Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Frei laufender Hund hetzt Reh zu Tode
Der Nersinger Jagdpächter appelliert an Hundehalter, im Wald ihre Vierbeiner unter Kontrolle zu behalten
NERSINGEN - Am Mittwochabend war er noch im Auwald in der Nähe des Schimmelesees, erzählt der Nersinger Jagdpächter Hans-Jürgen Kuisl, und er hatte nichts Auffälliges gesehen. Am Donnerstagmorgen erreichte Kuisl der Anruf eines Spaziergängers: In Kuisls Revier, zwischen Schimmelesee und Sportheim, liege ein totes Reh im Schnee, das offenbar von einem oder mehreren Hunden in einen Zaun gehetzt worden war. Kuisl fuhr hin – und stellte fest, dass das junge Reh offenbar einen qualvollen Tod gestorben war. Der Zaun, gegen den das Tier gehetzt worden war, war verbogen und das Reh war am Kopf blutig aufgebissen.
Kuisl ist sich sicher: Ein Wolf ist im Revier nicht unterwegs – das Reh fiel einem Hund zum Opfer, der definitiv außerhalb des Einflusses seines Besitzers war. „Durch Corona gibt es viel mehr Leute im Wald als sonst“, stellt Kuisl fest. „Ich würde sagen, es sind 200 Prozent mehr.“Er hat Verständnis für die Spaziergänger. Neulich habe er eine fünfköpfige Ulmer Familie im Wald getroffen, die ohne Balkon und Garten lebt. „Was sollen die Leute tun in dieser Zeit?“, fragt er – zumal in Bayern bis einschließlich Sonntag noch erlaubt ist, was in Baden-Württemberg schon länger epidemiebedingt verboten ist: sich mit mehr als einem Menschen aus einem anderen Haushalt zum Spaziergang zu treffen.
„Die Leute wollen die Natur nutzen“, sagt Kuisl. „Aber sie müssen bei allem Bedürfnis nach Rausgehen auch gegenrechnen, dass der Wald genauso Lebensraum von Wildtieren ist.“Ob ein Hund im Wald angeleint sein muss oder nicht, sei eine kommunale Entscheidung, sagt Kuisl. Eine generelle Anleinpflicht für Hunde gibt es in bayerischen Wäldern nicht.
In Nersingen ist es erlaubt, den Hund von der Leine zu lassen. „Allerdings muss das Tier seinem Herrn folgen und auf ihn hören, wenn man es von der Leine lässt.“
Dass es Herrchen oder Frauchen egal ist, wenn sich das Tier aus ihrem Einflussbereich entfernt, oder sie es nicht verhindern können, das geht auch rechtlich nicht. Tatsächlich dürfte ein Revierinhaber einen wildernden Hund sogar erschießen, weil der Jäger das Wild schützen muss. „Aber der Hund ist heute ein Familienmitglied“, sagt Kuisl – das könne man eigentlich nicht machen.
So kann der Revierinhaber nur an die Vernunft der Hundehalter appellieren: Wer seinen Hund von der Leine lässt, muss ihn wirklich gut unter Kontrolle haben. Das aber sei oft gerade nicht der Fall, fällt Kuisl in letzter Zeit verstärkt auf. „Es geht querbeet durch alle Rassen und Größen von Hunden, dass sie im Wald außerhalb des Einflusses und der Kontrolle des Herrchens sind.“Das sei eine Ordnungswidrigkeit, die für den Hundehalter nicht ganz billig ist – denn Zuflucht-, Nist-, Brut- und Wohnstätten bestimmter Tierarten dürfen nicht gestört werden.
Zudem sollte man Wildtiere gerade im Winter schon deshalb nicht erschrecken, weil die Flucht den Tieren in der Kälte dringend zum Überleben benötigte Energie raubt. Tötet der Hund ein Wildtier, kann der Jagdpächter den Besitzer verklagen.
Auch zum Schutz des Hundes sollten Hundehalter vernünftig sein und sie keinesfalls aus ihrem Einflussbereich lassen, sagt Kuisl. „Wir haben hier in der Region die Hasenpest. Sie ist auf Hunde übertragbar und kann den Hund töten, wenn er Kontakt mit einem erkrankten oder toten Hasen hat“, erklärt Kuisl. Die Hasenpest sei auch auf Menschen und Katzen übertragbar.