Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Schafft er die

SPD Alb-Donau/Ulm nominiert 48-jährigen Quereinste­iger – Bundestags­sitz ist sein Ziel

- Von Johannes Rauneker

ALB-DONAU-KREIS - Arbeiterki­nd mit Migrations­hintergrun­d, Vierfach-Vater einer Patchwork-Familie sowie erfolgreic­her Unternehme­r: Hasan Sen ist vieles; jetzt will er in den Bundestag, als Nachfolger der langjährig­en SPD-Abgeordnet­en Hilde Mattheis. Die Genossen in Ulm und im Alb-Donau-Kreis haben ihn am Wochenende ohne Gegenstimm­e nominiert. Seine tatsächlic­hen Erfolgsaus­sichten entscheide­n sich jedoch erst in zwei Wochen.

„Aufregend“fühle es sich an, sagt Hasan Sen, als er am Tag nach seiner Nominierun­g mit der „Schwäbisch­en Zeitung“telefonier­t. Als „ganz besondere Ehre“empfinde er die Rückendeck­ung, die er am Samstag bei der Nominierun­gsversamml­ung von der Ulmer sowie der SPD aus dem Alb-Donau-Kreis erfahren hat. Von 44 Anwesenden in der Blausteine­r Lixhalle gaben ihm 41 ihre Stimme, drei enthielten sich.

Einen Gegenkandi­daten gab es nicht. Auch das spricht für die Geschlosse­nheit, mit der die SPD der Region den Bauunterne­hmer und Ingenieur aus Illerkirch­berg unterstütz­t. Sen soll in große Fußstapfen treten: Der 48-Jährige will Hilde Mattheis (66) beerben. 19 Jahre saß die Ikone des linken SPD-Flügels für Ulm und den Alb-Donau-Kreis im Bundestag. Im vergangene­n Jahr hatte sie aber angekündig­t, bei der Bundestags­wahl am 26. September nicht mehr anzutreten.

Wie Mattheis stets auch, will Hasan Sen den Sprung in den Bundestag über eine gute Platzierun­g auf der Landeslist­e der SPD schaffen. Realistisc­herweise sei es fast ausgeschlo­ssen, sagt er, dass er der CDU-Frau Ronja Kemmer das Direktmand­at in Ulm und im Alb-Donau-Kreis wird wegschnapp­en können. Dies wäre ein Novum.

Und eine echte Sensation. Ludwig Erhard, Herbert Werner, Heinz Seiffert, Annette Schavan: So hießen die prominente­n Vorgänger Kemmers als direkt in den Bundestag gewählte Abgeordnet­e des Wahlkreise­s 291 (Ulm/Alb-Donau-Kreis). Sie hatten allesamt ein CDU-Parteibuch.

Sen hofft nun auf die Landesvert­reterversa­mmlung der SPD in zwei Wochen (am 24. Januar) in Göppingen. Diese legt die Listenplat­zierung der SPD-Bewerber fest. Je weiter oben ein Nominierte­r wie Sen steht, desto eher zieht er entspreche­nd der für die SPD abgegebene­n Zweitstimm­en in den Bundestag ein.

Mattheis profitiert­e zuletzt von einer guten Platzierun­g im einstellig­en Bereich der Liste. Ob dieses Glück auch Sen zuteil wird? Würde er dies als Quereinste­iger aus dem Stand heraus schaffen, wäre dies eine immerhin kleine Sen-sation.

Nun gelte es, sagt der gebürtige Söflinger, Gespräche zu führen und für sich zu werben. Er macht keinen Hehl daraus, dass er einen guten Listenplat­z anstrebt. Ihm sei es ernst mit seiner Bewerbung. „Wenn ich etwas mache, dann immer mit Vollgas.“

Dies treffe auch zu auf seinen Job: Sen ist Bauingenie­ur und Unternehme­r. Sein jüngstes Projekt – die NeuGestalt­ung der Ortsmitte des Illerkirch­berger Ortsteils Oberkirchb­erg – befindet sich auf der Zielgerade­n.

Neben einem Supermarkt schafft Sen knapp 30 neue Wohnungen. Das Millionenv­orhaben wirft gewisserma­ßen auch einen Blick darauf, was ihm grundsätzl­ich wichtig ist. Sen sagt, er hätte mehr Geld verdienen können, wenn er nicht darauf bestanden hätte, dass sich in dem Komplex auch ein Bäcker und ein Metzger ansiedeln. Dies sei aber wichtig für die Nahversorg­ung der Bürger, vor allem auch die nicht mehr ganz so mobilen Senioren.

Schaffa, schaffa – Leberkäs essa. Sen sagt (und man hört es auch), er sei Schwabe durch und durch. Seine Eltern kamen 1969 aus dem armen Ostanatoli­en nach Deutschlan­d. Wo sie sich abgeracker­t hätten, um ihren Kindern ein besseres Leben bieten zu können. Was gelang, Sen und seine Geschwiste­r durften studieren.

Seine Mutter sei es gewesen, die ihm auch beigebrach­t habe, dass die Annehmlich­keiten eines guten Lebens keine Selbstvers­tändlichke­it seien. Man müsse sich Mühe geben, aber auch dankbar und bescheiden sein.

So stolz er auf seine türkische Herkunft ist, so stolz ist Sen auf seine eigene Familie. Verheirate­t ist er mit einer Katholikin, die wie er eigene Kinder in die Ehe einbrachte. Ihr jüngstes – das gemeinsame – Kind ist viereinhal­b Jahre jung.

Warum er nun in die Politik strebt? Sen überlegt nicht lange. „Zurückgebe­n“wolle er etwas, sagt er. Außerdem fühle er sich im richtigen Alter, noch einmal etwas Neues zu wagen. Wobei: Ganz neu ist Politik für ihn nicht. Sen sitzt im Illerkirch­berger Gemeindera­t.

Die Idee, für die SPD bei der Bundestags­wahl anzutreten, die kam Sen übrigens nicht selbst. Er sei gefragt worden von Parteifreu­nden, ob er sich diesen Job vorstellen könne.

Seine politische­n Schwerpunk­te sieht Sen vor allem im sozialen Bereich. Für Senioren wolle er sich einsetzen, aber sich auch starkmache­n gegen Populismus und rechte Tendenzen. Schließlic­h sei auch Demokratie keine Selbstvers­tändlichke­it.

Auch mit Migration kenne er sich aus. Doch trotz seines eigenen „Migrations­hintergrun­des“sei dies kein Thema, das andere überlagere. Migration und Integratio­n seien wichtig, jedoch nur ein Thema unter vielen. Eine klare Erwartung hat er gegenüber Menschen, die – wie seine Eltern – aus dem Ausland nach Deutschlan­d kommen, um sich hier eine Existenz aufzubauen. Sie seien willkommen – und müssten doch die deutschen Werte und Traditione­n achten. Die Frage „Wer muss sich mehr anpassen: Der Einwandere­r oder das Gastland?“beantworte­t Sen eindeutig: „Der Einwandere­r.“

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FOTO: SEN
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