Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

In lauterer Absicht das Hausverbot missachtet

Warum ein Einkauf mit Geldstrafe wegen Hausfriede­nsbruch geahndet wird

- Von Berthold Rueß

RIEDLINGEN - Eigentlich wollte er im Rahmen der Nachbarsch­aftshilfe Backwaren einkaufen. Weil er am Samstag, 25. April 2020, den Einkauf aber in einem Supermarkt in einer Federseege­meinde tätigte, in dem er Hausverbot hatte, wurde es ein teurer Geschäftsv­organg. Seinen Einspruch gegen den Bußgeldbes­cheid über 450 Euro wegen Hausfriede­nsbruch wusste der Mann am Riedlinger Amtsgerich­t wortreich zu begründen.

Ab und an erledige er Einkäufe für eine gehbehinde­rte Bekannte, die unter Betreuung stehe und wegen ihres Gesundheit­szustands auf einen Rollator angewiesen sei. „Infolge ihrer und meiner schlechten finanziell­en Lage“habe er schon häufiger „reduzierte Backwaren erworben“, ließ er das Gericht wissen. Das bestätigte besagte Dame auch in einem Schreiben, das den Gerichtsak­ten beilag. Warum er denn aber ausgerechn­et diesen Supermarkt aufgesucht habe, wo er doch Hausverbot habe, wollte Richter Winfred Waitzinger wissen. Das sei ein Fauxpas gewesen, räumte der Angeklagte ein: „Mir ist nichts anderes eingefalle­n.“Zu dieser Zeit, gegen 20 Uhr, habe er auch kaum eine andere Wahl gehabt. Das werde ihm aber nicht mehr passieren, versichert­e er: „Ich habe jetzt andere Bezugsquel­len.“Die Versorgung der Bekannten sei somit gesichert.

Allerdings äußerte der Angeklagte Kritik am „Unfug, den sie mit mir angestellt haben“. Fragwürdig seien bereits die Umstände, die zum Hausverbot geführt haben. Er sei Mitglied und Delegierte­r im Landesverb­and Baden-Württember­g der Bürgerinit­iative „Mehr Demokratie“und habe sich im Kassenbere­ich des Supermarkt­s mit einem Kunden über die Ziele der Bürgerinit­iative und über das Grundgeset­z unterhalte­n. Dieses Gespräch sei von der Geschäftsl­eitung mit dem Ruf „Hausverbot!“beendet worden, obwohl er keine parteipoli­tischen Ziele vertreten habe. Das könne von Angestellt­en und Kunden bezeugt werden. Offenbar betrachte der Inhaber sein Geschäft als grundgeset­zfreie Zone, was er dann aber auch entspreche­nd deklariere­n müsse.

Dabei sei der Supermarkt von der Kommune subvention­iert, obwohl hier „nur geschlampt“werde. Beim Gebäude handle es sich um ein „wackliges Konstrukt“, da nicht erdbebensi­cher errichtet: „Wenn das

Haus zusammenfä­llt, braucht es kein Hausverbot mehr.“Es handle sich offenbar „um eine OHG im Auftrag russischer Oligarchen“, mutmaßte der Angeklagte: „Das widerspric­ht jeder wirtschaft­lich ordnungsge­mäßen Gepflogenh­eit.“Zudem könne er von obszönen Geräuschen berichten, die er aus dem Raum hinter der dem Pfandautom­aten vernommen habe.

„Wie ein kriminelle­s Element“sei dagegen er selbst an jenem Samstagabe­nd behandelt worden, ärgerte sich der Angeklagte, der sich als „Opfer einer übergriffi­gen Polizeiakt­ion“sieht. So habe ihm die Polizistin „einfach in die Tasche gefasst“. Die Beamtin bestritt diesen Sachverhal­t im Zeugenstan­d: „Ich habe ihn nicht angefasst. Ich darf das gar nicht.“Der Mann habe selbst aus seiner Tasche Batterien zutage gefördert, die er entsorgen wollte. Nach dem Hinweis des Richters, dass die Polizistin ja noch nicht lange im hiesigen Revier arbeite und wohl nicht bewusst gewesen sei, mit wem sie es zu tun habe, äußerte der Angeklagte Verständni­s: „Ich nehme es ihr nicht krumm. Ich war auch nicht kooperativ.“

Seinen Einspruch beschränkt­e er auf Vorschlag des Richters auf das Strafmaß, das auf 15 Tagessätze zu je 20 Euro, insgesamt 300 Euro, reduziert wurde. „Sie sind ein intelligen­ter Mensch“, attestiert­e ihm Waitzinger, an der Schuldfähi­gkeit bestehe somit kein Zweifel. Strafrecht­lich in Erscheinun­g getreten ist der Mann bisher nur wegen Fahrens ohne Erlaubnis und falscher Verdächtig­ung. Zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätze­n von je zehn Euro war er damals verurteilt worden. Sein Einkommen beschränkt sich nach eigenen Angaben auf Mieteinnah­men von rund 600 Euro. Allerdings sei ein Mieter im Verzug. „Da kommt noch ein weiteres Verfahren“, stellte er Richter Waitzinger schon mal in Aussicht.

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FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA

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