Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Covid-19: So ist die Lage an der Uni-Klinik
Professor Florian Gebhard, Mitglied der Task Force Corona, spricht über Kapazitäten und Strukturen
ALB-DONAU-KREIS - Das Land befindet sich mitten in der zweiten Welle der Covid-19-Pandemie. Einer der wichtigsten Orte im Alb-DonauKreis, an dem an dem Virus erkrankten Menschen geholfen wird, ist das Ulmer Universitätsklinikum. Wie man am Uniklinikum im Kampf gegen das Virus aufgestellt ist, weiß Professor Dr. Florian Gebhard. Der 60-Jährige ist der Geschäftsführende Direktor des Zentrums für Chirurgie und Mitglied der achtköpfigen Task Force Corona. Im Interview mit SZRedakteur Christoph Schneider nennt er aktuelle Zahlen und die Lehren, die man aus der ersten Welle gezogen hat.
Herr Gebhard, die Fallzahlen sind stark gestiegen. Wie bereitet sich das Uniklinikum Ulm vor?
Im Vergleich zum März sind die Fallzahlen in der Tat deutlich höher. Wir beschäftigen uns im Kern damit, das Uniklinikum so umzustrukturieren, dass wir die erkrankten Menschen, die zu uns kommen, auch gut behandeln können.
Inwiefern strukturieren Sie um?
Im Klartext bedeutet es, dass wir mehr Intensivbetten bereitstellen, die isoliert werden können, für Patienten, die wir intensivmedizinisch behandeln müssen. Außerdem werden Normalstationen so umgebaut, dass zusammenhängende Isolierstationen für die Covid-19-Patienten entstehen, die nicht intensivmedizinisch behandelt werden müssen.
Wo nehmen Sie diese zusätzlichen Betten her?
Die Gesamtbettenanzahl im Uniklinikum bleibt weitestgehend konstant. Wir erhöhen lediglich stufenweise – in Abhängigkeit von den Fallzahlen – die Zahl der Betten, die zur Behandlung von Covid-19-Patienten geeignet sind.
Und wie geht das?
Man kann nicht einfach irgendein Bett als „Covid-19-Bett“definieren. Um den Hygienerichtlinien zu genügen, sind bauliche Veränderungen wie Trennwände oder Türen notwendig. Das geht alles nicht von heute auf morgen. Aber den Prozess haben wir im Frühjahr begonnen und nun ist er – vor dem Hintergrund der zweiten Welle – nahezu abgeschlossen.
Wie viele Menschen mit Covid-19 sind derzeit im Uniklinikum Ulm in stationärer Behandlung?
Im Schnitt über die vergangenen Wochen behandeln wir rund 50 Covid-19-Patienten bei uns, davon um die 20 intensivmedizinisch.
Gibt es eine Kapazitätsgrenze?
Wir können über 100 intensivmedizinische Covid-19-Betten zur Verfügung stellen. Aber wir hoffen natürlich sehr, dass wir diese Reserven nicht ausschöpfen müssen, weil das natürlich zu Lasten der Grundversorgung gehen würde. Das war uns aber auch schon im März klar, als wir das Konzept entwickeln mussten.
Wie war denn die Lage im März?
Das war auch für uns Neuland. Es war völlig unklar, wie sich die Infektionszahlen entwickeln würden. Mit Blick auf die damals sehr dramatische Lage in Norditalien war man bei uns hier auch sehr alarmiert. Das führte dazu, dass wir eine Umschichtung im Klinikum planten, welche die maximale Auslastung der Covid-19-Behandlungskapazität zum Ziel hat.
Wie sind Sie da vorgegangen?
Am Anfang stand die Bestandsaufnahme. Wie viele Betten haben wir insgesamt, welche wären geeignet für die Covid-19-Behandlung? Was ist nötig, um die Betten zum Einsatz zu bringen? Also: Welche Ausrüstung wie Respiratoren (Beatmungsgeräte) und wie viel Personal zum Betrieb der Betten ist nötig oder fehlt und muss beschafft werden?
Haben die vorhandenen Beatmungsgeräte ausgereicht oder mussten Sie noch welche beschaffen und wie viele intensivmedizinische und wie viele normale Covid-19-Betten konnten Sie während der ersten Welle anbieten?
Zur Sicherstellung der Versorgung einer größeren Anzahl von Covid-19 Patienten mussten Beatmungsgeräte beschafft werden. So konnten wir die Kapazitäten in der ersten Welle schrittweise ausbauen, so dass über 100 intensivmedizinische Betten mit Beatmungsmöglichkeit verfügbar waren. Während der ersten Welle lag der Schwerpunkt bei intensiv-pflichtigen Patienten, normale Covid19Betten waren nicht so sehr erforderlich, hier haben wir flexibel erweitert.
Und das Personal?
Das Personal wurde in Abhängigkeit von der Zahl der zu Behandelnden stufenweise abgezogen. Das geschah damals in vier recht großen Stufen. Heute haben wir eine bessere Datenlage und mehr Erfahrung, sodass wir die Stufen feiner ausgestalten und es auf diese Weise weniger gravierende Einschnitte in den Klinikbetrieb zur Grundversorgung gibt. Denn jede Kraft, die wir zur Behandlung von Covid-19-Patienten schicken, fehlt an anderer Stelle.
Ist die Behandlung so anders?
Das ist keine Routine. Sie verlangt vom gesamten Personal, von der Reinigungskraft angefangen über die Pflege bis hin zum ärztlichen Personal eine größere Kraftanstrengung, höheres Engagement und mehr Flexibilität. Schließlich bewältigt man plötzlich viele Aufgaben, die sich von den gewohnten stark unterscheiden. Wir sind stolz darauf und finden es großartig, dass alle unsere Mitarbeitenden da so toll mitziehen.
Ein Blick in die Glaskugel und ohne Gewähr: Wann haben wir Ihrer Meinung nach diese Pandemie wieder im Griff ?
Wenn sich alle an die Regeln halten würden, wäre ich sicher, dass wir innerhalb eines halben Jahres mit den Fallzahlen in einem Bereich wären, in dem sich die Krankheit vernünftig behandeln ließe.