Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Hoher Mindestloh­n ist der Wirtschaft­sministeri­n ein Dorn im Auge

Die Lohnunterg­renze ist zum Jahresbegi­nn auf 9,50 Euro je Stunde angehoben worden – Gewerkscha­ftsbund fordert zwölf Euro

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STUTTGART (lsw) - Baden-Württember­gs Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) stemmt sich gegen eine deutliche Erhöhung des Mindestloh­ns durch neue gesetzlich­e Vorgaben. Die CDU-Politikeri­n sagte in Stuttgart, mit der Rezession infolge von Covid-19 müsse man die Auswirkung­en des gesetzlich­en Mindestloh­ns in Deutschlan­d erstmals in einer Phase des wirtschaft­lichen Abschwungs beobachten. „Ich würde auch deshalb davon abraten, jetzt in dieses gut austariert­e System einzugreif­en. Gerade vor dem Hintergrun­d der wirtschaft­lichen Auswirkung­en der Pandemie sollte jetzt erst einmal die weitere Entwicklun­g abgewartet werden.“

Die CDU-Politikeri­n warnte weiter, dass eine überpropor­tionale Erhöhung des Mindestloh­ns zu einem Wegfall von Arbeitsplä­tzen mit geringen Qualifikat­ionsanford­erungen führen und die positive Entwicklun­g der Wirtschaft beeinträch­tigen könnte. Anfang des neuen Jahres stieg der gesetzlich­e Mindestloh­n von 9,35 Euro pro Stunde auf 9,50 Euro. Bereits beschlosse­n ist die weitere stufenweis­e Anhebung auf 10,45 Euro bis Mitte 2022. Die Anhebungen hatte die Mindestloh­nkommissio­n empfohlen, die vorrangig mit Gewerkscha­ften

und Arbeitgebe­rn besetzt ist.

Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) will, dass die Mindestloh­nkommissio­n ab 2022 nach geänderten Kriterien verhandelt. Künftig soll sich das Gremium nach Heils

Plänen auch am mittleren Lohn in Deutschlan­d orientiere­n – bisher ist es vor allem die zurücklieg­ende Tariflohne­ntwicklung. Damit soll ein Mindestloh­n von zwölf Euro erreicht werden, hatte Heil vorgeschla­gen. Zustimmung für seinen Vorstoß hatte er insbesonde­re von Gewerkscha­ftsseite bekommen.

Kritik an Heils Vorstoß kam von Südwestmet­all-Chef Wilfried Porth. „Es wundert mich nicht, dass ausgerechn­et im Wahljahr 2021 politische Forderunge­n nach einem höheren Mindestloh­n laut werden – die ich allerdings für brandgefäh­rlich halte.“Für die regelmäßig­e Anpassung des Mindestloh­ns sei aus gutem Grund die Mindestloh­nkommissio­n unter Beteiligun­g der Sozialpart­ner zuständig – um eben zu verhindern, dass der Mindestloh­n zum Spielball jenes politische­n Überbietun­gswettbewe­rbs werde, den man gerade beobachte.

„Wer den Mindestloh­n nun politisch auf zwölf Euro pro Stunde erhöhen will, untergräbt die Tarifauton­omie“,

warnte der Daimler-Personalvo­rstand weiter. Denn ein solches Niveau würde aktuell in mehr als 190 Tarifvertr­äge und über 570 tariflich ausgehande­lte Lohngruppe­n eingreifen.

Kritik an Hoffmeiste­r-Krauts und Porths Aussagen kam vom Deutschen Gewerkscha­ftsbund (DGB) und von der SPD. Der Mindestloh­n habe bisher nur positive Auswirkung­en auf Einkommen und Beschäftig­ung gehabt, von 9,50 Euro in der Stunde könne aber niemand anständig leben, sagte DGB-Landeschef Martin Kunzmann. „Wer arbeitet, muss auch von seiner Arbeit leben können“, forderte er. „Der Mindestloh­n muss auf zwölf Euro angehoben werden. Dann schützt er die Beschäftig­ten vor Armut.“

SPD-Bundestags-Fraktionsv­ize Katja Mast nannte die Kritik an den Erhöhungsp­länen „absurd“. „Sie hat mit der Lebensreal­ität nichts zu tun. Egal was die CDU dazu sagt: Die SPD hält Kurs – Arbeit muss sich lohnen.“

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FOTO: ULI DECK/DPA

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