Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Technische Panne bei zweitem Impftermin
Wie eine 81-Jährige aus Ingerkingen vergeblich versucht, sich impfen zu lassen
INGERKINGEN/ULM - So schnell wie möglich wollte Manuela Christ ihre 81-jährige Mutter gegen das Coronavirus impfen lassen. Doch wegen einer technischen Panne fürchtet sie nun, dass es keinen zweiten Impftermin geben könnte. Und die Ingerkingerin ist mit ihrer Sorge offenbar nicht alleine. Beim Sozialministerium ist das Problem bereits bekannt – eine Lösung gibt es bislang nicht.
Angst habe ihre Mutter vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus, erzählt Manuela Christ. Sie unterstützt ihre Mutter bei der Impfung. Doch sie habe nicht erwartet, dass das so kompliziert werde.
Die 81-jährige Anneliese Neubauer leidet unter Diabetes und Bluthochdruck, sie gehe regelmäßig zum Arzt und sei gegen alle üblichen Krankheiten geimpft. Die Impfung gegen Covid-19 sei daher eine Selbstverständlichkeit gewesen. „Meine Mutter war gleich dabei“, erzählt Christ. Zunächst lief alles wie erhofft: Schon am vergangenen Dienstag hatte die Seniorin einen Termin im Ulmer Impfzentrum erhalten.
Den Termin gibt es allerdings nur gegen Vorlage eines Zugangscodes. Der Code für den zweiten Termin funktionierte bei Anneliese Neubauer nicht. „Sie kann sich bis zum heutigen Tag nicht damit einloggen“, erzählt ihre Tochter. Zunächst dachte sie, dass sich das Problem in Ulm lösen lasse. Wie wichtig die Zugangscodes sind, merkte sie schon auf dem Parkplatz am Impfzentrum. Die Zufahrt ist nur mit Code möglich.
Beim Termin am Dienstag schilderte sie am Empfang die technischen Probleme. Dort habe ihr das Personal vom Deutschen Roten Kreuz geraten, sich abends an die Hotline zu wenden. Manuela Christ war guter Hoffnung. Das Impfen sei schnell und problemlos gegangen. „Wir mussten nicht anstehen, einige Kabinen waren sogar leer“, erzählt sie. Doch einen zweiten Termin erhielt ihre Mutter nicht.
Als sie sich abends bei der Hotline unter der Nummer 116117 gemeldet habe, habe man ihr nicht weiterhelfen können. „Normalerweise dürfen nur Leute geimpft werden, die auch bereits einen zweiten Termin vereinbart haben“, habe man ihr gesagt.
Es folgten viele weitere Telefonate. Immer wieder versuchte Christ ihr Glück bei der Hotline. „Die Frauen am anderen Ende der Leitung taten mir fast leid. Die waren selbst überfordert“, erzählt sie. Eine Hotline-Mitarbeiterin habe gar im Handbuch nach einer Lösung gesucht.
„Es kann doch nicht sein, dass der erste Impftermin für meine Mutter vergebens war, weil sie jetzt keine zweite Impfung erhält“, sagt Christ.
Eine Erklärung dafür liefert das Baden-Württembergische Sozialministerium auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Von der
Panne seien nicht nur Impfpatienten in Ulm, sondern offenbar überall in Deutschland betroffen. Der Grund dafür sei ein technisches Problem auf der Anmeldeplattform des Betreibers des Bundes, der Firma KV Digital. „Es handelt sich unseres Wissens nach jedoch um Einzelfälle“, erklärt das Ministerium. Und fügt hinzu: „Die KV Digital ist bereits dran, das Problem zu lösen.“
Für Christ und ihre Mutter ist dies ein Wettlauf gegen die Zeit: 21 Tage nach der ersten Impfung wollte sie die zweite Dosis erhalten. Sie befürchtet, dass der Impfstoff und die verfügbaren Termine nochmals knapp werden könnten.
David Richter, der Geschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes in Ulm ist für den Betrieb des Impfzentrums in Ulm zuständig. Er beschwichtigt: „Es ist kein Problem, wenn die zweite Impfung nicht exakt 21 Tage nach der Erstimpfung, sondern etwas später stattfindet.“Außerdem seien für die Zeit ab dem 29. Januar noch ausreichend freie Termine verfügbar. Ein zweiter Impftermin lasse sich „problemlos“über die Hotline vereinbaren.
Doch Christ hat mit den Experten der Hotline mehrmals schlechte Erfahrungen gemacht. „Ihre Mutter muss froh sein, dass sie überhaupt eine Impfung bekommen hat“, soll ein Mitarbeiter gesagt haben. Eine andere Mitarbeiterin habe gesagt: „Wenden Sie sich ruhig an die Zeitung,
dann sehen die Leute mal, was hier los ist.“
Bis heute versucht Christ, einen zweiten Termin zu bekommen und hat vor allem die Erfahrung machen müssen, dass die Kommunikation rund um die Impfzentren weiterhin hakt. Eine Hotline-Mitarbeiterin habe ihr geraten, ihre Mutter im Zentrum in Ummendorf impfen zu lassen und dafür die Gemeindeverwaltung anzurufen. Offenbar die völlige falsche Adresse: „Es ist unerträglich, wie viele Personen auf der Gemeindeverwaltung Ummendorf anrufen, obwohl hinreichend bekannt ist, dass der Landkreis das Impfzentrum betreibt und unter der Nummer 116117 dann Termine vereinbart werden können, sobald der Impfstoff verfügbar ist“, teilt die Gemeinde über ihre Facebook-Seite mit.
Vom Rathaus aus wurde sie an das Gesundheitsamt des Landkreises verwiesen. Und dort? Wurde ihr empfohlen, sich an die Hotline zu wenden für die Terminvergabe. „So schließt sich der Kreis, aber ich fühle mich absolut alleine gelassen“, sagt Christ. Selbst ihre Mutter habe inzwischen resigniert und schon vorgeschlagen, auf die zweite Impfung zu verzichten. „Wenn es vielen Menschen so ginge, hat die ganze Impfkampagne keinen Wert“, sagt Christ. „Ich hoffe nur, dass das Anfangsschwierigkeiten sind.“Auch nach unzähligen Telefonaten will sie noch nicht aufgeben.