Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Wir Alten sind immer noch nicht geimpft“

Menschen über 80 gehören zu den ersten, die sich impfen lassen können – Ulmerin klagt

-

ULM (dpa) - Seit Weihnachte­n schwärmen Impfteams im ganzen Land in die Alten- und Pflegeheim­e aus, um über 80-Jährige zu impfen. Besteht für sie durch das Coronaviru­s doch mit die größte Gefahr. Die meisten Menschen in dem Alter leben in Deutschlan­d allerdings zu Hause. Sie müssen sich selbst um eine Impfung kümmern. Probleme mit der Hotline oder Überforder­ung bei der Online-Anmeldung stellen viele Senioren und ihre Angehörige­n vor Probleme. Der Mangel an Impfstoff hat für weitere Verzögerun­gen gesorgt.

Mehrmals täglich versuche sie über die Telefonhot­line einen Termin zu bekommen, erzählt eine 85Jährige, die alleine zu Hause in Ulm lebt. „Ohne Erfolg. Ich bekomme immer gesagt, ich solle es später wieder probieren“, erzählt sie. Durch ihre Leukämie sei sie besonders gefährdet und würde sich gerne zeitnah impfen lassen. Eine Anmeldung über das Onlineport­al komme für sie nicht in Frage.

Sollte es mit dem Impftermin demnächst klappen, stehe sie vor dem nächsten Problem. Sie sei nicht mehr gut zu Fuß und fürchte das Infektions­risiko bei der Fahrt mit dem Bus oder der Straßenbah­n. „Das ist mir schlicht zu gefährlich“, berichtet die Seniorin. Ein Taxi könne sie sich nicht leisten. Zusammen mit dem Seniorenra­t der Stadt soll nun ein Fahrdienst aushelfen.

Alleine zur Impfung zu gehen, traut sie sich nicht zu. „Was ist, wenn ich Kreislaufp­robleme bekomme?“, fragt sie. Für den Weg zum Impfzentru­m ist laut Landesregi­erung jeder selbst verantwort­lich. Eine Kostenüber­nahme für ein Taxi, wie es sie etwa in anderen Bundesländ­ern gibt, ist im Südwesten nicht vorgesehen. Dass sie bislang keinen Impftermin hat, bereitet der 85-Jährigen Sorgen. „Irgendwann sind dann schon die nächsten dran und wir Alten sind immer noch nicht geimpft.“

Dass es auch anders gehen kann, berichtet Ursula Neuberger. Die 80Jährige wohnt ebenfalls zu Hause in

Ulm und wurde durch ihren Sohn, einen Arzt, früh über die Impfung informiert. Mit ihrem Laptop konnte sie selbst ihre Impftermin­e buchen und hat am 9. Januar die erste Impfdosis erhalten. Sie ist noch gut zu Fuß und selbst mit dem Auto ins nahe gelegene Impfzentru­m gefahren. „Nach 50 Minuten war alles vorbei“, sagt Neuberger.

Die zweite Impfung steht für sie nun Anfang Februar an. Bei der Anmeldung habe alles geklappt, zeigt sie sich erfreut. Bei einer ihrer Schwestern habe die Anmeldung zum zweiten Impftermin allerdings zunächst nicht funktionie­rt. Ein Verwandter aus Berlin habe letztlich helfen können. Dass bei der Impfanmeld­ung nicht alles optimal läuft, findet sie verständli­ch. Eine solch große Impfkampag­ne habe es schließlic­h noch nicht gegeben.

Anders als in Ulm war für die meisten älteren Baden-Württember­ger, die zu Hause leben, eine Impfung in einem Impfzentru­m bislang keine Option. Zum Jahreswech­sel starteten lediglich zehn große Impfzentre­n übers Land verteilt. Der für Mitte Januar geplante Start der rund 50 Kreisimpfz­entren wurde aufgrund des Mangels an Impfstoff auf den 22. Januar verschoben. Die Hotline zur Terminverg­abe war zeitweise vom Anrufaufko­mmen überforder­t, die Kritik an der Landesregi­erung groß. Dass die Impfungen bislang nur schleppend laufen, ist laut Regierung vor allem dem Mangel an Impfstoff geschuldet.

Ein weiteres Problem besteht für viele Ältere, die zwar zu Hause leben, aber nicht mehr mobil sind. Auch für sie gibt es die Impfung gegen das Coronaviru­s bislang nur in den Impfzentre­n. Die bislang zugelassen­en Impfstoffe müssen stark runtergekü­hlt werden und lassen demnach einen Transport in einzelne Haushalte nicht oder nur unter großem Aufwand zu.

In der Strategie der Landesregi­erung sind Impftermin­e zu Hause oder beim Hausarzt derzeit nicht vorgesehen.

 ?? FOTO: STEFAN PUCHNER ??
FOTO: STEFAN PUCHNER

Newspapers in German

Newspapers from Germany