Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Beziehung geht im Musterhaus in Flammen auf
25-Jähriger muss sich seit Montag wegen Brandstiftung vor dem Ulmer Landgericht verantworten
ULM - In einer frühsommerlichen Nacht dieses Jahres schlugen Flammen aus dem Dachstuhl eines Musterhauses am Ulmer Stadtrand. Das Haus war, entgegen der Annahme der Rettungskräfte, bewohnt. Und einer der Bewohner soll auch das Feuer gelegt haben. Seit Montag wird ihm vor dem Ulmer Landgericht der Prozess gemacht.
Er wolle sich auf jeden Fall äußern zu der Tat, die ihm vorgeworfen wird, kündigte der Angeklagte (25) am Montagvormittag im Gerichtssaal an. Doch er wurde eingebremst von Richter Michael Klausner, der dem jungen Mann auf der Anklagebank riet, sich bis zum nächsten Verhandlungstag (2. Dezember) zu gedulden. Hintergrund: ein erst kürzlich zurückliegender Verteidiger-Wechsel. Der Angeklagte solle, so der Richter, die Zeit bis dahin nutzen, um mit seinem aktuellen Anwalt über eine womöglich neue gemeinsame Verteidigungs-Strategie zu sprechen.
Denn so klar der Fall zu liegen scheint, so unklar sind die Szenarien, die dem Angeklagten mit einer Verurteilung drohen.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem 25-Jährigen in jedem Fall schwere Brandstiftung vor (Schaden am Musterhaus: 100 000 Euro). Allerdings könnte er auch wegen versuchten Totschlags ins Gefängnis wandern. Der könnte dann vorliegen, wenn sich herausstellt, dass der Angeklagte, als er das Haus anzündete, davon ausgehen musste, dass seine damalige Freundin sich noch in dem Gebäude befinden könnte.
Dies war jedoch nicht der Fall. Die damalige Lebensgefährtin hatte sich am Abend des 31. Mai nach einem Streit mit dem Angeklagten in eine Unterkunft des DRK geflüchtet. Warum sich die beiden stritten, ist noch unklar. Der Streit soll auf jeden Fall heftig gewesen sein.
Gezankt wurde in den vier Wänden des Musterhauses. Die Frau lebte dort mit der Erlaubnis der Firma, die das Musterhaus betrieb. Sie hatte sogar einen Schlüssel zu dem Haus. Und zeitweise soll auch der Angeklagte dort gelebt haben. Offenbar hatte die Firma Mitleid mit der Frau. Wie die Staatsanwältin am Montag sagte, sollte die Frau so vor
Obdachlosigkeit geschützt werden.
Das besagte Musterhaus steht im Zentrum einer ganzen MusterhausSiedlung (Hausbau-Center Ulm) nahe der Ulmer Messe und ist auf einer Übersichtskarte als Musterhaus Nummer 8 bezeichnet, von insgesamt 19 Gebäuden. Betrieben werden die Häuser, die interessierte Bauherren besichtigen können, von verschiedenen Musterhaus-Firmen.
Was in normalen Wohngebieten im Schwabenland undenkbar ist – nämlich viele verschiedene Architektur-Stile nebeneinander –, ist in der Ulmer Musterhaus-Siedlung beabsichtigt. Für jeden Kundengeschmack soll schließlich was dabei sein. In der Nachbarschaft der heutigen Brandruine, die mal eine Art Landhaus gewesen sein könnte, steht ein Häuschen im Toskana-Stil. Auch ein Haus fast gänzlich aus Holz und ein Ökohaus tummeln sich auf dem Gelände.
Wie es zu dem Brand des Häuschens der Musterhaus-Firma mit Herz kam? Laut Staatsanwaltschaft soll der Angeklagte nach dem Streit, wie seine Freundin auch, das Gelände verlassen haben. Doch anders als sie kehrte er Mitten in der Nacht wieder zurück. Weil er keinen Schlüssel besaß, sei er eingebrochen.
Wider Erwarten fand der Angeklagte seine Freundin nicht vor. Schließlich entschloss er sich, das Haus anzuzünden. Mit einer Kerze soll er eine Matratze in Brand gesteckt und sich dann von dannen gemacht haben. „Das Feuer überließ er sich selbst“, so die Staatsanwältin.
Unklar eben ist, ob der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt sicher sein konnte, dass sich seine Freundin nicht mehr in dem Haus befand. Oder war ihm das egal und er nahm so den Tod eines Menschen durch das Feuer in Kauf?
Auf seinem Weg zurück in die Stadt soll der 25-Jährige noch zwei Mülltonnen angezündet haben, die direkt an einem Gebäude vor einem Fenster standen. Auch wenn sich der Schaden hier mit rund 1000 Euro in Grenzen hält, weil die Tonnen schnell gelöscht werden konnten, stellt sich auch in diesem Fall die Frage: Wollte der Mann das Haus anzünden, sollten Menschen sterben?
Weitere sechs Sitzungstage sind geplant, um diese Frage(n) zu beantworten und die offenbar ganz und gar nicht musterhafte Beziehung im Musterhaus zu durchleuchten. Auch ein psychiatrischer Sachverständiger und ein Brandsachverständiger sollen Einschätzungen abgeben.