Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Zweifel am Grünen Knopf
Organisationen Femnet und Public Eye haben Zweifel am 2019 eingeführten Textilsiegel – Entwicklungsministerium weist Vorwürfe zurück
BERLIN - Das staatliche Textil-Siegel Grüner Knopf soll die Arbeits- und Umweltbedingungen in den ausländischen Zulieferfabriken hiesiger Unternehmen verbessern. Ob das funktioniere sei jedoch fraglich, erklärten die Organisationen Femnet und Public Eye, die sich für faire Chancen von Frauen in der Textilindustrie und eine gerechte Globalisierung einsetzen. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU), der das Zertifikat vor gut einem Jahr ins Leben gerufen hat, weist die Kritik zurück.
Bisher haben das staatlich garantierte Zertifikat 59 Textilproduzenten und Händler bekommen, unter anderem Aldi, Jack Wolfskin, Rewe, Tchibo und Vaude. Um das Siegel nutzen zu dürfen, müssen die Unternehmen 46 Kriterien erfüllen, die die soziale und ökologische Qualität der Produktion in Entwicklungs- und Schwellenländern belegen.
„Die öffentliche Berichterstattung vieler Unternehmen ist unzureichend“, kritisiert jedoch FemnetChefin Gisela Burckhardt. Man habe die Berichte von 31 Grüner-KnopfUnternehmen untersucht. Die meisten enthielten nur „wenig aussagekräftige Informationen“darüber, wie die Menschenrechte gewährleistet würden.
Von den 31 Firmen würden sich nur acht eingehend mit den Risiken beschäftigen, die ihre Einkaufspolitik auslösen könnte. Damit ist beispielsweise gemeint, dass die Produzenten keine ausreichenden Löhne zahlen, wenn die europäischen Händler die Einkaufspreise zu stark drücken. Nur zwei Unternehmen berichteten aussagekräftig über zu niedrige Löhne, drei über geschlechtsspezifische Gewalt, zwei über mangelnde Betätigungsmöglichkeiten von Gewerkschaften. So steht die Frage im Raum, ob die schlechten Berichte auch auf mangelnde Anstrengungen der Firmen in der Praxis hindeuten.
Dieser Rückschluss sei unzulässig, erklärte ein Sprecher des Entwicklungsministeriums (BMZ). „Die Schlussfolgerungen der Studie sind methodologisch fragwürdig. Sie bezieht sich nur auf die öffentliche Berichterstattung von Unternehmen.“Unabhängige Prüfer würden die Grüner-Knopf-Firmen genau kontrollieren, ob sie die Kriterien des Zertifikats einhalten. Fazit des Ministeriums: Die Praxis der Unternehmen sei besser als ihr Berichtswesen.
Derweil hat erstmals ein ausländisches Unternehmen das Textilsiegel
Grüner Knopf erhalten. Der dänische Bettwäsche-Hersteller Beirholm Vaeverier darf nun das Zertifikat verwenden. „Der Grüne Knopf bietet einen ganzheitlichen Ansatz für Nachhaltigkeit“, erklärte Firmenchef Peter Beirholm.
„Wir brauchen einen grundlegenden Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit in globalen Lieferketten. Denn am Anfang vieler unserer Produkte stehen Menschen, die bislang kaum von ihrer Arbeit leben können“, hatte Müller im vergangenen September zum einjährigen Bestehen des Siegels erklärt. „Noch immer müssen 75 Millionen Kinder weltweit unter ausbeuterischen Bedingungen schuften – auch für unsere Produkte. Immer mehr Kunden wollen das nicht länger hinnehmen und fordern, dass in der Produktion grundlegende Mindeststandards eingehalten werden.“Der Grüne Knopf sei damit auch „eine Blaupause“für ein branchenübergreifendes Lieferkettengesetz. „Denn das Siegel zeigt: Es geht. Selbst kleine Start-ups schaffen das.“