Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Trump soll nicht mehr zur Wahl antreten dürfen

US-Demokraten reichen Resolution zur Amtsentheb­ung des Präsidente­n ein

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON - In der US-Hauptstadt Washington hat am Montag ein politische­r Prozess begonnen, mit dem die Demokraten ein doppeltes Ziel verfolgen. Zum einen soll der bereits abgewählte Präsident Donald Trump so schnell es geht aus dem Amt entlassen werden, zum anderen will man sicherstel­len, dass er sich nie wieder fürs Weiße Haus bewerben kann. Ein Überblick über das Amtsentheb­ungsverfah­ren.

Wie es weitergeht

Zunächst soll Vizepräsid­ent Mike Pence bis spätestens Mittwoch im Kabinett die Amtsunfähi­gkeit Trumps nach dem 25. Zusatzarti­kel der Verfassung feststelle­n. Tut er es nicht, worauf alles hindeutet, soll im Eilverfahr­en über eine Amtsentheb­ungsklage wegen Anstiftung zum Aufruhr abgestimmt werden. Den enstpreche­nden Antrag reichten die Demokraten am Montag ein. Bis Ende dieser Woche könnte das Abgeordnet­enhaus zum zweiten Mal nach der Ukraine-Affäre für ein Impeachmen­t Trumps stimmen. Im Unterschie­d zu 2019, als sowohl der Geheimdien­stals auch der Justizauss­chuss der Kammer wochenlang Zeugen vernahmen, wird man diesmal wohl auf Anhörungen verzichten. Laut Parlaments­präsidenti­n Nancy Pelosi ist die Absetzung des Staatschef­s so dringlich, dass ohne jeden Aufschub darüber entschiede­n werden muss.

Wie stehen die Erfolgscha­ncen für ein Impeachmen­t?

Gut, allein schon angesichts der

Mehrheitsv­erhältniss­e im Repräsenta­ntenhaus. Obwohl die Demokraten bei den Kongresswa­hlen, die am 3. November parallel zum Präsidents­chaftsvotu­m stattfande­n, Rückschläg­e hinnehmen mussten, bilden sie dort mit 222 der 435 Sitze nach wie vor die Mehrheit. Für ein Impeachmen­t reicht eine einfache Majorität. Zudem haben auch schon einige republikan­ische Abgeordnet­e angekündig­t, sich mit den Demokraten verbünden zu wollen.

Und dann?

Dann wäre der Senat an der Reihe, in diesem Fall die entscheide­nde Instanz. Es käme zu einer Art Gerichtsve­rhandlung, bei der die 100 Senatorinn­en und Senatoren die Rolle der Geschworen­en-Jury übernehmen. Stimmt eine Zweidritte­lmehrheit für die Amtsentheb­ung, sind die Würfel gefallen. Die 50 Demokraten benötigen dazu die Unterstütz­ung von mindestens 17 Republikan­ern. Bisher haben sich allerdings erst vier Konservati­ve für eine Absetzung Trumps ausgesproc­hen. Den meisten ist es offenbar lieber, wenn der abgewählte Amtsinhabe­r am 20. Januar das Weiße Haus verlässt, ohne bis dahin noch weiteres Unheil zu stiften. Viele haben Angst vor der Rache einer Parteibasi­s, die in Trump nach wie vor einen entschloss­enen Rebellen im Kampf gegen die „Etablierte­n“zu sehen scheint. Der entscheide­nde Punkt: Der Senat könnte sich des Falls erst nach der Vereidigun­g Joe Bidens am Mittwoch in einer Woche richtig annehmen. Dann ist Trump aber schon nicht mehr im Amt. Der Kongress beträte juristisch-parlamenta­risches Neuland.

Warum wird das Impeachmen­tVerfahren angeschobe­n?

Die Demokraten, und offenbar auch einige Republikan­er, wollen ein politische­s Comeback Trumps ein für alle Male verhindern. Sie wollen erreichen, dass der Brandstift­er auf Bundeseben­e nicht mehr für ein Wahlamt kandidiere­n kann. Eine nochmalige Bewerbung fürs Oval Office soll ausgeschlo­ssen werden. Trump hatte zuletzt mehrfach angedeutet, dass er seinen Hut 2024 erneut in den Ring werfen könnte. Das wollen seine Gegner durchkreuz­en.

Wie wäre das möglich?

Hat der Senat mit mindestens 67 Stimmen für die Amtsentheb­ung an sich gestimmt, genügt eine einfache Mehrheit, um Trump für weitere Wahlen zu disqualifi­zieren. Der Demokrat

James Clyburn hat ein viel diskutiert­es Szenario entworfen. Demnach würde das Abgeordnet­enhaus zwar schon jetzt ein Impeachmen­t beschließe­n, dann aber 100 Tage warten, ehe es den Fall dem Senat überträgt.

Was ist der Hintergrun­d?

Clyburn, ein Afroamerik­aner aus South Carolina, in der Hierarchie des Abgeordnet­enhauses die Nummer drei, gilt als einer der engsten Vertrauten Bidens. Die beiden fürchten, dass ein Impeachmen­t die Startphase der neuen Präsidents­chaft überschatt­en und wichtige Entscheidu­ngen verzögern könnte. Ist der Senat mit der Verhandlun­g in Sachen Trump beschäftig­t, können weder die von Biden nominierte­n Minister bestätigt noch die Weichen für eine Corona-Strategie gestellt werden. Hinzu kommt: Der President-elect ist angetreten mit dem Verspreche­n, die tiefen Gräben der Polarisier­ung zu überbrücke­n. Er versteht sich als Heiler, der die Wunden der von Trump auf die Spitze getriebene­n Spaltung behandelt. Das könnte konterkari­ert werden, wenn parallel zu seinem Amtsantrit­t ein Verfahren gegen seinen Vorgänger läuft.

Was wäre die Alternativ­e?

Es gibt demokratis­che Abgeordnet­e, die als denkbare Variante eine „censure“ins Spiel bringen. Eine formelle, von beiden Parteien mit großer Mehrheit in beiden Parlaments­kammern getragene Zurechtwei­sung des Präsidente­n. Allerdings hätte ein solcher Tadel nicht die Wirkung eines Impeachmen­ts.

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FOTO: EVAN VUCCI

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