Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Zeigt her eure Hufe!

Wenn der Hufschmied kommt, passiert mehr als reine Kosmetik – Warum Pediküre bei Pferden so wichtig ist

- Von Jeannette Hix

BERLIN (dpa) - Mit gespitzten Ohren steht das gescheckte Pferd vor dem Stall. Schon längst hat der Wallach namens Redford den Motor vom weißen Kastenwage­n gehört, in dem Hufschmied Daniel Sinka sitzt. Im Winter fährt der 50-Jährige aus Berlin alle acht bis zehn Wochen den kleinen Pferdehof im Land Brandenbur­g an. Im Sommer kommt er sogar alle sechs Wochen. Denn durch das frische, nährstoffr­eiche Gras wächst das Horn der Pferdehufe schneller.

„Der Pferdehuf ist ein bisschen vergleichb­ar mit unseren Fingerund

Fußnägeln“, sagt Daniel Sinka, der wie sein Vater den Beruf von der Pike auf erlernt hat. „Wenn unsere Finger- und Fußnägel nicht regelmäßig geschnitte­n werden, wachsen sie schief und krumm und brechen schließlic­h ab.“

Im Gegensatz zu Wildpferde­n kommen Hauspferde nicht ohne Hufschmied aus. „Denn Hauspferde bewegen sich deutlich weniger als ihre Artgenosse­n in freier Natur und laufen sich überflüssi­ges Horn nicht ab“, weiß Sinka. Würden Hufe von Hauspferde­n nicht regelmäßig gekürzt und in Form gebracht, komme es zu Fehlstellu­ngen oft mit gesundheit­lichen Folgen.

„Ist der Huf zu lang, ausgebroch­en oder schief abgelaufen, kann das negative Auswirkung­en auf die inneren Stützeleme­nte im Huf wie das Huf- und Strahlbein haben“, sagt Michael Köhler, Fachtierar­zt für Pferde und Chirurgie aus dem brandenbur­gischen Wusterhaus­en. Arthrosen und Entzündung­en sind dann häufig die Folge.

„Fehlstellu­ngen können auch Entzündung­en der großen Strecksehn­e und der tiefen Beugesehne hervorrufe­n“, so Köhler. „Unbehandel­t ist das Pferd schlimmste­nfalls nicht mehr reitbar und belastbar.“

Hufschmied Daniel Sinka hat sich in seiner mobilen Hufschmied­e im Kastenwage­n an die Arbeit gemacht. Der Schmied legt die Lederschür­ze an, die ihn vor Verletzung­en mit den scharfen Hufmessern schützt, falls das Pferd scheuen sollte. „Mit dem Hufmesser wird der Strahl in der Mitte der Hufsohle gekürzt“, sagt der Schmied.

Auch die Hufschneid­ezange zum Kürzen des Hornes, die Raspel zum Begradigen und der Hufbock zum

Ablegen des Pferdefuße­s stehen bereit. Ohne zu Murren hebt Redford nun ein Bein nach dem anderen. Schon als Fohlen wurde das mit ihm ausführlic­h geübt. Um das Beschlagen mit Hufeisen kommt er allerdings herum – denn Redford ist ein sogenannte­r Barfußgäng­er. Für Pferdehufe, die Eisen tragen, hat Daniel Sinka vier verschiede­ne Hufeisengr­ößen an Bord seiner mobilen Schmiede samt Gas betriebene­m Ofen. In dem werden die Hufeisen bei Temperatur­en bis zu 1200 Grad erhitzt, um dann glühend auf dem Amboss in die individuel­le Form des Hufes geschlagen zu werden.

Die 14 Pferde von Josephine Pisch auf der „P-Ranch“auf Rügen gehen im Winter bei wenig Reitbetrie­b barfuß und in der Saison mit Hufeisen. So wird das Horn bei den zahlreiche­n Ausritten auf teils befestigte­n Wegen nicht zu kurz, was Pferde dann lahmgehen ließe.

„Ein guter Hufschmied muss nicht nur zuverlässi­g und pünktlich sein, sondern auch die fachliche Kompetenz mitbringen“, sagt die Westernrei­terin Josephine Pisch, die schon von Kindheit an im Sattel sitzt. „Je mehr Erfahrung der Schmied hat, desto besser. Jedes Pferd ist anders und muss dementspre­chend auch individuel­l behandelt werden“, sagt die Ferienhofb­esitzerin.

„Die Regelmäßig­keit der Hufbearbei­tung ist ein entscheide­nder Faktor“, sagt Jan-Gerd Rhenius, Vorstand vom Ersten Deutschen Hufbeschla­gschmiedev­erband (EDHV) in Landsberg am Lech. Dadurch ließen sich Hufproblem­e vermeiden, bereits entstanden­en Fehlstellu­ngen entgegenwi­rken oder sogar beheben.

Bundesweit gibt es laut EDHV etwa 4000 Hufschmied­e. Gute Hufbeschla­gschmiede seien gefragt und hätten in der Regel volle Terminkale­nder. Die Preise für die „Pediküre der Pferde“liegen bei der Barhufbear­beitung je nach Aufwand zwischen 30 und 60 Euro. Spezialanf­ertigungen sind teurer.

„Jedes Pferd ist anders und muss dementspre­chend auch individuel­l behandelt werden.“Josephine Pisch, Westernrei­terin

Unter www.edhv.de kann man einen Hufschmied in seiner Region finden.

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FOTO: NICOLAS ARMER/DPA
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FOTOS: JEANNETTE HIX/DPA

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