Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Ein Museum für Einstein in Ulm
Albert Einsteins Geburtsstadt widmet dem Genie und seiner Familie eine Dauerausstellung
ULM - Ulm tat sich lange schwer mit dem berühmtesten Ulmer, und auch Albert Einstein, Vater der Relativitätstheorie, hatte ein schwieriges Verhältnis zur Stadt seiner Geburt, in der er nur 15 Monate lebte, ehe seine Eltern mit dem Kleinkind nach München umzogen. Vonseiten der Stadt Ulm soll das anders werden.
18 Monate ist es her, dass der Ulmer Gemeinderat einstimmig beschloss: In der Stadt soll es ein Museum über Albert Einstein und seine Ulmer Familie geben. Als Standort ist der sogenannte „Engländer“am Weinhof vorgesehen, ein Haus, das sich ab 1851 im Besitz von Verwandten Einsteins befand. Einsteins Geburtshaus an der heutigen Bahnhofstraße, wo das Genie 1879 zur Welt kam, wurde bei der Bombardierung Ulms im Dezember 1944 schwer beschädigt und existiert nicht mehr. Der „Engländer“, seit Anfang des 20. Jahrhunderts im Besitz der Stadt Ulm, wurde im frühen 15. Jahrhundert als Kaufmannshaus erbaut und hat seinen Namen von der einstigen Gaststätte „Zum König von England“, die sich im 18. Jahrhundert dort befand.
Ingo Bergmann, Leiter der künftigen „Albert Einstein Dauerausstellung“, erstellte inzwischen eine umfangreiche Datenbank zur jüdischen Gemeinde Ulms. Unter anderem konnten Briefe des Ehepaares Albert und Elsa Einstein erworben werden, die neben zahlreichen anderen Exponaten gezeigt werden sollen. Darunter sind Dokumente und Fotografien der Familie Einstein, viele bislang unbekannte Fundstellen zum religiösen und gesellschaftlichen Leben der Ulmer jüdischen Gemeinde, aber auch Banknoten, Münzen und Briefmarken, die weltweit an den Nobelpreisträger Einstein erinnern.
Im ersten Halbjahr 2021 soll mit den baulichen Arbeiten am „Engländer“begonnen werden; im Erdgeschoss soll eine Ausstellungsfläche entstehen, die durch ein am Abhang zum Schiefen Haus hin liegendes Halbgeschoss ergänzt werden soll. Notwendig sind unter anderem der Einbau einer Hebebühne für Rollstühle, Beleuchtung und Technik, neue Toiletten und Sicherheitsfenster ins spätgotische Bauwerk. Für die Verbindung beider Stockwerke müssen eine Treppe und ein Aufzug eingebaut und im Untergeschoss eine Mauer durchgebrochen werden. Für den Umbau sind 480 000 Euro veranschlagt.
Ein Teil der laufenden Kosten des Museums soll ab der Eröffnung im November 2022 durch Eintrittsgelder und den Verkauf von Merchandising-Artikeln gedeckt werden; die Stadt Ulm plant dafür im Moment mit einem Eintritt von etwa sieben Euro, wobei es Rabatte und Familientickets geben soll. Im Haus erwartet werden jährlich etwa 22 000 Besucher.
Das Museum wird eigenständig sein, aber unter dem Dach des Hauses der Stadtgeschichte stehen, und es wird mit dem Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg kooperieren.
Im Mittelpunkt der Ausstellung soll die Verbindung Albert Einsteins und seiner zweiten Frau Elsa, seiner Cousine, zu ihrer Ulmer Familie stehen – im Kontext der gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen. Einstein pflegte zeitlebens Kontakte zu seinen Verwandten, es gab wohl auch in seiner Kindheit Familientreffen in Ulm. Aus Einsteins Erwachsenenleben sind zwei Besuche in Ulm belegt.
In der Zeit des Nationalsozialismus engagierte sich Einstein dafür, seine Verwandten aus Ulm zu retten. Unter ihnen war auch der in Ulm aufgewachsene Rudolf Moos, Gründer der Schuhfabrik „Salamander“.
Mit der Ausstellung will das Albert Einstein-Museum auch seinem Auftrag politischer Bildung zu den Auswirkungen von Rassismus und Antisemitismus nachkommen. Personen, die neben Einstein im Museum porträtiert werden sollen, sind unter anderem Einsteins erste Ehefrau Mileva Maric, seine in Treblinka ermordete Cousine Lina Einstein, Einsteins Großneffe Alfred Moos, der nach Kriegsende wieder nach Ulm zurückkehrte, und Verwandte aus den Familien Strauss, Hirsch, Strassburger und Wessel.