Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Im Corona-Einkaufs-Wirrwarr
Drogeriemarkt verkauft auf allen Etagen, andere Läden müssen absperren und ein Modehaus macht einfach so auf
ULM/NEU-ULM - Absperrbänder gehören zum Einkaufserlebnis in Zeiten des Lockdowns dazu. Die Logik dahinter ist dabei kaum ersichtlich. Während im V-Markt in Illertissen Aktenvernichter, Luftbefeuchter und Kinderfahrräder frei zugänglich sind, gehören Leuchten und Mehrfachsteckdosen offenbar zu den verbotenen Sortimenten.
Im einzigen derzeit geöffneten Kaufhaus in der Ulmer Fußgängerzone ist von Corona-Beschränkungen hingegen nichts zu spüren: Bei Müller wird auf fünf Stockwerken alles verkauft – von Spielwaren über CDs/DVDs bis hin zu Kaffeemaschinen. Einem Urteil des Verwaltungsgerichts sei Dank.
Was nach wie vor für Unzufriedenheit unter den Händlern der Region sorgt. „Unverständlich ist uns, wie es sein kann, dass ein Drogeriemarkt Müller mit allen seinen einzelnen Abteilungen weiterhin verkaufen darf“, schreibt etwa Kristina Nußbaumer, die mit der Spielburg in Blaustein ein kleines Geschäft mit Spielen, Büchern und Geschenken betreibt, in einem offenen Brief an mehrere Politiker. Darunter Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Ulms OB Gunter Czisch.
Bis Freitag habe sie keine Antwort erhalten. Auch nicht auf diese Fragen: „Gibt es eine stillschweigende Vereinbarung mit Herrn (Drogeriemarkt-)Müller, dass er sich alles erlauben darf, was anderen (kleinen) Einzelhändlern verboten wurde? Oder wird hier einfach mit zweierlei Maß gemessen?“
Wie berichtet, betonte Ulms OB Gunter Czisch auf Anfrage, dass er die Unzufriedenheit der Händler verstehe. Doch angesichts des Urteils des Verwaltungsgerichts seien der Stadt die Hände gebunden.
Ein Sprecher der Allgäuer Supermarktkette V-Markt spricht auf Anfrage von einem komplizierten Verfahren. Mehr oder weniger nachvollziehbar sei, dass die Kette die Modemärkte schließen musste, die zu den V-Märkten gehören, wie etwa „Christls“in Weißenhorn. Der Verlauf der Absperrbänder müsse mit den Behörden abgestimmt werden. Weil hier auch Fluchtwege eine Rolle spielten, wirke das mit Blick auf die von der Verkaufsfläche abgetrennten Sortimente mitunter willkürlich.
Während etwa die V-Märkte in Weißenhorn und Illertissen Ladenbereiche mit Flatterband unzugänglich machen, verkauft auch im Kreis Neu-Ulm Drogeriekönig Müller neben Drogerieartikeln weiterhin seine Waren aus der Haushalts-, Medienund Spielwarenabteilung. Mit dem Segen der Gesetzeshüter.
Wie Stephan Weinberger, Jurist beim Landratsamt in Neu-Ulm, auf Anfrage mitteilt, befänden sich in keiner der Müller-Filialen im Kreis „nicht privilegierte Artikel“, also anderes als Seife, Shampoo und Co. auf einer Fläche von größer als 300 Quadratmetern. Absperrungen seien hier also nicht erforderlich. Grundsätzlich gelte das Schwerpunktprinzip: Sobald ein Laden 51 Prozent an zulässigen Artikeln verkaufe, sei auch der Rest erlaubt.
Bei „Großbetriebsformen des Handels“wie etwa einigen V- oder Müller-Märkten gelte die Mischbetriebsregelung aber nicht, wenn nicht erlaubte Sortimente in eigenen, gut abgrenzbaren Abteilungen des Betriebes angeboten werden. Diese Abteilungen seien zu schließen.
Andere Geschäfte weigern sich schlichtweg, dichtzumachen, wie jüngst ein Modehaus in Pfaffenhofen, das am Freitag im Polizeibericht auftauchte. Wie die Polizei beschreibt, stellte eine Streife am Donnerstag gegen 11.40 Uhr fest, dass das Geschäft geöffnet hatte und auch Bekleidung verkaufte. Eine Kundin, die nach dem Verlassen des Geschäfts kontrolliert wurde, räumte laut Polizei ein, dass sie dort Bekleidung gekauft hatte.
Dieser Protest soll nach dem Willen der Inhaberin Schule machen: Unter dem Hashtag „wirmachenauf “organisieren sich Händler, die am kommenden Montag, 11. Januar, entgegen den Corona-Verordnungen ihre Geschäfte öffnen wollen. Initiator der Aktion ist offenbar ein Kosmetiker aus Krefeld.
In einer Gruppe des Nachrichtendienstes Telegram ruft er zum Mitmachen auf. Die Liste der Teilnehmer soll am Montag um 8 Uhr veröffentlicht werden. Der Initiator hofft auf eine derart große Teilnehmerzahl, dass die Polizei gar nicht mit dem Anzeigeschreiben hinterherkommt. Im aktuell gültigen Bußgeldkatalog ist für einen solchen Verstoß ein Regel-Bußgeld in Höhe von 5000 Euro festgelegt. Für den Verstoß der Kundin seien laut Polizei 250 Euro vorgesehen.
Den Ulmer Milliardär Erwin Müller juckt das nicht. Er kann auch so im Radio werben, dass man bei ihm Spielwaren kaufen kann. Ganz legal.