Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

HNU: Präsenzprü­fungen stoßen auf Unverständ­nis

Trotz digitaler Möglichkei­ten sollen viele Prüfungen vor Ort stattfinde­n – Studenten finden das unverantwo­rtlich

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NEU-ULM (sz) - Die Hochschule in Neu-Ulm ist normalerwe­ise als digitaler Vorreiter in Bayern bekannt. Deutlich wurde das beispielsw­eise bei einem Besuch des bayerische­n Wissenscha­ftsministe­rs Bernd Sibler im April 2020. Dort lobte er die Hochschule für ihre digitalen Lehrangebo­te während der Corona-Pandemie. Umso erstaunlic­her ist es für viele Studenten, dass die Prüfungen in diesem Semester größtentei­ls als Präsenzver­anstaltung geschriebe­n werden sollen.

Das versteht auch eine Studentin der HNU nicht, die sich an die Medien hat: „Wir haben uns alle gefragt, warum wir das mit den Online-Veranstalt­ungen im Frühjahr so gut hinbekomme­n haben und jetzt die Prüfungen mit mehreren Leuten in einem Raum abgehalten werden sollen.“

Technisch sei es für die Hochschule kein Problem, digitale Prüfungen abzuhalten. Nur etwa zehn Prüfungen, die teilweise diese Woche schon stattfinde­n, sollen laut der Studentin als Online-Prüfung abgehalten werden. Alle anderen, beispielsw­eise eine VWL-Prüfung mit 280 Teilnehmer­n, soll vor Ort stattfinde­n.

Das bestätigt auch Professor Julia Kormann, die Vizepräsid­entin der

HNU. Doch die Hochschule hat noch am Dienstag nachjustie­rt. Grund dafür sei unter anderem die Kritik aus Studentenk­reisen, aber auch eine Umfrage, die die Studierend­envertretu­ng (Stuve) der HNU kurzfristi­g auf die Beine stellte.

Innerhalb von 48 Stunden hat die Stuve die Umfrage zum Studium in der Corona-Zeit erstellt, bei der 2500 von den etwa 4000 Studenten der HNU teilgenomm­en haben. Nach einer Stunde waren es bereits 1000 Teilnehmer, berichtet Ünsal Mutlu,

Sprecher der Stuve. Die Ergebnisse waren überrasche­nd: Über die Hälfte der Teilnehmer hat eine Anreise von mehr als 20 Kilometern zur Hochschule. Das bekräftigt die Sorge der Studentin, die sich an die Medien wandte: „Studenten aus den unterschie­dlichsten Landkreise­n Deutschlan­ds reisen zur Prüfung an.“

Ein anderer Student schreibt: „Meine Freunde/Familie arbeiten seit Monaten am Limit. Lassen ihre Kinder zu Hause und Geschäfte geschlosse­n. Wenn die HNU zur Prüfung

lädt, die Wohnheime, WGs und Busse wieder voll macht und die Mensa öffnet, bedeutet dies, dass die Werte steigen.“

In der Umfrage der Stuve zeigt sich, dass die Meinung der HNUSchüler gespalten ist: 40 Prozent der Teilnehmer stimmten dafür, Präsenzprü­fungen abzuhalten, 60 Prozent waren dagegen. Eindeutige­r war jedoch das Gefühl, nicht gut genug durch das Onlineseme­ster vorbereite­t zu sein: Etwa 75 Prozent fühlen sich nicht gewappnet.

Die Hochschull­eitung reagiert auf die Kritik. Vizepräsid­entin Kormann findet die Vorwurfsha­ltung aus den Reihen der Studenten schade, kann aber viele Bedenken verstehen. „Die Umfrage der Stuve gleicht wirklich einer Meisterlei­stung.“Die Leitung diskutiere jetzt, welche Alternativ­en angeboten werden können.

Fest steht laut Kormann, Stand Dienstag: Für Schüler, die aus diversen Gründen an keiner Präsenzver­anstaltung teilnehmen können, gibt es eine Online-Möglichkei­t. Auch die Art der Prüfung kann durch den Dozenten nachjustie­rt werden. Und: Wer durch Corona psychische oder auch familiäre Ängste und Sorgen hat, kann sich noch für die Prüfung abmelden.

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FOTO: ALEXANDER KAYA

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