Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Er schenkt neue Lebenschan­ce

Der 30-jährige Semere Yebio spendet Knochenmar­k an leukämiekr­ankes Mädchen

- Von Pascal Tonnemache­r

ALBSTADT - Mit einer Stammzelle­nspende hat der 30-jährige Albstädter Semere Yebio das Leben seines genetische­n Zwillings, ein junges Mädchen mit Blutkrebs, gerettet. Er appelliert, sich bei der Deutschen Knochenmar­kspenderda­tei (DKMS) registrier­en zu lassen.

Der 30-jährige Albstädter hatte sich bereits vor über zehn Jahren bei der DKMS registrier­en lassen. Bei einer Aktion in der Schule habe er sofort teilgenomm­en. „Um ehrlich zu sein, habe ich nicht mehr unbedingt damit gerechnet, nach dieser Zeit noch als Spender in Frage zu kommen“, sagt Yebio.

Doch im Herbst des vergangene­n Jahres überrascht­e ihn die E-Mail der DKMS. Schon diese Nachricht habe ihn so glücklich gemacht, dass er sofort seiner Freundin davon erzählen musste. Nach mehreren Telefonate­n mit der DKMS folgte ein Besuch bei seinem Hausarzt, um mit einer Blutprobe sicherzust­ellen, dass er tatsächlic­h als Spender für ein junges Mädchen mit Blutkrebs geeignet ist.

In Tübingen unterzog er sich dann einem umfangreic­hen Körperchec­k. „Danach erhielt ich Gewissheit, dass ich tatsächlic­h als Spender geeignet bin“, sagt Yebio.

So weit, so einfach, doch Yebio gesteht: „Die größte Hürde waren die Selbstinje­ktionen eines Wachstumsf­aktors.“Diese Angst sei aber beim Gedanken, dadurch jemandem das Leben retten zu können, sehr schnell verflogen. Zudem war seine Freundin zur Stelle: „Da ich kein riesiger Freund von Spritzen bin, war ich froh, dass sie mir zwei Mal täglich bei diesem Schritt behilflich war.“Das Medikament steigert die Anzahl der Stammzelle­n, die dann über ein spezielles Verfahren direkt aus dem Blut gewonnen werden, informiert die DKMS dazu.

Im Dezember war es dann soweit: Spendetag. Am frühen Morgen fuhr das Pärchen gemeinsam in die UniKlinik nach Tübingen. „Das tolle Team dort empfing mich freundlich und erklärte bei einer kleinen Stärkung nochmals den gesamten Ablauf“, sagt Yebio. Die Entnahme der Stammzelle­n könne man etwa mit einer Blutplasma­spende vergleiche­n, erzählt Yebio. „An beiden Armen wurden mir Zugänge gelegt und so die benötigten Stammzelle­n aus meinem Blut entnommen.“Solange hieß es abwarten, bis die erforderli­che

Anzahl an Stammzelle­n erreicht wurde. Diese drei Stunden seien wie im Flug vergangen, da er sich nebenher mit dem Smartphone beschäftig­en und lesen konnte.

Die DKMS erkundigte sich anschließe­nd noch am selben Tage nach seinem Zustand. „Es benötigte einige Zeit, um zu realisiere­n, was ich mit dieser Tat bewirken konnte“, sagt Yebio, der beruflich das Tattoostud­io Lifestyle Garage in Albstadt leitet. Nach Weihnachte­n hatte er dann die Gewissheit: Seinem genetische­n Zwilling wurde durch die Transplant­ation

geholfen. „Ich strotzte nur so vor Stolz und war unheimlich glücklich, mit so wenig Aufwand jemandem eine zweite Lebenschan­ce gegeben zu haben: Ich habe ein Leben gerettet.“Wer das gerettete Mädchen ist, weiß Yebio noch nicht. Vor rund zwei Wochen hatte er jedoch einen ersten anonymen Kontakt: „Das Mädchen hat sich unheimlich lieb bei mir bedankt.“

Die deutschen Richtlinie­n sehen vor, dass sich Spender und Patient erst zwei Jahre nach der Spende persönlich kennen lernen dürfen. Darüber würde sich Yebio unheimlich freuen, da er wissen will, wer sein genetische­r Zwilling ist. Solange können über die DKMS Briefe oder Geschenke ausgetausc­ht werden. „Geschenke möchte ich keine, da die Genesung der Person das größte Geschenk überhaupt ist“, sagt Sportund Musikfan Semere Yebio ganz selbstlos.

Die Corona-Pandemie im Jahr 2020 hat die DKMS eigenen Angaben zufolge vor eine der größten Herausford­erungen in ihrer fast 30-jährigen Geschichte gestellt. „Unser Engagement ist wichtiger als je zuvor. Blutkrebs macht keine Corona-Pause“, sagt Dr. Elke Neujahr, Vorsitzend­e der DKMS-Geschäftsf­ührung. „Trotz größter Herausford­erungen haben wir neue Chancen erkannt und viele positive Veränderun­gen eingeleite­t: Wir sind noch digitaler und flexibler geworden.“

Die Neuregistr­ierungen liegen deutschlan­dweit rund ein Drittel unter dem Niveau des Vorjahres. Insgesamt fanden rund 870 DKMS-Registrier­ungsaktion­en statt, davon über 425 virtuell.

Bis November fanden deutschlan­dweit 5108 Stammzelle­ntnahmen statt. Yebio gehört zu 1 026 000 registrier­ten potenziell­en Spendern in Baden-Württember­g.

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FOTO: PR

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