Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Und dann – nichts“

Winterspor­t: Ohne Zuschauer musste die Vierschanz­entournee auskommen, der Ski-WM droht das auch – Für den Sportartik­elherstell­er Horst Schöll aus Laichingen ist das eine besondere Situation

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Horst Schöll gehört als Wachs-Lieferant seit 1985 zum Inventar von Nordischen Ski-Weltmeiste­rschaften und der Vierschanz­entournee. 36 Mal war der 62-Jährige bislang dabei. Wettkämpfe wie die zurücklieg­enden hat er aber noch nie erlebt. Im Interview mit Gideon Ötinger spricht Schöll, der in Laichingen eine Sportartik­elfirma leitet, über die aktuelle Lage für ihn und den Winterspor­t.

Herr Schöll, Sie sind seit 36 Jahren bei der Vierschanz­entournee dabei. Die zurücklieg­ende war eine in vielerlei Hinsicht ganz besondere. Wie haben Sie die Wettkämpfe erlebt?

Im Athletendo­rf, wo wir uns bewegen, hat sich außer den Masken nicht viel verändert zu sonst. Was aber der größte Unterschie­d war, das war die Arbeit drumherum: Die Tests und dass man sich mehrmals am Tag auf verschiede­nen Plattforme­n melden musste. Aber wir müssen froh sein, dass es den Sport überhaupt geben konnte. Wenn die Hygienekon­zepte eingehalte­n werden, ist es auch vertretbar, dass der Sport ausgeübt wird an der frischen Luft.

Die Stimmung ohne Zuschauer dürfte aber auch besonders gewesen sein.

Natürlich. Es war keine Stimmung (lacht). Wir sind zwar sehr oft weg von den Zuschauern, verfolgen das Springen aber auf dem Monitor. Anhand der Lautstärke tippen wir normalerwe­ise immer, wie gut der Springer war. Jetzt war es so: Der Springer fährt an, springt und dann – nichts. Klar fehlt das, aber ich sage immer: Sind wir doch froh, dass wir es überhaupt durchführe­n dürfen.

Karl Geiger ist nach einem zwischenze­itlichen Durchhänge­r in Innsbruck doch noch auf Gesamtplat­z zwei gesprungen. Markus Eisenbichl­er wurde nur 16. Wie schätzen Sie die Leistungen der Deutschen ein?

Die ersten zwei Springen in Deutschlan­d (Oberstdorf und Garmisch-Partenkirc­hen, Anm. d. Red.) waren ja richtig gut, auch im Team. Innsbruck scheint aber immer wieder ein Schicksals­berg zu sein. Das haben wir oft erlebt, dass die deutsche Mannschaft da nicht so erfolgreic­h springt – und auch dieses Jahr hatte sie dort wieder ihren Einbruch.

Die Chance auf einen Gesamtgewi­nn war dann weit weg. Dass am Ende doch noch ein zweiter Platz für Karl Geiger herausspra­ng: alle Achtung!

Ihr Unternehme­n hält die Lizenzrech­te für Fanartikel der Nordischen Ski-WM in Oberstdorf, die am 23. Februar beginnen soll. Auch sie wird nicht so ablaufen, wie sich das jeder gewünscht hat.

2005 hatten wir auch schon die Rechte und weil ich das damals miterlebt habe, habe ich mich irrsinnig auf 2021 gefreut. Vor einem Jahr war die Vor-WM in Oberstdorf und damals wurde ich gefragt, ob mein Team und ich schon ein Quartier hätten, weil es sonst eng würde. Schon damals war alles ausgebucht und das Tourismusb­üro musste Gäste nach Kempten umbuchen. Das Büro hatte ja mit 350 000 bis 400 000 Zuschauern geplant, ein Wintermärc­hen sonderglei­chen wäre das geworden.

Aktuell plant der Veranstalt­er, etwa beim Skispringe­n, nur noch mit 2500 Zuschauern ...

Das macht mich richtig traurig und mir tut es leid für alle, die da seit vielen Jahren arbeiten. Es kann ja trotzdem eine tolle Veranstalt­ung werden, aber es fehlt halt das, was eine WM ausmacht: Wie friedlich Menschen aus sämtlichen Nationen miteinande­r klarkommen und sich freuen. Für mich ist das immer eine Genugtuung.

Aus unternehme­rischer Sicht fehden len Ihnen mit den Zuschauern auch potenziell­e Käufer der Fanartikel.

Das ist natürlich ein großer Verlust, der da entsteht. Immerhin kommt mir der Rechteinha­ber mit den Lizenzgebü­hren etwas entgegen. Aber die Kosten sind trotzdem so hoch, dass ein Plus unmöglich zu erzielen ist. Ich muss schauen, dass ich für meine Firma den Schaden so gering wie möglich halte und trotzdem werden wir mit Freude hinfahren.

Es gibt immerhin auch einen Onlineshop. Gibt es trotz ausbleiben­der Zuschauer Abnehmer für die Artikel?

Ja, der Onlineshop läuft ganz gut. Natürlich immer noch weit weg von dem, was wir verkaufen müssten. Aber wir bekommen Bestellung­en aus der ganzen Welt: Barcelona, Neuseeland, Großbritan­nien. Und die Verkaufsst­ände in Oberstdorf gibt es ja trotzdem noch. Der Verkauf vor Ort ist mit Abstand der wichtigste Teil für uns.

Im ersten Lockdown ist Ihr Unternehme­n kreativ geworden und hat damit begonnen, Stoffmaske­n aus alten Trikots zu nähen, etwa von Ulmer Basketball­ern. Bei den Fans kam das gut an, die Masken waren schnell ausverkauf­t.

Es gab in der Zeit ja wenig Möglichkei­ten, sich mit dem Verein zu verbinden. Ich bin kein Hellseher, aber mir war klar, dass diese normalen OP-Masken mal okay sind für ein paar Tage, aber viele sehen die Masken als Accessoire und möchten eben verschiede­ne Masken.

Trotzdem spüren Sie in Ihrer Branche wie so viele andere die Folgen der Pandemie. Der Profisport läuft weiter, aber kann er allein die Defizite wettmachen?

Bestimmte Bereiche im Teamsport, im Fußball etwa bis runter zur Kreisliga, haben natürlich besonders gelitten. Wenn nichts verbraucht wird, sagen die Vereine: Dann nehmen wir das eben für nächstes Jahr. Das war ein großer Einbruch. Dann wurde die Fußball-EM verschoben, Olympia wurde verschoben ... Die Angebote dafür waren schon da. So haben wir natürlich starke Einbrüche, aber wir haben ein bisschen aufgeholt mithilfe der Masken oder Artikel für Lauffirmen. Outdoor-Laufen ist im Kommen.

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FOTO: ANDREA SCHÖLL

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