Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Wieder nur ein Flickenteppich
Seit Beginn der Corona-Pandemie stellen sich viele, auch gut informierte Menschen regelmäßig dieselbe Frage: Was ist denn nun erlaubt und was nicht? Um es in Anlehnung an einen Bestseller im Bücherregal zu formulieren: Mit wem darf ich mich treffen, und wenn ja, mit wie vielen? Klarheit in dieser Frage wollen die Regierungschefs aus Bund und Ländern in ihren regelmäßigen Treffen schaffen. Vier Tage nach der jüngsten Konferenz zeigt sich erneut: Nichts ist klar.
Noch bevor die gemeinsamen Beschlüsse etwa zu Schulschließungen und Kontaktbeschränkungen getroffen waren, hatten einzelne Länder bereits Abweichungen angekündigt. Andere zogen nach. Da ist es nur folgerichtig, dass der Regierungssprecher von Kanzlerin Angela Merkel nun mahnt, die gemeinsamen Beschlüsse doch auch einheitlich umzusetzen. Gerade Baden-Württemberg sollte sich hier angesprochen fühlen. Der Südwesten schert so stark aus wie kaum ein anderes Land. Kinder bis 14 Jahre sollen nicht als Kontaktperson gelten, Kitas und Grundschulen sollen bereits am 18. Januar wieder öffnen und eine 15Kilometer-Grenze für Menschen aus Orten mit besonders vielen Neuinfektionen soll es gar nicht geben. Stattdessen sollen beliebte Ausflugsziele abgesperrt werden.
Dieses Ausscheren wirkt zwar wie eine Rebellion. Tatsächlich aber reagiert die Südwest-Landesregierung auf die Lebenswirklichkeit ihrer Bürger. Das tun auch die anderen Abweichler – auf ganz unterschiedliche Weise. Die Frage also ist nicht, warum tun die das? Viel fragwürdiger ist, dass sich die Spitzen der Länder am Dienstag überhaupt auf einschneidende Maßnahmen gegen die Pandemie geeinigt haben, die sie kurz darauf über Bord werfen.
Die Länderchefs hatten entweder nicht die Weitsicht oder nicht den Mut, bereits am Dienstag Tacheles zu reden. Beides spricht nicht gerade für sie. Zurück bleibt wieder einmal ein Flickenteppich an Regelungen und verwirrte Bürger. Dass zunächst suggeriert wird, bundesweit einheitliche Regeln aufzustellen, dann aber doch wieder jedes Bundesland sein eigenes Corona-Süppchen kocht, ist mehr als ärgerlich.
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