Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Kammermusik auf Abruf
Gerade das, was besonders schön ist, gilt seit Corona als besonders gefährlich: Musik und Gesang aus nächster Nähe. Bisher war es ein Privileg, virtuose Sänger in der Kammermusikstunde zu erleben – ein Markenzeichen der Konzertreihe im Alten Rathaus. Sie hat sich in den vergangenen 27 Jahren weit über die Region hinaus einen hervorragenden Ruf erarbeitet. Doch seit März 2020 ist alles anders. Fast alle Konzerte mussten abgesagt werden, manche ganz kurzfristig zwei Tage vorher – ein Jammer: „Jedes ausgefallene Konzert ist ein Verzicht“, sagt Volker Hausen, erster Vorsitzender des Vereins. „Wir geben die Hoffnung nicht auf, planen weiter und fahren auf Sicht.“Normalerweise weiß Hausen schon Anfang oder Mitte des Jahres, wer im nächsten Jahr auftreten wird. Die Planung steht bereits Monate im Voraus. Viele Künstler schätzen die Auftrittsmöglichkeit im Alten Rathaus wegen der schönen Atmosphäre und dem treuen, fachhandschriftlichen kundigen Publikum. Ob Klassik, Jazz oder Weltmusik – das Niveau stimmt und ist für eine Stadt wie Laichingen außergewöhnlich. Viele Musiker und Sänger, die in der Kammermusikstunde zu Gast sind und dort vor bis zu 100 Leuten auftreten, sind sonst nur in den Konzertsälen der Großstädte zu hören. Dank guter Kontakte und geschickter Planung ist es Volker Hausen gelungen, auch in Laichingen ein hochrangiges Programm auf die Beine zu stellen. Normalerweise beklebt Hausen mit großer Freude und viel Elan die großen Kammermusik-Plakate mit Informationen für das aktuelle Konzert und verteilt gemeinsam mit seinen Helfern im Januar die Handzettel mit dem Jahresprogramm in den Läden, Geschäften und Rathäusern von Laichingen und Umgebung. Momentan sind seine Planungen jedoch so unsicher, dass er für das Jahr 2021 keine Handzettel in den Druck geben konnte. Es gibt aber ein vorläufiges Programm, das Hausen in Form von Bleistift-Notizen notiert hat, versehen mit Strichen und Kreisen und vielen Fragezeichen. Veranstalter und Musiker müssen beide improvisieren, die Besetzungen wechseln kurzfristig und ebenso die vorgesehene Literatur. Bruchstückhaft entsteht ein Entwurf, eine Idee, ein Wunsch, eine Vorstellung, eine Vision. Die will sich Hausen nicht nehmen lassen, auch nicht in Zeiten von Corona. Seinen Vereinsmitgliedern und auch dem Publikum ist durch Corona noch bewusster geworden, wie wichtig ihnen die Musik ist – und die Begegnung mit Gleichgesinnten. Es fehlen nicht nur die engsten Freunde und Kontakte in der Familie, sondern auch die vielen, netten, zufälligen Begegnungen bei den Kammermusik-Konzerten, die einem Verein wie diesem Leben geben. „Wir bleiben einfach dran und schauen, was möglich ist“, meint Hausen: „Irgendwann gibt es wieder Licht am Ende des Tunnels. Und Musik und Gesang und alles was das Herz begehrt.“(sz)