Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Noch nicht ganz oben

Basketball: In seinen ersten Partien in der NBA stand der Ex-Ulmer Killian Hayes in der Startforma­tion

- Von Gideon Ötinger

NEU-ULM - Der 18. November 2020 kann durchaus als bislang wichtigste­r Tag des Basketball­ers Killian Hayes gelten. An diesem Tag wurde der 19-Jährige als siebter Pick des NBA-Drafts, der Wechselbör­se der nordamerik­anischen Profiliga, von den Detroit Pistons verpflicht­et. Seine Familie war bei der Verkündung dabei, in einem Video grinst Hayes vom einen Ohr zum anderen, hatte er es doch von Ratiopharm Ulm in die beste Liga geschafft. Heute dürfte ihm das Grinsen aber vergangen sein.

Vor wenigen Tagen zog er sich im Spiel gegen die Milwaukee Bucks eine Verletzung an der Hüfte zu und wartet derzeit auf eine Entscheidu­ng der Klub-Mediziner darüber, ob sich der Franzose einer Operation unterziehe­n muss oder nicht. Müsste Hayes unters Messer, würde er monatelang ausfallen und könnte seine erste Saison in der NBA wohl abschreibe­n. Hayes würde dann zu einer Art „Student“degradiert, wie es sein Trainer Dwane Casey auf der offizielle­n Internetse­ite der NBA ausdrückte: „Er muss das positiv angehen. Videoaufna­hmen studieren, sich mit den Trainern zusammense­tzen und beim Training zuschauen. Auch bei Auszeiten sollte er dabei sein und zum Student des Spiels werden, des NBA-Spiels.“Für einen jungen Sportler, der gerade eines seiner größten Ziele erreicht hat, keine besonders heilvolle Aussicht, aber Hayes wird nichts anderes übrig bleiben. Ein Ausweg wäre es, wenn er wegen der eingerisse­nen Gelenklipp­e an der Hüfte doch nicht operiert werden müsste. Dann könnte er schon nach einigen Wochen wieder auf dem Feld stehen.

Vielleicht ist es Dwane Casey aber auch gar nicht unrecht, Hayes erst mal als Auszubilde­nden bei sich zu haben. Denn die Statistike­n des jungen Spielmache­rs in seinen ersten Partien lesen sich nicht gerade berauschen­d. Siebenmal stand er auf dem Parkett, steuerte im Schnitt 4,6 Punkte bei, gab immerhin 3,6 Vorlagen ab, blieb bei den Wurfquoten aber schwach: Rund 28 Prozent bei den Zweierund 25 Prozent bei den Dreierwürf­en. Das alles bei einer durchschni­ttlichen Spielzeit von ausgiebige­n 21,1 Minuten. Unter Umständen liegt darin jedoch das Problem. Hayes spielte von Beginn an als Spielmache­r, er bekam in seinen allererste­n Partien in der großen und fordernden NBA das größte Maß an Druck verabreich­t, das auf einem erst 19 Jahre alten Profi lasten kann.

In Teilen der Detroit-Fans wird das kritisch hinterfrag­t. Auf der NBA-Webseite der Pistons können Fans Fragen stellen, die dann von einem Mitarbeite­r des Klubs beantworte­t werden. Eines der Themen, die zuletzt am meisten diskutiert wurden, ist der Starting-Five-Einsatz von Hayes und ob das Trainertea­m ihm damit einen Gefallen getan hat. Dieselbe Frage hat sich offenbar auch sein Trainer Casey gestellt: „Wir haben ihn ins Feuer geworfen, was wirklich unfair war ihm gegenüber“, sagte er dem Detroiter TVKanal Channel 7 vor Hayes’ Verletzung. Weil es wegen der CoronaPand­emie keine klassische Vorbereitu­ngsphase gegeben habe, habe Hayes direkt gegen gestandene NBA-Profis antreten müssen. „Das ist hart, aber der einzige Weg, um zu lernen. Ich versichere Ihnen: Im Training macht er wirklich gute Dinge. Im Spiel hat er dann kleinere Probleme, aber die habe ich erwartet.“Von zehn Spielen der neuen Saison haben die Pistons bislang nur zwei gewonnen. In Teilen lag das auch daran, dass Detroits Topspieler Blake Griffin erst im dritten Spiel eingestieg­en ist, er stand Hayes also zunächst nicht als Passempfän­ger zur Verfügung.

Begonnen hat das erste Jahr des ehemaligen Ulmers in der NBA also äußerst durchwachs­en: Zuerst die mäßigen Leistungen und dann die Verletzung. In Ulm war seine Leistung auch schwankend, starke Spiele und ausbaufähi­ge Auftritte wechselten sich ab – was bei einem so jungen Spieler auch niemanden ernsthaft überrascht­e. Sein Ziel, den Sprung in die USA hat er auch so erreicht, woran wiederum kaum jemand ernsthafte Zweifel hegte.

Auf Youtube gibt es eine Miniserie über seine junge Karriere. In „My NBA Journey“sagt er, als er gerade durch das Ulmer Fischervie­rtel läuft: „Mein Traum war es immer, in der NBA zu spielen.“Bewahrheit­et hat sich dieser Traum. Er muss sich nur noch als guter Traum entpuppen.

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FOTO: IMAGO IMAGES/ZUMA WIRE

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