Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Filmfestspiele: Helga Reichert hört auf
Intendantin beendet ihre Arbeit nach gut zwei Jahren – Das sind die Gründe für die Trennung
BIBERACH - Mit einem Paukenschlag beginnt das Jahr 2021 für die Biberacher Filmfestspiele: Intendantin Helga Reichert hat es abgelehnt, ihren Vertrag mit dem Filmfestverein zu verlängern. Somit braucht das Festival eine neue künstlerische Leitung. Die SZ hat mit beiden Seiten über die Gründe der Trennung gesprochen und darüber, wie es mit den Filmfestspielen nun weitergehen soll.
Nach gut zwei Jahren ist die Intendantentätigkeit von Helga Reichert bei den Biberacher Filmfestspielen beendet. Im November 2018 hatte sie das Amt von ihrem Ehemann Adrian Kutter übernommen. Er hatte das Festival 1979 aus der Taufe gehoben und es 40 Jahre künstlerisch geleitet.
Auf Reicherts erfolgreiche Festivalpremiere 2019 folgten 2020 die „Corona-Filmfestspiele“, die unter Auflagen und Hygienekonzept als Präsenzveranstaltung stattfinden konnten. Während Intendantin und Vorstand des Vereins Biberacher Filmfestspiele sich öffentlich erfreut über das gelungene Festival zeigten, war das Tischtuch intern zu diesem Zeitpunkt bereits wohl zerschnitten.
TRAUERANZEIGEN
In der Frage der Weiterentwicklung der Filmfestspiele, unter anderem bei der Entwicklung eines „Video On Demand“-Programms sei es zu Diskussionen zwischen der Intendantin und der Vorstandschaft um den Vorsitzenden Tobias Meinhold gekommen, der für die Organisation des Festivals zuständig ist, heißt es in einer Pressemitteilung des Vereins. Diese Weiterentwicklung der Filmfestspiele sei ein zentrales Anliegen der Vorstandschaft, „um das erfolgreiche Publikums- und Präsenzfestival zielgruppenorientiert in die Zukunft zu transportieren“, teilt der Verein mit. Man habe mit der Intendantin hierbei trotz einer Moderation durch OB Norbert Zeidler nicht genügend Gemeinsamkeiten finden können. Auch in Fragen der internen Organisation und der Leitung der Filmfestspiele gebe es unterschiedliche Auffassungen.
Helga Reichert bestätigte die genannten Punkte gegenüber der SZ. Im vergangenen halben Jahr hätten sich Probleme klarer gezeigt, auch zwischenmenschlich sei die Arbeit mit dem Vorstand nicht immer vertrauensvoll verlaufen. „Teile des Vorstands und ich sind einfach völlig unterschiedlicher Auffassung“, sagt sie.
Der Kern der Filmfestspiele seien für sie gute Filme und ein direkter Austausch zwischen Filmemachern und Publikum. Das habe trotz der Corona-Einschränkungen auch dieses Jahr gut geklappt, sagt Reichert. Sie störe sich aber daran, wenn das Rahmenprogramm zu sehr in den Mittelpunkt rücke, ebenso kritisiert sie Dinge wie eine VIP-Lounge für Filmschaffende und Ehrengäste. „Ich glaube, dass es früher für das Publikum einfacher war, an die Schauspieler und Regisseure heranzukommen.“
Sie verschließe sich dem Wunsch nach einem digitalen Angebot nicht, allerdings brauche es dafür ein Konzept. „Nur pauschal zu sagen, wir machen jetzt irgendwas online, darin sehe ich keinen Sinn“, so Reichert.
Dass sie mit einem neuen Arbeitsvertrag zu einem digitalen Angebot verpflichtet werden sollte und dieser Vertrag statt der besprochenen drei Jahre nur ein Jahr Laufzeit hatte, habe sie schließlich dazu bewogen, ihre Intendantentätigkeit nicht fortzusetzen. An finanziellen Dingen sei es hingegen nicht gescheitert. „Hätte ich den gleichen Vertrag wie bisher bekommen, hätte ich weitergemacht“, sagt Reichert. Auch mit ihrem Mann Adrian Kutter habe sie das Thema in den vergangenen Monaten erschöpfend diskutiert. „Natürlich ist das eine Trennung, die nicht leicht fällt, aber er steht hinter meiner Entscheidung.“Wenn der Verein konzeptionell andere Wege gehen wolle, dann sei es besser, einen Schnitt zu machen. „Dann sind das nicht mehr unsere Filmfestspiele.“
Dem Verein sei sie eine saubere Übergabe schuldig, sagt Helga Reichert. „Aber ich weiß nicht, ob das bedeutet, irgendwelche Telefonnummern von Filmschaffenden weiterzugeben.“Ihre Nachfolgerin oder ihr Nachfolger werde hoffentlich ein Profi sein, der seine eigenen Kontakte habe und sich ein Netzwerk aufbaue.
Der Verein kündigt indessen an, dass es auch 2021 Biberacher Filmfestspiele geben soll, abhängig von der aktuellen Corona-Situation. Erste Vorbereitungen zur Bestellung einer neuen künstlerischen Leitung seien bereits in die Wege geleitet worden. „Das bewährte Konzept des Festivals soll durch eine Neubesetzung nur moderat angepasst und zukunftsweisend erweitert werden“, heißt es in der Pressemitteilung. Konkrete Namen nennt der Vorstand aber noch nicht. Bis zur Mitgliederversammlung am 30. März solle eine neue Intendanz präsentiert werden. „Das ist unser Ziel“, sagte Vorsitzender Tobias Meinhold am Montagabend zur SZ.
Die Filmfestspiele 2021 sieht man auf Vereinsseite nicht in Gefahr. „Es gehen bereits Filmeinreichungen ein, die wir sammeln“, sagt Schriftführer Reinhard Brockof. Der Verein verfüge über Kontakte zu Hunderten von Filmschaffenden und Produktionsfirmen. „Wir sitzen nicht auf dem Trockenen.“
Grundsätzlich gehe es nicht darum, die Filmfestspiele neu zu erfinden, so Meinhold. Aber es sei wichtig, in einer sich verändernden Kino- und Filmlandschaft in den Onlinebereich „reinzuschnuppern“, um neue Formate zu entwickeln und sich neue Zielgruppen zu erschließen. So sei denkbar, von den sechs Filmkategorien beim Festival zunächst eine oder zwei auch online anzubieten. „Das funktioniert bereits bei anderen Festivals und ich bin mir sicher, dass die Verleiher auch in Biberach bereit sind, ihre Filme online zur Verfügung zu stellen“, sagt Meinhold.