Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
500-Millionen-Anlage als Hoffnungsträger
„Genesis“– das neue Biotech-Produktionszentrum von Teva – fährt langsam hoch
ULM - Genesis ist dreieinhalb Jahre nach dem Spatenstich nicht mehr zu übersehen: 27 Meter ragt der 71 Meter lange dunkle Quader in den Himmel im Donautal. Genesis: altgriechisch für Schöpfung – so wird das Projekt vom Investor genannt und hebt das Industriegebiet im Ulmer Donautal auf eine neue Ebene: Mit einer halben Milliarde Euro ist das biotechnologische Produktionsgebäude der Ratiopharm-Mutter Teva die womöglich größte Einzelinvestition aller Zeiten für die Donaustadt.
300 neue Arbeitsplätze entstehen nach Angaben von Teva, im ersten Quartal des neuen Jahres werden 80 Menschen beginnen, die Inbetriebnahme des Kolosses vorzubereiten, dessen verbaute 35000 Kubikmeter Beton ausgereicht hätten, den Schiefen Turm von Pisa gleich sechsfach zu errichten.
„Mit der neuen Biotechanlage wird der deutsche Standort zur Biotech-Drehscheibe des gesamten Teva-Konzerns. Nie zuvor hat Teva so viel Geld in ein Einzelprojekt investiert“, sagt Christoph Stoller, der Geschäftsführer von Teva Deutschland auf Anfrage. Dabei schwebten lange Zeit Fragezeichen über diesem Megaprojekt: Aufgrund massiver Übernahmen war der weltgrößte Hersteller nachgeahmter Arzneimittel („Generika“) in Not geraten. Teva verbuchte im Geschäftsjahr 2017 den nach Angaben des Handelsblatts mit Abstand höchsten Verlust, der jemals in der Pharmaindustrie ausgewiesen wurde. Der Fehlbetrag zehrte demnach die Nettogewinne von zehn Jahren auf. Dem überambitionierten Pharmariesen wurde ein Sparprogramm verordnet. Rund ein Viertel der Belegschaft musste gehen, zudem gab das Unternehmen zahlreiche Werke auf.
Ulm hingegen kam mit weniger als einem blauen Auge davon. Vor zwei Jahren wurde zwar angekündigt, dass zehn Prozent der Jobs bei Ratiopharm abgebaut werden sollen. Gleichzeitig wurde jedoch begonnen, hoch qualifizierte Kräfte für Genesis anzuwerben.
Auf Anfrage heißt es: die Mitarbeiterzahlen seien seit einigen Jahren bei Teva Deutschland über alle Bereiche hinweg insgesamt mit etwas über 2500 Mitarbeitern stabil. In Ulm habe der Konzern derzeit etwa 1800 Mitarbeiter, in Weiler bei Blaubeuren weitere knapp 500. Dazu kommen noch die Außendienstmitarbeiter, die über ganz Deutschland verteilt sind.
Der „wohl härteste Sanierungsfall der Branche“, wie es das Handelsblatt ausdrückte, hat sich nun offenbar stabilisiert. Dies ist nach Experteneinschätzung am operativen Ergebnis und an den rückläufigen Schulden erkennbar. Auf Ulm lastet aber als kommende Biotech-Drehscheibe des gesamten Teva-Konzerns ein enormer Erfolgsdruck. Mehr als 20 Projekte für biopharmazeutische Medikamente befinden sich nach Teva-Angaben derzeit in der Pipeline. Erfolge „Made in Ulm“müssen her.
Bei der Standortwahl für die neue hochmoderne Produktionsanlage hatte sich Ulm gegen sechs andere Teva-Standorte durchgesetzt. In der neuen Biotechanlage stellt der israelische Konzern „monoklonale Antikörper“her, die in Bezug auf die Menge und die Technologie viel höhere Anforderungen stellen als sie existierende Anlagen liefern können. Die neue Anlage stelle einen „Quantensprung“zur bisherigen dar; sowohl was das bauliche Ausmaß als auch das produzierte Volumen anbelangt.
Die neue Biotechanlage ermögliche die Produktion in einem viel größeren Maßstab: etwa 100 Mal so groß wie die derzeitige Produktion soll sie sein. Die Bioreaktoren sind knapp 8000 Kilogramm schwer bei einem Fassungsvermögen von 15 000 Litern. In Ulm soll insbesondere ein neuartiges Medikament gegen Migräne hergestellt werden. Biotechnologie spielt auch eine große Rolle bei der Entwicklung der derzeit heiß ersehnten Impfstoffe gegen das neuartige Coronavirus. Doch solche Impfstoffe stellt Teva bislang nicht her.
Der Markt für einen Corona-Impfstoff ist zwar gigantisch, doch auch der Markt für ein Migräne-Medikament gilt als immens und somit lukrativ: Migräne stelle eine schwere Erkrankung und wirtschaftliche Belastung dar. Mit mehr als einer Milliarde betroffenen Menschen weltweit sei Migräne die zweithäufigste globale Ursache für ein langjähriges Leben mit Behinderungen.
Die ersten Bioreaktoren wurden bereits vergangenes Jahr im Donautal angeliefert. Nach offiziellem Zeitplan soll die Anlage rein mechanisch im September kommenden Jahres fertig sein. Bis Genesis, die Schöpfung also, vollendet ist und die ersten Medikamente fertig für die Spritze aus den Bioreaktoren fließen, werde es aber 2022.