende in Deutschland.
Einen Grund für die höhere Luftqualität sehen die EEA-Experten in einer Verringerung der Emissionen in Schlüsselsektoren wie Verkehr und Energieversorgung. Beim Transport sei der Ausstoß von Schadstoffen wie Stickoxiden seit dem Jahr 2000 trotz einer gesteigerten Mobilitätsnachfrage und der damit verbundenen Zunahme der Treibhausgasemissionen klar zurückgegangen. Auch im Energiesektor seien die Verringerungen beachtlich. Mehr getan werden müsse dagegen in der Landwirtschaft und beim Heizen.
„Die EEA-Daten belegen, dass Investitionen in bessere Luftqualität eine Investition in bessere Gesundheit und Produktivität für alle Europäer sind“, erklärte EEA-Exekutivdirektor Hans Bruyninckx. EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius sprach von guten Nachrichten. Er wies aber darauf hin, dass es noch eine andere Seite der Medaille gebe: „Die Zahl der vorzeitigen Todesfälle in Europa aufgrund von Luftverschmutzung ist immer noch viel zu hoch.“Dies dürfe nicht ignoriert werden.
Wie aus dem am Montag veröffentlichten jährlichen EEA-Bericht zur Luftqualität in Europa hervorgeht, starben 2018 immer noch rund 417 000 Menschen in 41 europäischen Staaten vorzeitig an der Belastung mit Feinstaub (PM2,5). Darunter waren knapp 379 000 Menschen in der EU, zu der in dem Jahr auch noch Großbritannien zählte, und davon allein 63 100 in Deutschland. Hinzu kommen in den 41 Ländern insgesamt 55 000 vorzeitige Todesfälle in Verbindung mit Stickstoffdioxid (NO2) und weitere 20 600 durch bodennahes Ozon (O darunter 9200 beziehungsweise 4000 in Deutschland. Während sich diese Todesziffer europaweit beim NO2 im Vergleich zu 2009 mehr als halbiert hat, ist sie beim Ozon um ein Fünftel angestiegen.
Die Problemkinder beim Feinstaub befinden sich weitgehend in Osteuropa, wo weiter vergleichsweise viel mit Holz und Kohle geheizt wird. Sechs EU-Staaten übersteigen die EU-Grenzwerte, und zwar Bulgarien, Italien, Kroatien, Polen, Rumänien und Tschechien. Nur in Estland, Finnland, Island und Irland sind diese Werte unter den empfohlenen Werten der Weltgesundheitsorganisation WHO, die noch einmal strenger als diejenigen der EU sind.
Legt man die WHO-Werte zugrunde, dann müssen vor allem städtische Bevölkerungen weiter mit zu hohen Schadstoffbelastungen klarkommen. Drei von vier EU-Bürgern in urbanen Gebieten sind laut EEA einer Feinstaubbelastung oberhalb der WHO-Empfehlung ausgesetzt. Beim Ozon ist es so gut wie jeder Stadtbewohner.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace sieht einen positiven Trend – rief aber insbesondere die Autobranche auf, ihrer Verantwortung für die Luftqualität besser gerecht zu werden. „Grenzwerte für Luftschadstoffe wirken, und sie retten Menschenleben. Es ist deshalb richtig, dass die EU die Standards weiter bessert, denn noch immer müssen viel zu viele Menschen gefährlich schlechte Luft atmen“, so Greenpeace-Verkehrsexperte Tobias Austrup.
Für eine bessere Luftqualität haben laut EEA auch die Corona-Pandemie und mit ihr verbundene Lockdowns gesorgt. Manche Schadstoffe hätten sich vorläufigen Daten zufolge in vielen europäischen Ländern um bis zu 60 Prozent verringert. Die Stickstoffdioxid-Konzentration im April 2020 während der ersten Hochphase der Corona-Krise sei etwa in Deutschland um 31 Prozent geringer gewesen als erwartet.
Der leichte Rückgang der Treibhausgas-Emissionen im Zuge der Corona-Lockdowns hält der Klimawandel nach einem Bericht der Weltwetterorganisation (WMO) aber nicht auf. Der Rückgang beeinflusse die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre weniger als ohnehin jedes Jahr vorhandene natürliche Fluktuationen, schreibt die WMO.