Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Abgeordnete wollen Entwicklungsbegrenzung kippen
Kleine Gemeinden im Alb-Donau-Kreis und im Kreis Biberach sehen sich wegen Entwicklungsbegrenzung gegängelt
ULM - Teils heftigen Protest bei betroffenen Gemeinden hatte die Ankündigung des Regionalverbandes ausgelöst, ihnen Leitplanken für die künftige Entwicklung auferlegen zu wollen. Diese sehen vor, dass die selbstständigen Kommunen im AlbDonau-Kreis und im Kreis Biberach nur noch Gewerbe- und Wohnflächen ausweisen dürfen, um ihren Bedarf vor Ort zu decken. Die Ansiedlung größerer Firmen von auswärts wäre dann nicht mehr möglich. CDU-Landtagsabgeordnete aus den beiden Kreisen wollen diese Regelung jetzt kippen.
Manuel Hagel aus Ehingen und sein Stuttgarter Fraktionskollege aus dem Kreis Biberach, Thomas Dörflinger, sind ganz und gar nicht einverstanden mit dem Vorhaben, das vor rund einem Monat im Planungsausschuss des übergeordneten Regionalverbandes Donau-Iller abgesegnet wurde (wir berichteten). „Nicht zielführend“seien diese Planungen, so die Abgeordneten und teilen mit, dass sie sich bereits an die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut, eine Parteifreundin, gewandt hätten. Ihre Forderung: Es müsse „zum Wohle der betroffenen Gemeinden“nachgebessert werden.
Was Hagel und Dörflinger missfällt: Dass die besagten Kommunen, allesamt kleine Gemeinden, neue Flächen für Gewerbe und Wohnen nur noch in überschaubarem Umfang neu ausweisen sollen. Der Regionalverband verfolgt nach eigener Aussage damit das Ziel, die bestehende Versorgungs-Struktur im ländlichen Raum, die stellenweise sogar in größeren Gemeinden schon bröckelt (Geschäfte, Ärzte, Schulen), zu erhalten. Dieses Ziel sei jedoch gefährdet, wenn allerkleinste Kommunen nun auf die Idee kommen, große eigene Wohngebiete auszuweisen oder große Discounter oder Supermärkte anzulocken.
Der Regionalverband will die Entwicklung im ländlichen Raum durch die neuen Vorgaben besser steuern. Sprich: Strukturen sollen dort aufgebaut werden, wo sie sinnvoll sind und eine Zukunft haben. Und nicht dort, wo sie Bürgermeister und Gemeinderat eines kleinen Ortes aus ihrer Sicht vielleicht gerne hätten.
Betroffen wären 25 kleine Kommunen im Gebiet des Bundesland übergreifenden Regionalverbandes Donau-Iller; Kommunen, in denen oft nur wenige Hundert Einwohner leben. Sie sollen als „Gemeinden mit Eigenentwicklung“festgeschrieben werden.
Im Alb-Donau-Kreis betroffen wären unter anderem Emeringen,
Grundsheim, Hausen am Bussen, Holzkirch, Lauterach, Nerenstetten, Rechtenstein, Unterwachingen. Und im Landkreis Biberach Alleshausen, Tiefenbach, Seekirch und Oggelshausen. Die restlichen Dörfer liegen im Unterallgäu oder im Kreis Günzburg.
Zwist über die Pläne hatte es auch im Planungsausschuss des Regionalverbandes gegeben. So protestierte Heiner Scheffold. Er sehe keinen Regelungsbedarf, so der Landrat des Alb-Donau-Kreises in der Sitzung Ende Oktober im Landratsamt in Ulm. Er befürchtete gar: „Dann sterben die Orte.“
Abgesegnet wurden die Pläne trotzdem. Unter anderem deshalb, weil die Verwaltungsspitze des Regionalverbandes in Person von Direktor Markus Riethe und seinem Stellvertreter Martin Samain versicherte: Für die betroffenen Kommunen ändere sich im Grunde gar nichts. Sie dürften sich auch künftig so entwickeln, wie sie es schon in der Vergangenheit getan hätten. Nun allerdings soll es eben festgeschrieben werden, dass riesengroße Sprünge für die Orte nicht mehr drin sind.
Hagel und Dörflinger sind damit offenbar nicht zufrieden. Sicher auch in Rücksprache mit einzelnen Gemeinden teilen sie mit, dass dies bedeuten würde, „dass eine Neu-Ansiedelung größerer Betriebe von auswärts oder die Schaffung größerer Wohngebiete für Einheimische und Zuzügler demnächst nicht mehr möglich wäre“. Ob dies dann tatsächlich zutreffen würde, ist allerdings unklar. Denn Samain hatte garantiert: Notwendige Entwicklungsräume bleiben den Gemeinden auch künftig in jedem Fall erhalten. Viel mehr gehe es darum, Auswüchse zu verhindern.
Hagel und Dörflinger sehen die geplante Regelung auch deshalb skeptisch, weil diese einen „Eingriff in die Planungshoheit der Gemeinden“bedeute. Was der Regionalverband zurückweist. Zwar besage das Gesetz, dass Gemeinden die Hoheit besitzen über Angelegenheiten, die sich auf ihren Flächen abspielen. Allerdings müssten Kommunen mit der Einschränkung leben, dass sie diese Hoheit nur „im Rahmen der Gesetze“ausüben dürften.
Das „Gesetz“, das, wenn man so will, hinter der Schaffung von „Gemeinden mit Eigenentwicklung“steht, ist ein übergeordnetes. Es entspringt laut Regionalverband einem Staatsvertrag zwischen BadenWürttemberg und Bayern (nötig, weil der Regionalverband in beide Länder reicht).
Doch leitet sich daraus tatsächlich die Verpflichtung für den Regionalverband ab, besagte 25 Gemeinden in solch’ „problematischer“Weise auch zu beschneiden? Auch das wollen Hagel und Dörflinger vom Wirtschaftsministerium geprüft haben.
Dass es noch zu einer Änderung oder gar einem Kippen der geplanten Regelung kommt, ist eher unwahrscheinlich. Einsprüche hätten vor allem dann eine Chance, so Martin Samain, wenn sie sich auf fachliche Fehler beziehen. Diese könne er im vorliegenden Fall allerdings nicht erkennen. Die 25 Kommunen seien mit Bedacht ausgewählt worden. Ein wichtiges Kriterium im Übrigen: der Umwelt- und Naturschutz. Die meisten Gemeinden
TRAUERANZEIGEN
lägen in einer besonders schutzbedürftigen Umgebung, in der größere neue Wohn- oder Gewerbegebiete so oder so eher schlechte Karten hätten.
Samain zum Hintergrund der angestrebten Entwicklungsbegrenzung: Der Flächenverbrauch schreite auch in BadenWürttemberg weiter voran. Neue Gebiete könnten aber nur dann erschlossen werden, wenn die Politik an anderer Stelle auch sage, wo es keine weitere Versiegelung geben dürfe. Der Passus mit der Entwicklungsbeschränkung fand 2011 den Weg in den Staatsvertrag mit Bayern. Kein Zufall: 2011 übernahmen die Grünen die Macht im Land, seither stellen sie in Winfried Kretschmann den Ministerpräsidenten.
„Alle unsere Gemeinden müssen die Möglichkeiten haben sich bestmöglich zu entwickeln [...], eine Art Entwicklungsstopp darf es deshalb hier nicht geben.“Manuel Hagel Landtagsabgeordneter und Generalsekretär der CDU Baden-Württemberg