Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
„Mir ist nie langweilig“
Leichtathletik: Wolfgang Beck gehört zur Ulmer Leichtathletik wie das Münster zur Stadt
ULM - Dafür, wie weit das Alter auf dem Papier und das augenscheinliche Alter manchmal auseinanderliegen, ist Wolfgang Beck ein gutes Beispiel. Am Montag ist der Leichtathletik-Abteilungsleiter des SSV Ulm 1846 74 Jahre alt geworden, wirkt aber um einiges jünger. Weil er jede Menge Leidenschaft und Engagement für die Leichtathletik besitzt sowie durch und durch Sportler war und immer noch ist. Er hatte in den vergangenen Jahrzehnten stets mit jungen Leuten zu tun, und das hat ihn jung gehalten. Auch wenn es bei ihm etwas in den Knien zwickt, für (gemächlicheres) Tennis und Golf spielen, wandern sowie Skilanglauf reicht es noch.
In der Leichtathletik hat er sich schon vor langer Zeit erst ins Trainergeschäft gestürzt und dann, vor ein paar Jahren, die Leitung der Abteilung übernommen. Nun hat er als Trainer nur noch einen Schützling: Stabhochspringerin Stefanie Berndorfer, die bis zu ihrer Hochzeit im Oktober 2020 Dauber hieß und in ihrer Disziplin amtierende deutsche Meisterin ist. Ihr Traum heißt Olympia. Schafft sie es nicht über die Qualifikation in Deutschland – sie müsste dazu sicher ihre Bestleistung von 4,46 Metern verbessern –dann vielleicht über die internationale Rangliste. Da stehen die Chancen ganz gut und Wolfgang Beck tut alles, damit der 33-Jährigen der Sprung zu den Olympischen Spielen in diesem Jahr in Tokio gelingt. Denn danach will Berndorfer ihre sportliche Karriere beenden.
Ein Besuch in der Trainingshalle, wo Bundes- und Landeskadersportler, trotz Corona, üben dürfen: Äußerst ruhig und konzentriert verfolgt Beck die Versuche Stefanie Berndorfers, das immer höher gespannte Seil, anstelle einer Latte, zu überqueren. „Stich ein“, ermuntert er sie, wenn er die Sorge hat, die Stabhochspringerin könnte etwas mutlos unten durchlaufen. Wenn es bei „Steffi“nicht wie gewünscht läuft, rät er ihr: „Nimm einen härteren Stab“oder „verlängere den Anlauf“. Er kritisiert auch mal („Du warst zu dicht dran“) und er lobt, wenn der Sprung gelungen ist: „Gut, das war richtig gut.“
Beck war immer stark engagiert und früher auch als aktiver Sportler sehr erfolgreich. Der geborene Süßener kam einst bei der TS Göppingen zum Stabhochsprung und zum Mehrkampf. Sein wohl größter eigener Erfolg war 1968 die deutsche Zehnkampfmeisterschaft mit dem Team von Salamander Kornwestheim. Später kümmerte er sich um die Athleten vom SSV 46, wobei Elle Freudenberger, die heute als über 90-Jährige nur noch im Pflegeheim das Leben der Leichtathleten halbwegs verfolgen kann, seine Mentorin war und ihm jede Unterstützung zukommen ließ. „Ohne Elle wäre das alles hier nicht möglich gewesen“, sagt Beck und wird nachdenklich. „Das alles“waren zum Beispiel Erfolge von Top-Sprinterinnen wie Andrea Schmidt, Katharina Gauß oder Tina Gruhler, von Hürdensprinter Ralf Lebere, Stabhochspringer Florian Wacker, heute stellvertretender Abteilungsleiter beim SSV 46, Zehnkämpfer Michael Kohnle als Achter bei der Weltmeisterschaft 1993 in Stuttgart oder Arthur Abele, der zwar bei Olympia in Peking unter den Augen Becks nach fünf Disziplinen verletzt aufgeben musste, dann aber unter anderem 2013 deutscher Meister und 2018 Europameister jeweils im Zehnkampf wurde. Auch er will in Tokio noch einmal angreifen.
Beck, der bis heute keine Folgen einer Herzoperation vor zehn Jahren spürt, ist auch den momentanen SSV-Zehnkampf-Assen Mathias Brugger, Tim Nowak, Manuel Eitel und Arthur Abele nahe, obwohl die seit geraumer Zeit bei Bundestrainer Christopher Hallmann trainieren. „Aber meine Arbeit gilt ja nicht nur den Besten“, so Beck. „Jeder, der kommt, ist willkommen und wird gefördert.“Da hilft er auch gerne selbst mit. „Wenn unser Cheftrainer
Veit Rauscher mich benötigt, bin ich da“, sagt er. „Ich springe ein, wo man mich braucht. Zudem organisiere ich ja noch Veranstaltungen wie den Einstein-Marathon, die Jugendläufe und den Frauenlauf mit. Mir ist nie langweilig.“
Natürlich hat Wolfgang Beck auch Wünsche. Weniger für sich als vielmehr für „seine“Athleten: „Vor Corona hatten wir bei den Kindern einen Riesenzulauf. Wegen Corona sind vergangenes Jahr hier die deutschen Jugendmeisterschaften ausgefallen. Das war schade. Großartig wäre, wenn wir mal die Jugend-Europaoder -Weltmeisterschaften austragen dürften.“Stören tut ihn hingegen die geringe Unterstützung von Sponsoren: „Ich neide niemandem etwas. Aber wir haben klasse Athleten und wenn ich mal 10 000 Euro brauche, passiert nichts. Außer Arthur Abele hat bei uns kein Sportler auch nur einen Ausrüstervertrag.“Aber den Athleten zuliebe macht er immer weiter und weiter. Vor allem für Stefanie Berndorfer. Denn sie soll die Olympischen Spiele miterleben. Es ist ihre letzte Chance und ihr Trainer wird auch nicht jünger – selbst, wenn er ewig jung zu bleiben scheint.