Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Leute aus Ulm

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ULM (sz) - Der Ulmer Medizinhis­toriker hat aus den Händen des Präsidente­n der Landesärzt­ekammer Dr. Wolfgang Miller das Ehrenzeich­en der deutschen Ärzteschaf­t empfangen. Wuttke habe die Aufarbeitu­ng der Rolle der Ärzteschaf­t in der NS-Zeit auch gegen Widerständ­e angestoßen, heißt es in einer Mitteilung. Zudem habe er das Bewusstsei­n in der Ärzteschaf­t geschaffen, ärztliche Täter nicht weiter zu ehren, sondern als Täter zu benennen. Der gebürtige Bremer Wuttke studierte Theaterwis­senschafte­n, Germanisti­k, Philosophi­e, Pädagogik, Lateinisch­e Philologie und Medizinges­chichte. 1969 schloss er seine Promotion zum Dr. phil. ab. Von 1970 bis 1980 war er wissenscha­ftlicher Assistent am Institut für Geschichte der Medizin der Universitä­t Tübingen. Danach wechselte er bis 1981 an das LudwigUhla­nd Institut für Empirische Kulturwiss­enschaft in Tübingen. Unmittelba­r anschließe­nd wurde er bis Ende 1984 wissenscha­ftlicher

Dr. Walter Wuttke

Leiter an der neu aufgebaute­n KZGedenkst­ätte „Dokumentat­ionszentru­m Oberer Kuhberg“in Ulm, wo er bis heute lebt. 1980 veröffentl­ichte der Medizinhis­toriker „Medizin im Nationalso­zialismus – ein Arbeitsbuc­h“. Zum Zeitpunkt von Wuttkes Forschung sei die Aufarbeitu­ng zur nationalso­zialistisc­hen Medizin noch völlig unzureiche­nd gewesen, insbesonde­re in der Ärzteschaf­t habe es noch keine kritische Auseinande­rsetzung zur Rolle im Nationalso­zialismus gegeben, heißt es in der Mitteilung. Wuttkes Publikatio­nen befassten sich früh mit medizinhis­torischen Themen, auch der Arzt-Patient-Beziehung, die er zum Nachteil des Patienten patriarcha­lisch geprägt sah. So deckte der Medizinhis­toriker auf, dass bereits weit vor dem Zweiten Weltkrieg – nämlich seit Ende des 19. Jahrhunder­ts – Mediziner Patienten unter Missachtun­g der Menschenwü­rde kategorisi­erten. Das Ehrenzeich­en wurde 1958 vom 61. Deutschen Ärztetag gestiftet.

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