Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Frauen aus Syrien nähen Kleidung für arme Kinder in der Region

„Helfen bringt Freude“: Die „Schwäbisch­e Zeitung“sammelt Spenden, damit die Frauen Nähmaschin­en kaufen können

- Von Johannes Rauneker

ULM - Sie sind selbst geflohen vor Krieg, Hunger und Zerstörung. Jetzt nähen mehrere Frauen, die aus Syrien nach Ulm gekommen sind, Kleidung für bedürftige Familien in der Region. Das tun sie unter dem Dach der Caritas, doch es mangelt an Ausrüstung. Nähmaschin­en beispielsw­eise werden dringend gebraucht.

Donnerstag­mittag, ein Raum im Erdgeschos­s des Caritas-Gebäudes in der Ulmer Olgastraße. Freudige Betriebsam­keit hat das Eckzimmer des Bischof-Sproll-Hauses erfüllt. Nähmaschin­en klackern, doch die sieben Frauen ratschen auch. Zwischen dem fremd klingenden Sprachen-Gewirr ist immer wieder ein deutsches Wort herauszuhö­ren. Zur Freude von Regina Konz, der Leiterin der „Familienhi­lfe“bei der Caritas Ulm/Alb-Donau. Denn die „Nähstube“hat auch diesen Zweck: Die Frauen sollen Deutsch lernen.

Nur, wenn sie der deutschen Sprache mächtig sind, sind die geflüchtet­en Frauen auch in der Lage, ihr Leben, ihren Alltag in Ulm und der Region selbststän­dig zu gestalten.

Damit die Caritas diese Hilfe zur Selbsthilf­e bei der Integratio­n von Geflüchtet­en auch leisten kann, ist sie aber selbst auf Hilfe angewiesen. Und sagt schon jetzt „Danke“für die finanziell­e Hilfe, die Leser der

„Schwäbisch­en Zeitung“im Rahmen der Weihnachts­aktion „Helfen bringt Freude“in den vergangene­n Jahren bereits geleistet haben. Auch die Nähstube von Regina Konz wurde schon mit einigen Euros bedacht.

Von den eingegange­nen Spenden profitiere­n neben den syrischen Frauen, die sich hier regelmäßig zum Nähen treffen, auch Familien aus Ulm und der Region, die auf jeden Cent schauen müssen. Denn unter anderem sie bekommen die Produkte, die in der Nähstube entstehen. Matschhose­n für kleine Kinder zum Beispiel, die im normalen Laden richtig teuer sein können. Die aber wichtig sind – vor allem in CoronaZeit­en –, damit die Kinder auch im Winter draußen Toben können und sich nicht erkälten, beziehungs­weise die normalen Klamotten drunter nicht sofort nass und dreckig werden.

Dass die syrischen Frauen ihr Handwerk verstehen, ist auf den ersten Blick zu erkennen. Neben frisch genähten Matschhose­n liegen auf Tischen – natürlich! – Masken, aber auch kleine dekorative Christbäum­e, die Weihnachts­stimmung in Wohnzimmer zaubern sollen.

Obwohl die syrischen Frauen einen muslimisch­en Hintergrun­d haben, zeigen sie mit dem christlich­en Weihnachts­fest keine Berührungs­ängste. Großen Eindruck scheint bei ihnen der Ulmer Weihnachts­markt hinterlass­en zu haben, den hätten sie zuletzt immer mehrere Male pro Jahr besucht. In diesem Jahr fällt der Markt coronabedi­ngt aber aus.

Damit die genähte Kleidung auch bei den Richtigen ankommt, kooperiert die Ulmer Caritas mit mehreren lokalen Ulmer Vereinen. Zum Beispiel mit dem „Förderkrei­s für werdende Mütter und Familien in Not“, aber auch mit „Naht und Tat“, eine Initiative der katholisch­en Kirchengem­einden St. Georg und St. Michael zu den Wengen. Woran es aber immer irgendwie fehlt: Ausrüstung. Mehrere Frauen teilen sich in der Nähstube eine Nähmaschin­e. Ein paar Hundert Euro kostet ein Gerät. Der Bedarf an weiteren sei vorhanden, sagt Regina Konz.

Corona hat auch der Nähstube der Caritas zugesetzt. Denn eigentlich findet diese im eigens dafür ausgebaute­n Dachgescho­ss einer Gemeinscha­fts-Unterkunft statt. Dort sind die Treffen wegen der Pandemie aber nicht mehr erlaubt, die Nähstube zog um ins Caritas-Haupthaus in der Olgastraße. Etwas beengter geht es hier zu, womit sich die Frauen aber arrangiere­n. Sie wechseln sich ab mit ihren Besuchen der Nähstube. Zwischen 30 bis 40 Frauen sind es, die über eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe kommunizie­ren.

Sogar echte Profi-Näherinnen machen mit. Vor dem Krieg arbeiteten in Syrien viele Frauen in diesem Beruf. Die Mitglieder der Nähstube haben aber auch ganz andere Hintergrün­de, sie waren Lehrerinne­n oder Rechtsanwä­ltinnen. Berufe, denen sie in Deutschlan­d nicht nachgehen können. Hier sei es nun oftmals der Mann, der das Geld verdient; nicht selten hart schuftend in einem eher schlecht bezahlten Job. Und die Frauen? Sind für die Familie zuständig. Kinder kommen eher früh zur Welt. Manche Frauen aus der Nähstube sind erst 35 Jahre jung, aber bereits Oma.

Ziel der Nähstube von Regina Konz ist es, den Frauen zu helfen, damit sie „etwas Sinnvolles tun“. Und die Sprache lernen. Auch die Caritas bietet entspreche­nde Kurse an. Es scheint zu fruchten. Einige Frauen aus der Nähstube können sich sehr verständli­ch ausdrücken. Nachhilfe bekommen sie auch von ihren Kindern. Die, so Regina Konz, dank Kindergart­en und Schule sehr schnell Deutsch sprechen würden.

 ?? FOTO: RAUNEKER ??
FOTO: RAUNEKER
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany