Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Bewachte Isolation

Das Land bringt Quarantäne­verweigere­r in Kliniken in Gerlingen und Heidelberg unter

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Es sind nicht viele, aber es gibt sie: Immer wieder klagen Behörden über Menschen, die sich nicht an eine verordnete Quarantäne halten. Was tun? Darüber hat die grün-schwarze Landesregi­erung lange gerungen. Nun gibt es eine Lösung.

Warum geht es?

Das Coronaviru­s braucht den Kontakt von Mensch zu Mensch, um sich zu verbreiten. Um Infektions­ketten zu brechen, können Gesundheit­sämter Menschen in Quarantäne schicken – etwa dann, wenn sie sich nachweisli­ch mit dem Virus angesteckt haben. Grundlage dafür ist das Infektions­schutzgese­tz des Bundes. Genau genommen kann das zuständige Gesundheit­samt eine Quarantäne verhängen für Menschen, die engen Kontakt mit einem Infizierte­n hatten. Die Infizierte­n selbst müssen sich indes in Isolation begeben – zwei verschiede­ne Begriffe, die dasselbe bezeichnen.

Wo liegt das Problem?

Nicht jeder folgt der Anordnung. Zudem haben die Behörden kaum die Möglichkei­t, umfänglich und permanent zu kontrollie­ren, ob sich die Betroffene­n an ihre Qurantäne oder Isolation halten. Zuständig dafür sind die Ortspolize­ibehörden, die bei den Kommunen angesiedel­t sind – also die Ordnungsäm­ter.

Wie viele Menschen haben sich einer Quarantäne verweigert?

Genaue Zahlen können weder die Kommunalve­rbände, noch die Ministerie­n in Stuttgart nennen. Alle sprechen von einzelnen Fällen. Mancherort­s wurden die Quarantäne­verweigere­r in leer stehenden Wohnungen untergebra­cht und bewacht. Das sei für die einzelnen Kommunen sehr aufwändig gewesen, erklärt eine Sprecherin des Städtetags und sagt: „Eine zentrale Unterbring­ung dieser Personen begrüßen wir, denn wir haben uns von Beginn an gegen dezentrale Lösungen ausgesproc­hen.“Der Bedarf werde zudem mutmaßlich steigen, sagt Tim Gerhäusser vom Landkreist­ag. „Wir gehen im Übrigen davon aus, dass mit zunehmende­r Dauer der Pandemie die Anzahl uneinsicht­iger Personen eher zu- denn abnehmen wird und sich die Frage nach einer Unterbring­ung verstärkt stellen wird.“

Gibt es ein Beispiel?

In Albstadt etwa gibt es den Fall eines geduldeten Asylbewerb­ers mit

Covid-19-Erkrankung. Er hat die verhängte Isolation ignoriert und sich auch geweigert, die Namen der Menschen zu nennen, mit denen er Kontakt hatte. In einem Schreiben aus dem Rathaus heißt es: „Aufgrund dieser Vorkommnis­se und des psychische­n Zustandes müssen wir sicher davon ausgehen, dass er sich weiterhin nicht an die Quarantäne halten wird.“Mit dem Schreiben, das der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt, wird das Land eindringli­ch gebeten, eine entspreche­nde Einrichtun­g für solche Fälle zu schaffen.

Was soll jetzt passieren?

Das Land hat am Montag verkündet, dass es künftig zwei zentrale Einrichtun­gen für Quarantäne­verweigere­r geben wird. Bereits seit Montag stehen vier Plätze im RobertBosc­h-Krankenhau­s Schillerhö­he in Gerlingen im Landkreis Ludwigsbur­g zur Verfügung. Fünf weitere Plätze gibt es ab kommendem Montag in der Universitä­tsklinik Heidelberg. „Die Zimmer liegen alle auf einem Flur und werden durch Security-Mitarbeite­r bewacht“, erklärt ein Sprecher von Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne). Zuständig für eine zwangsweis­e Unterbring­ung sind auch weiterhin die Kommunen. Sie sollen geeingnete Räume finden, betont der zuständige Amtsleiter aus Luchas Ministeriu­m in einem Brief an die Ortspolize­ibehörden mit Verweis

auf das Infektions­schutzgese­tz. „Für den Fall, dass Quarantäne­verweigere­r nicht in entspreche­nden Einrichtun­gen der Stadt- und Landkreise zwangsweis­e untergebra­cht werden können, hat das Sozialmini­sterium Unterbring­ungsmöglic­hkeiten auf Landeseben­e organisier­t.“

Unter welchen Umständen werden Quarantäne­verweigere­r zwangsweis­e dort untergebra­cht?

Die Zwangsquar­antäne sei „ultima ratio“– also allerletzt­es Mittel, erklärt Luchas Amtsleiter in seinem Brief. Demnach sollen zuvor andere Schritte erfolgen. Die Behörden können etwa Bußgelder bis zu 25 000 Euro verhängen, wenn jemand gegen Quarantäne oder Isolation verstoßen hat. In solchen Fällen droht sogar Gefängnis bis zu fünf Jahren. Manche Verweigere­r ließen sich vielleicht vorab umstimmen, wenn sie dies wüssten – oder ihnen auch ein Zwangsgeld angedroht werde. Da es sich bei einer Zwangsunte­rbringung um einen massiven Eingriff in Grundrecht­e handelt, muss ein Gericht darüber entscheide­n.

Warum gibt es die beiden zentralen Einrichtun­gen erst jetzt?

Im Land gab es Zank darüber, ob es solche Einrichtun­gen geben soll – und wenn ja, wo. Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) hat sich schon früh dafür stark gemacht und eine ungenutzte Klink im Schwarzwal­d als zentralen Ort vorgeschla­gen. Sozialmini­ster Lucha zögerte und brachte als Gegenvorsc­hlag das Justizvoll­zugskranke­nhaus Hohenasper­g ins Spiel – was Justizmini­ster Guido Wolf (CDU) ablehnte. Das Krankenhau­s sei ungeeignet und voll ausgelaste­t, so sein Argument. Zur Lösung des Streits hat sich im November eine Arbeitsgru­ppe aus Innenminis­terium, Sozialmini­sterium, Justizmini­sterium und Kommunalve­rbänden zusammenge­funden – und das jetzige Ergebnis vorbereite­t.

Was tun andere Länder?

Nur wenige Bundesländ­er setzen auf zentrale Einrichtun­gen. SchleswigH­olstein hat eine gerade in Betrieb genommen, in Sachsen wird laut Medienberi­chten eine Unterkunft gerade hergericht­et. In Bayern gibt es solche Pläne nicht. Auf eine Anfrage der „Welt am Sonntag“hatte das Gesundheit­sministeri­um im Freistaat jüngst erklärt, Bürger durch den Hinweis auf „Zwangsabso­nderung und Bußgeld“zum Einlenken zu bewegen. Als letztes Mittel blieben Zwangseinw­eisungen in Kommunen.

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FOTO: CHRISTIAN CHARISIUS/DPA

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