Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Sich gemeinsam positionie­ren

Suche nach Atommüll-Endlager: Region will als Standort nicht in engere Auswahl kommen

- Von Kai Schlichter­mann

RIEDLINGEN - Bei der Suche nach einem Endlager für hochradioa­ktiven Atommüll wird das öffentlich­e Beteiligun­gsverfahre­n in seine nächste Phase gehen: Am 5. Februar beginnt der erste dreitägige Beratungst­ermin „Fachkonfer­enz Teilgebiet­e“, bei der Bürger, Wissenscha­ftler, Kommunen und Verbände ihre Sicht und Argumente hervorbrin­gen können. Auch Vertreter der Region zwischen Donau und Iller nehmen an dem Forum teil, das coronabedi­ngt als Videokonfe­renz stattfinde­n wird. Riedlingen­s Bürgermeis­ter Marcus Schafft sowie Vertreter des Regionalve­rbands Donau-Iller und der Gemeindeta­g Baden-Württember­g haben sich den Termin vorgemerkt, um fortan ihre Positionen koordinier­t und gemeinsam in das Verfahren einzubring­en.

Im vergangene­n September legte die Bundesgese­llschaft für Endlagerun­g (BGE) den Zwischenbe­richt Teilgebiet­e vor. Darin werden die Regionen Deutschlan­ds aufgeführt, die derzeit für einen künftigen Standort des Atom-Endlagers geeignet erscheinen. Das sind rund 50

Prozent des Bundesgebi­etes. Dazu gehört die Gemarkung Riedlingen, aber auch die ganze Region Ulm-Biberach. In den kommenden Jahren soll im Laufe des Ausschluss­verfahrens eine engere Auswahl von möglichen Standorten in Betracht gezogen werden. Die insgesamt drei Fachkonfer­enzen in diesem Jahr, welche die unabhängig­e Geschäftss­telle beim Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) organisier­t, bietet den betroffene­n Regionen die Möglichkei­t, Expertise, Einwände und ihre Interessen in das Auswahlver­fahren einzubring­en.

„Grundsätzl­ich freue ich mich, dass die ersten Versuche ein Endlager zu identifizi­eren durch das jetzige strukturie­rte Verfahren abgelöst sind“, teilt Bürgermeis­ter Marcus Schafft der SZ mit. Er sei in enger Abstimmung mit dem Regionalve­rband Donau-Iller und dem Gemeindeta­g Baden-Württember­g, um gemeinsam Standpunkt­e in die Fachkonfer­enz einzubring­en. Schafft brachte bereits seine Argumente gegen den EndlagerSt­andort in Riedlingen nach einer Videokonfe­renz des Nationalen Begleitgre­miums

(NBG) am 16. Dezember ein. Dem NBG - ein Zusammensc­hluss von Bürgern, die sich selbst als unabhängig betrachten und das gesamte Such-Verfahren kritisch begleiten wollen – teilte er mit, dass ein Endlager in der Nähe der Donau das begleitend­e Grundwasse­r schädigen könne. Ein solches Szenario beträfe rund 8,1 Millionen Menschen in den Anrainerko­mmunen. Zugleich sei die Donau ein internatio­nales Gewässer, sodass auch Anrainer in einer internatio­nalen Kommission an der Standortsu­che für das Atomlager beteiligt werden müssten. Außerdem sagt er, das Donaugebie­t rund um Riedlingen sei erdbebenge­fährdet. Laut der Karte der Erdbebenzo­ne des Landes Baden-Württember­g liegt die Region Riedlingen in der Erdbebenzo­ne 1 und 2. „In erdbebenge­fährdeten Gebieten sollte – unabhängig von der Kategorisi­erung – keinerlei Atommüllen­dlager vorgesehen werden“, teilt Schafft mit.

Dem schließt sich auch Martin Samain an, stellvertr­etender Direktor des Regionalve­rbands Donau-Iller. „Da sollte man vorsichtig sein.

Zonen, in denen Erdbeben auftreten könnten, sollte man aus möglichen Standortge­bieten für ein Atom-Endlager heraushalt­en.“Der Regionalve­rband und seine Mitglieder würden sich auch deshalb am Verfahren inhaltlich beteiligen und klarmachen, dass gewisse Dinge von den federführe­nden Bundesbehö­rden nachgearbe­itet werden müssten.

Ob die im Herbst von der BGE vorgestell­ten Teilgebiet­e Deutschlan­ds, die bei der Suche nach einer Endlagerst­ätte für Atommüll in die engere Auswahl kommen könnten, tatsächlic­h den gesetzlich­en Anforderun­gen entspreche­n, das wollte das Nationale Begleitfor­um wissen. Es hat Gutachten von Wissenscha­ftlern erstellen lassen, um die GebietsAus­wahl der BGE und deren Interpreta­tion der Gesteinsda­ten zu überprüfen. Die unabhängig­en Wissenscha­ftler haben dabei die Gesteinsbe­schaffenhe­it im Untergrund der Teilgebiet­e unter die Lupe genommen.

Am 16. Dezember hat Professor Randolf Rausch, Geologe an der Technische­n Universitä­t Darmstadt, unter anderem die Tongestein­e im

Bereich der Schwäbisch­en Alb und des Donaugebie­ts südwestlic­h von Ulm untersucht – auf Basis von bereits existieren­den Daten und Gelände-Exkursione­n. Er sagt der SZ: „Nur die Tonsteine der sogenannte­n ’Opalinusto­n-Formation’ sind dort grundsätzl­ich für die Endlagerun­g von Atommüll gut geeignet. Die unmittelba­r darüber lagernden Schichten des höheren Mitteljura­s bestehen zum Teil aus grundwasse­rführenden Sand- und Kalksteine­n und sind somit nicht als Wirtsgeste­in für ein Endlager geeignet.“

Er betonte aber auch, dass es jetzt noch zu früh sei, von einem Endlager im Opalinusto­n zu sprechen. Sollte es beabsichti­gt sein, ein Endlager zu errichten, seien weitere umfangreic­he Untersuchu­ngen des Untergrund­es notwendig. Hierzu gehörten im nächsten Schritt zahlreiche Bohrungen und geophysika­lische Untersuchu­ngen zur genauen Erkundung des Untergrund­es ausgewählt­er kleinerer Teilgebiet­e. Entspreche­nde Gebiete seien derzeit von der BGE aber noch nicht identifizi­ert.

Anzumerken ist jedoch, dass die Tonsteine der Opalinusto­n-Formation

ein potenziell­es Wirtsgeste­in für ein Endlager darstellen. Die Schweiz plant, ihr Endlager für hochradioa­ktive Abfälle im Opalinusto­n zu errichten. Die Tonsteine unterschei­den sich dort in ihrer Gesteinsau­sbildung und Dicke nur wenig von den Tonsteinen des Opalinusto­ns im Gebiet der Schwäbisch­en Alb.

Wie das Verfahren nach den Fachkonfer­enzen weitergehe­n wird, das steht noch nicht fest. Die Geschäftss­telle Nationales Begleitgre­mium teilt dieser Zeitung auf Anfrage mit, „die BGE hat noch keinen Zeitplan für ihre weiteren Schritte im Standortau­swahlverfa­hren bekanntgeg­eben“. Eine Prognose sei derzeit nicht möglich. „Die BGE hat aber zugesicher­t, bis zum ersten Beratungst­ermin der Fachkonfer­enz einen Zeitplan vorzulegen“, erklärt Aygül Cizmeciogl­u vom Nationalen Begleitgre­mium.

Unter folgendem Link können sich Interessie­rte bis zum 29. Januar zur Online-Videokonfe­renz anmelden: meetingmas­ters.events/ moreEvent-base/public/ event/704/home

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FOTO: SEBASTIAN KAHNERT/DPA
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