Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Ein angesehenes Amt in Laichingen
Hebammen, ihre Wahl und Ausbildung: Das ist in den Archiven bekannt
LAICHINGER ALB - Der Kirchenkonvent war für eine Vielzahl von Verwaltungsdingen zuständig: die Wahl der Heiligenpfleger (Kirchenpfleger), die Instandhaltung der Gebäude, die Einziehung des Kirchenzehnts, die Kreditvergaben, Abrechnungen, die Vergabe von Kirchenstühlen, die Genehmigung für Lichtstuben, Erbangelegenheiten, Stiftungen und Spenden für auswärtige Gemeinden. Zu den zu vergebenden Ämtern gehörten die der Hebammen und Totengräber.
In Laichingen gab es im 18. Jahrhundert zwei Hebammen, die wiederum von zwei „geschworenen Frauen/Weibern“unterstützt wurden. Diese waren damit für den Fall, dass eine der Hebammen starb, schon als Nachfolgerinnen bestätigt. Sie erhielten einen festen Lohn und Sonderzulagen in Form von Holz oder Getreide. Häufig ist in der Literatur die Aussage zu finden, dass sie meist den ärmeren Bevölkerungsschichten angehörten. Für Laichingen trifft diese Einschätzung allerdings nicht zu.
Gewählt wurden die Hebammen von den Frauen des Fleckens, den Anfang machten dabei die Frau Pfarrerin und die Frau Amtmannin, wie im Eintrag vom 2. April 1744 zu lesen ist. Es musste eine neue Hebamme bestimmt werden, da Barbara Gebhard zu alt (80 Jahre) und krank geworden war. Zur Wahl stellten sich fünf Frauen, gewählt wurde Anna Maria, Johann Sautters Ehefrau. Sie wurde sofort confirmirt und beaydigt. Die zwei bisherigen Hebammen erhielten ihren Lohn und hatten die Neue einzuarbeiten. Genauso wurde am 30. März 1781 verfahren: „auf absterben Barbara Jacob Wegsten, Bürgermeisters und Schusters allhier Ehweibs, welche bishero ein geschwohrnes Weib gewesen, wurde [...] eine Neue gewählt.“Zur Wahl stellten sich drei Frauen, gewählt wurde Catharina, Georg Ricken Eheweib.
Im Laufe des Jahrhunderts wurde immer mehr auf eine gute Ausbildung gedrängt, um die Überlebenschancen für Frauen und Kinder zu erhöhen. Der Historiker Hans Medick spricht von der hohen Säuglingsund Kindersterblichkeit als dem „außergewöhnlich Normalen“– was bei einer Sterblichkeit von über 50 Prozent in den ersten fünf Lebensjahren zwischen 1740 und 1870 nachvollziehbar ist. Die einzelnen Schicksale hinter diesen Zahlen müssen schrecklich gewesen sein.
Um wenigstens die direkte Gefahr während einer Geburt zu senken, wurden ab 1758 per landesweiter Gemeindeordnung Fortbildungen für Hebammen verpflichtend. Die Laichinger Hebammen wurden zum Beispiel 1780 und 1795 zum weiteren Unterricht für mehrere Tage nach Urach geschickt. Die Kosten von 30 Kreuzern pro Tag wurden halb aus der Kirchenkasse und halb aus der Gemeindekasse bezahlt. 1796 musste der Geburtsstuhl ausgebessert werden, hier wurden die Kosten ebenfalls geteilt.
Dass das Amt der Hebamme in Laichingen angesehen war, zeigt sich an den Frauen, die sich zur Wahl stellten. Darunter befanden sich die Ehefrauen oder Witwen von Bürgermeistern und Ärzten, die auch Mitglieder des Kirchenkonvents waren.
Der Historiker und Archivar Eberhard Fritz spricht in seinem Aufsatz „Die Kirche im Dorf“von 1993 davon, dass Hebammen generell misstraut wurde, ohne hierfür breite Nachweise anzuführen. Nicht nachvollziehbar ist seine Erklärung hierfür: „Tatsächlich dürfte die hohe Kindersterblichkeit in früheren Jahrhunderten nicht nur auf Krankheiten oder unhygienische Zustände zurückzuführen sein, sondern auch auf das Töten von Neugeborenen.“Den Zusammenhang stellt er her, da bei dem geringsten Verdacht auf eine Kindstötung die Hebammen genauestens befragt wurden.
Prinzipiell waren alle Geburten vom Kirchenkonvent zu untersuchen, die im Abstand von weniger als neun Monaten nach der Hochzeit erfolgten, aber faktisch handelte es sich bei allen untersuchten Fällen entweder um Totgeburten oder um kranke Kinder. Hier musste man wohl eher dem Verdacht der (versuchten) Kindstötung nachgehen, die unbedingt auszuschließen war.
Neben der Frau und ihrem Ehemann wurde die beteiligte Hebamme befragt, ebenso der Arzt, falls er anwesend gewesen war, und weitere Zeugen. Der Hebamme Ursula Sautter und ihrem Mann, dem Bürgermeister und Arzt Johann Marx Sautter, wurden entsprechend am 22. März 1770 die Frage gestellt, ob das „Kind reiff und vollkommen gewesen?“Als sichtbare Zeichen für eine Frühgeburt galten „keine Nägelen und schlechtes Nabel Schnürle“.
Bei einigen Frauen lösten Stürze vorzeitige Wehen aus. Anna Widmann gab am 27. Januar 1781 zu Protokoll, „auf der Bühne [...] ware ein Brett mit ihro gebrochen, daß sie [...] hinunter gefallen“. Bei anderen kam es durch eine Krankheit zu einer Frühgeburt, wie am 18. November 1768 notiert zu Waldburga Ostertag. Überzeugten die Aussagen und konnte man den Angeklagten ein gutes Zeugnis (Testimonium) bescheinigen, wurde die Sache eingestellt. War dies nicht der Fall, lebte das Kind noch, war aber schwach und nicht genau festzustellen, ob eine Frühgeburt vorlag, wurde der Fall an die nächste höhere Ebene weitergeleitet.
Der heimische Kirchenkonvent versuchte hier in der Regel, durch ein gutes Zeugnis und den Hinweis auf die Armut der Betroffenen eine möglichst geringe Strafe zu erwirken. Die Not, die hinter diesen Einträgen durchscheint, muss unermesslich gewesen sein.