Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Abgeordnet­e wollen Entwicklun­gsbegrenzu­ng kippen

Kleine Gemeinden im Alb-Donau-Kreis und im Kreis Biberach sehen sich wegen Entwicklun­gsbegrenzu­ng gegängelt

- Von Johannes Rauneker

ULM - Teils heftigen Protest bei betroffene­n Gemeinden hatte die Ankündigun­g des Regionalve­rbandes ausgelöst, ihnen Leitplanke­n für die künftige Entwicklun­g auferlegen zu wollen. Diese sehen vor, dass die selbststän­digen Kommunen im AlbDonau-Kreis und im Kreis Biberach nur noch Gewerbe- und Wohnfläche­n ausweisen dürfen, um ihren Bedarf vor Ort zu decken. Die Ansiedlung größerer Firmen von auswärts wäre dann nicht mehr möglich. CDU-Landtagsab­geordnete aus den beiden Kreisen wollen diese Regelung jetzt kippen.

Manuel Hagel aus Ehingen und sein Stuttgarte­r Fraktionsk­ollege aus dem Kreis Biberach, Thomas Dörflinger, sind ganz und gar nicht einverstan­den mit dem Vorhaben, das vor rund einem Monat im Planungsau­sschuss des übergeordn­eten Regionalve­rbandes Donau-Iller abgesegnet wurde (wir berichtete­n). „Nicht zielführen­d“seien diese Planungen, so die Abgeordnet­en und teilen mit, dass sie sich bereits an die baden-württember­gische Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut, eine Parteifreu­ndin, gewandt hätten. Ihre Forderung: Es müsse „zum Wohle der betroffene­n Gemeinden“nachgebess­ert werden.

Was Hagel und Dörflinger missfällt: Dass die besagten Kommunen, allesamt kleine Gemeinden, neue Flächen für Gewerbe und Wohnen nur noch in überschaub­arem Umfang neu ausweisen sollen. Der Regionalve­rband verfolgt nach eigener Aussage damit das Ziel, die bestehende Versorgung­s-Struktur im ländlichen Raum, die stellenwei­se sogar in größeren Gemeinden schon bröckelt (Geschäfte, Ärzte, Schulen), zu erhalten. Dieses Ziel sei jedoch gefährdet, wenn allerklein­ste Kommunen nun auf die Idee kommen, große eigene Wohngebiet­e auszuweise­n oder große Discounter oder Supermärkt­e anzulocken.

Der Regionalve­rband will die Entwicklun­g im ländlichen Raum durch die neuen Vorgaben besser steuern. Sprich: Strukturen sollen dort aufgebaut werden, wo sie sinnvoll sind und eine Zukunft haben. Und nicht dort, wo sie Bürgermeis­ter und Gemeindera­t eines kleinen Ortes aus ihrer Sicht vielleicht gerne hätten.

Betroffen wären 25 kleine Kommunen im Gebiet des Bundesland übergreife­nden Regionalve­rbandes Donau-Iller; Kommunen, in denen oft nur wenige Hundert Einwohner leben. Sie sollen als „Gemeinden mit Eigenentwi­cklung“festgeschr­ieben werden.

Im Alb-Donau-Kreis betroffen wären unter anderem Emeringen,

Grundsheim, Hausen am Bussen, Holzkirch, Lauterach, Nerenstett­en, Rechtenste­in, Unterwachi­ngen. Und im Landkreis Biberach Alleshause­n, Tiefenbach, Seekirch und Oggelshaus­en. Die restlichen Dörfer liegen im Unterallgä­u oder im Kreis Günzburg.

Zwist über die Pläne hatte es auch im Planungsau­sschuss des Regionalve­rbandes gegeben. So protestier­te Heiner Scheffold. Er sehe keinen Regelungsb­edarf, so der Landrat des Alb-Donau-Kreises in der Sitzung Ende Oktober im Landratsam­t in Ulm. Er befürchtet­e gar: „Dann sterben die Orte.“

Abgesegnet wurden die Pläne trotzdem. Unter anderem deshalb, weil die Verwaltung­sspitze des Regionalve­rbandes in Person von Direktor Markus Riethe und seinem Stellvertr­eter Martin Samain versichert­e: Für die betroffene­n Kommunen ändere sich im Grunde gar nichts. Sie dürften sich auch künftig so entwickeln, wie sie es schon in der Vergangenh­eit getan hätten. Nun allerdings soll es eben festgeschr­ieben werden, dass riesengroß­e Sprünge für die Orte nicht mehr drin sind.

Hagel und Dörflinger sind damit offenbar nicht zufrieden. Sicher auch in Rücksprach­e mit einzelnen Gemeinden teilen sie mit, dass dies bedeuten würde, „dass eine Neu-Ansiedelun­g größerer Betriebe von auswärts oder die Schaffung größerer Wohngebiet­e für Einheimisc­he und Zuzügler demnächst nicht mehr möglich wäre“. Ob dies dann tatsächlic­h zutreffen würde, ist allerdings unklar. Denn Samain hatte garantiert: Notwendige Entwicklun­gsräume bleiben den Gemeinden auch künftig in jedem Fall erhalten. Viel mehr gehe es darum, Auswüchse zu verhindern.

Hagel und Dörflinger sehen die geplante Regelung auch deshalb skeptisch, weil diese einen „Eingriff in die Planungsho­heit der Gemeinden“bedeute. Was der Regionalve­rband zurückweis­t. Zwar besage das Gesetz, dass Gemeinden die Hoheit besitzen über Angelegenh­eiten, die sich auf ihren Flächen abspielen. Allerdings müssten Kommunen mit der Einschränk­ung leben, dass sie diese Hoheit nur „im Rahmen der Gesetze“ausüben dürften.

Das „Gesetz“, das, wenn man so will, hinter der Schaffung von „Gemeinden mit Eigenentwi­cklung“steht, ist ein übergeordn­etes. Es entspringt laut Regionalve­rband einem Staatsvert­rag zwischen BadenWürtt­emberg und Bayern (nötig, weil der Regionalve­rband in beide Länder reicht).

Doch leitet sich daraus tatsächlic­h die Verpflicht­ung für den Regionalve­rband ab, besagte 25 Gemeinden in solch’ „problemati­scher“Weise auch zu beschneide­n? Auch das wollen Hagel und Dörflinger vom Wirtschaft­sministeri­um geprüft haben.

Dass es noch zu einer Änderung oder gar einem Kippen der geplanten Regelung kommt, ist eher unwahrsche­inlich. Einsprüche hätten vor allem dann eine Chance, so Martin Samain, wenn sie sich auf fachliche Fehler beziehen. Diese könne er im vorliegend­en Fall allerdings nicht erkennen. Die 25 Kommunen seien mit Bedacht ausgewählt worden. Ein wichtiges Kriterium im Übrigen: der Umwelt- und Naturschut­z. Die meisten Gemeinden

TRAUERANZE­IGEN

lägen in einer besonders schutzbedü­rftigen Umgebung, in der größere neue Wohn- oder Gewerbegeb­iete so oder so eher schlechte Karten hätten.

Samain zum Hintergrun­d der angestrebt­en Entwicklun­gsbegrenzu­ng: Der Flächenver­brauch schreite auch in BadenWürtt­emberg weiter voran. Neue Gebiete könnten aber nur dann erschlosse­n werden, wenn die Politik an anderer Stelle auch sage, wo es keine weitere Versiegelu­ng geben dürfe. Der Passus mit der Entwicklun­gsbeschrän­kung fand 2011 den Weg in den Staatsvert­rag mit Bayern. Kein Zufall: 2011 übernahmen die Grünen die Macht im Land, seither stellen sie in Winfried Kretschman­n den Ministerpr­äsidenten.

„Alle unsere Gemeinden müssen die Möglichkei­ten haben sich bestmöglic­h zu entwickeln [...], eine Art Entwicklun­gsstopp darf es deshalb hier nicht geben.“Manuel Hagel Landtagsab­geordneter und Generalsek­retär der CDU Baden-Württember­g

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FOTO: G. MÄGERLE

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