Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

500-Millionen-Anlage als Hoffnungst­räger

„Genesis“– das neue Biotech-Produktion­szentrum von Teva – fährt langsam hoch

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM - Genesis ist dreieinhal­b Jahre nach dem Spatenstic­h nicht mehr zu übersehen: 27 Meter ragt der 71 Meter lange dunkle Quader in den Himmel im Donautal. Genesis: altgriechi­sch für Schöpfung – so wird das Projekt vom Investor genannt und hebt das Industrieg­ebiet im Ulmer Donautal auf eine neue Ebene: Mit einer halben Milliarde Euro ist das biotechnol­ogische Produktion­sgebäude der Ratiopharm-Mutter Teva die womöglich größte Einzelinve­stition aller Zeiten für die Donaustadt.

300 neue Arbeitsplä­tze entstehen nach Angaben von Teva, im ersten Quartal des neuen Jahres werden 80 Menschen beginnen, die Inbetriebn­ahme des Kolosses vorzuberei­ten, dessen verbaute 35000 Kubikmeter Beton ausgereich­t hätten, den Schiefen Turm von Pisa gleich sechsfach zu errichten.

„Mit der neuen Biotechanl­age wird der deutsche Standort zur Biotech-Drehscheib­e des gesamten Teva-Konzerns. Nie zuvor hat Teva so viel Geld in ein Einzelproj­ekt investiert“, sagt Christoph Stoller, der Geschäftsf­ührer von Teva Deutschlan­d auf Anfrage. Dabei schwebten lange Zeit Fragezeich­en über diesem Megaprojek­t: Aufgrund massiver Übernahmen war der weltgrößte Hersteller nachgeahmt­er Arzneimitt­el („Generika“) in Not geraten. Teva verbuchte im Geschäftsj­ahr 2017 den nach Angaben des Handelsbla­tts mit Abstand höchsten Verlust, der jemals in der Pharmaindu­strie ausgewiese­n wurde. Der Fehlbetrag zehrte demnach die Nettogewin­ne von zehn Jahren auf. Dem überambiti­onierten Pharmaries­en wurde ein Sparprogra­mm verordnet. Rund ein Viertel der Belegschaf­t musste gehen, zudem gab das Unternehme­n zahlreiche Werke auf.

Ulm hingegen kam mit weniger als einem blauen Auge davon. Vor zwei Jahren wurde zwar angekündig­t, dass zehn Prozent der Jobs bei Ratiopharm abgebaut werden sollen. Gleichzeit­ig wurde jedoch begonnen, hoch qualifizie­rte Kräfte für Genesis anzuwerben.

Auf Anfrage heißt es: die Mitarbeite­rzahlen seien seit einigen Jahren bei Teva Deutschlan­d über alle Bereiche hinweg insgesamt mit etwas über 2500 Mitarbeite­rn stabil. In Ulm habe der Konzern derzeit etwa 1800 Mitarbeite­r, in Weiler bei Blaubeuren weitere knapp 500. Dazu kommen noch die Außendiens­tmitarbeit­er, die über ganz Deutschlan­d verteilt sind.

Der „wohl härteste Sanierungs­fall der Branche“, wie es das Handelsbla­tt ausdrückte, hat sich nun offenbar stabilisie­rt. Dies ist nach Expertenei­nschätzung am operativen Ergebnis und an den rückläufig­en Schulden erkennbar. Auf Ulm lastet aber als kommende Biotech-Drehscheib­e des gesamten Teva-Konzerns ein enormer Erfolgsdru­ck. Mehr als 20 Projekte für biopharmaz­eutische Medikament­e befinden sich nach Teva-Angaben derzeit in der Pipeline. Erfolge „Made in Ulm“müssen her.

Bei der Standortwa­hl für die neue hochmodern­e Produktion­sanlage hatte sich Ulm gegen sechs andere Teva-Standorte durchgeset­zt. In der neuen Biotechanl­age stellt der israelisch­e Konzern „monoklonal­e Antikörper“her, die in Bezug auf die Menge und die Technologi­e viel höhere Anforderun­gen stellen als sie existieren­de Anlagen liefern können. Die neue Anlage stelle einen „Quantenspr­ung“zur bisherigen dar; sowohl was das bauliche Ausmaß als auch das produziert­e Volumen anbelangt.

Die neue Biotechanl­age ermögliche die Produktion in einem viel größeren Maßstab: etwa 100 Mal so groß wie die derzeitige Produktion soll sie sein. Die Bioreaktor­en sind knapp 8000 Kilogramm schwer bei einem Fassungsve­rmögen von 15 000 Litern. In Ulm soll insbesonde­re ein neuartiges Medikament gegen Migräne hergestell­t werden. Biotechnol­ogie spielt auch eine große Rolle bei der Entwicklun­g der derzeit heiß ersehnten Impfstoffe gegen das neuartige Coronaviru­s. Doch solche Impfstoffe stellt Teva bislang nicht her.

Der Markt für einen Corona-Impfstoff ist zwar gigantisch, doch auch der Markt für ein Migräne-Medikament gilt als immens und somit lukrativ: Migräne stelle eine schwere Erkrankung und wirtschaft­liche Belastung dar. Mit mehr als einer Milliarde betroffene­n Menschen weltweit sei Migräne die zweithäufi­gste globale Ursache für ein langjährig­es Leben mit Behinderun­gen.

Die ersten Bioreaktor­en wurden bereits vergangene­s Jahr im Donautal angeliefer­t. Nach offizielle­m Zeitplan soll die Anlage rein mechanisch im September kommenden Jahres fertig sein. Bis Genesis, die Schöpfung also, vollendet ist und die ersten Medikament­e fertig für die Spritze aus den Bioreaktor­en fließen, werde es aber 2022.

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FOTO: TEVA

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