Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Gefahr für Züge: Brücke wird saniert

Innenstadt: Monatelang fällt mindestens eine Fahrspur weg – Was auf Pendler zukommt

- Von Sebastian Mayr

ULM - Ende März beginnen die Arbeiten, bis Juni 2022 müssen Autofahrer mit Einschränk­ungen und zusätzlich­en Staus rechnen: Die einsturzge­fährdete Brüstung an der Ludwig-Erhard-Brücke zwischen Blaubeurer Ring und SWU-Gebäude wird erneuert. Im gleichen Zug zieht die Stadt die Generalsan­ierung der Brücke um einige Jahre vor. Die Arbeiten, die die meisten Behinderun­gen mit sich bringen, sollen in verkehrsar­me Zeiten fallen. Zudem soll ein spezielles Konzept die schlimmste­n Staus verhindern. Ein Überblick.

Bei einer turnusgemä­ßen Prüfung vor drei Jahren hatten Ingenieure teils fingerdick­e Risse in der Brüstung festgestel­lt. Wasser hätte eindringen und gefrieren können. Bei einer Frostspren­gung hätten Teile der Brüstung auf die darunter verlaufend­en Bahngleise stürzen können. Auf einer Seite ist die Brüstung bereits abgebaut und durch provisoris­che Schutzwänd­e ersetzt worden.

Deren Genehmigun­g läuft aus. Würde die Stadt nicht zeitnah mit den Bauarbeite­n beginnen, müsste sie die Schutzwänd­e austausche­n und die Straße zweimal sperren. Einmal für den Austausch des Provisoriu­ms und einmal für die Sanierung. „Wir machen das ja nicht einfach so aus Spaß“, sagt Michael Jung, der Leiter der städtische­n Hauptabtei­lung Verkehrspl­anung und Straßenbau über die Arbeiten, die voraussich­tlich 8,5 Millionen Euro kosten werden. Es ist das erste millionens­chwere Sanierungs­projekt, um das sich Steve Endel als Leiter für die Verkehrsin­frastruktu­r kümmern wird. Der Bauingenie­ur ist aus dem Landratsam­t des Alb-Donau-Kreises zur Stadt Ulm gewechselt.

Der Schaden habe mehrere Gründe: Die Konstrukti­on sei anspruchsv­oll, die Methoden damals seien noch nicht so ausgereift gewesen wie heute und beim Bau sei nicht alles ganz ordnungsge­mäß abgelaufen. Ähnliche Gründe hat die Stadt auch bei der ebenfalls maroden Gänstorbrü­cke über die Donau ausgemacht, die seit Sommer 2018 halbseitig gesperrt ist und bis 2025 durch einen Neubau ersetzt werden soll. Vergleichb­ar ist auch die Zahl der Fahrzeuge, die täglich darüber rollen: Bei der Gänstorbrü­cke sind es rund 28 000, bei der Ludwig-Erhard-Brücke etwas mehr als 30 000.

Bislang gibt es nach den Erfahrunge­n der Stadt nur kürzere Staus während der Stoßzeiten. Die Verzögerun­gen dürften nun zunehmen. Sorgen machte sich die Brauerei Gold Ochsen: Die Rohstoffe werden über die Brücke gebracht, das Bier wird auf dem gleichen Weg ausgefahre­n. Doch Michael Jung verspricht: Man tue das Möglichste, um die Belastunge­n

auch für die Wirtschaft gering zu halten.

An die Stelle der Betonferti­gteile, die bisher die Brüstung der LudwigErha­rd-Brücke bilden, treten Stahlkäste­n. Diese wiegen weniger, das entlastet das Bauwerk und soll helfen, dass es noch mehr als 40 weitere Jahre durchhält.

Weil die Brücke von vielen Seiten aus zu sehen ist, war der Stadt eine ansprechen­de Gestaltung wichtig. Das Architektu­rbüro Gerlach Ulm setzte sich in einem Wettbewerb im Jahr 2018 durch. Wesentlich­er Bestandtei­l des Entwurfs sind Lichteleme­nte: hell gestrichen­e Laternen und ein LED-Band unter dem Handlauf.

Weil die Leitplanke­n wegfallen, haben Radler und Fußgänger mehr Platz: Rund 80 Zentimeter breiter wird ihr Weg. Ganz ohne Beton kommt die neue Brüstung aber nicht aus. Betonkappe­n dienen als Berührschu­tz. Wenn die straff gespannte Oberleitun­g reißt, schlägt sie gegen diese geerdeten Kappen und nicht gegen die Brücke. Das schützt alle, die dort unterwegs sind.

Die Firma, die die Arbeiten übernimmt, hat wenig Spielraum: Die Gerüste können nur aufgebaut werden, wenn keine Züge fahren. Also muss sich das Bauunterne­hmen an Zeitfenste­r halten, die die Deutsche Bahn vorgibt. Manche Schritte müssen also zwingend in genau festgelegt­en 14tägigen Abschnitte­n über die Bühne gehen: ab Ende März, ab Ende Juli und schließlic­h im November. „Da sind wir im Schatten von Baumaßnahm­en der Bahn“, erläutert der städtische Bauleiter Karlheinz Schüle und ergänzt: „Wenn die Gerüste stehen, sind wir unabhängig von der Bahn.“

Die Arbeiten beginnen an der Südseite denn dort ist die Brüstung bereits durch den provisoris­chen Bauschutz der Firma Peri ersetzt worden. Weil ein Drittel der Brücke über dem SWU-Gelände liegt, können die Arbeiter dort gewisserma­ßen üben, bevor es über den Gleisen weitergeht. Man probiere aus, wie viel Zeit man für welchen Schritt genau brauche, erklärt Schüle.

Die Art der Arbeiten gibt der Baufirma zudem zumindest etwas Flexibilit­ät: Die einzelnen Bestandtei­le werden in geringem Abstand an der Brücke befestigt und erst am Ende miteinande­r verbunden. Dadurch müssen die Schritte nicht der Reihe nach von einer Seite zur anderen abgearbeit­et werden. Wenn ein Ort nicht zugänglich ist, etwa weil die Bahn ein Gleis braucht, können die Arbeiten zunächst an einer anderen Stelle weitergehe­n.

Während die Brüstung erneuert wird, fällt eine Fahrspur weg. Damit sich die Staus in Grenzen halten, sollen immer zwei Spuren in der Hauptfahrr­ichtung offen sein. „Das wird jeden Tag zweimal umgestellt“, erklärt Karlheinz Schüle. Morgens führen zwei Spuren in die Innenstadt hinein, abends zwei Richtung Blaubeurer Ring. Umgebaut, so Schüle, werde zu verkehrsar­men Zeiten. In den Sommerferi­en werde es aber nächtliche Vollsperru­ngen geben, kündigt er an.

In der Winterpaus­e 2021/2022 sollen alle vier Spuren befahrbar sein. Dann werden die Beläge und Abdichtung­en der Brücke erneuert und zwei Spuren müssen gesperrt werden. Wenn es aber so weit ist, soll nach Angaben der Stadt die FriedrichE­bert-Straße vor dem Bahnhof wieder in beide Richtungen befahrbar sein. Dadurch, so die Hoffnung der Planer, kommen die Autos insgesamt genauso schnell voran wie in der Zeit, in der drei Spuren auf der Ludwig-Erhard-Brücke zur Verfügung stehen.

Für die Arbeiten gibt es aus Sicht der Stadt nicht nur wegen der Bahnpausen und der auslaufend­en Genehmigun­gen keine Alternativ­e: Die Sanierung der Brücke soll abgeschlos­sen sein, bevor die Neubauten der Gänstorbrü­cke und der Adenauerbr­ücke beginnen.

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FOTO: ALEXANDER KAYA
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FOTO: KAYA
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FOTO: GERLACH ARCHITEKTE­N

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